Norderstedt. Das sagen Autofahrer und Kunden dazu, dass die 395 Pkw-Stellplätze im P+R-Parkhaus am Herold-Center wochenlang gesperrt werden.
Es ist ziemlich schmuddelig und in die Jahre gekommen, das Park-and-Ride-Parkhaus unter dem Herold-Center in Norderstedt. Die 395 Pkw-Stellplätze sind fast immer besetzt. Von Dienstag, 1. November, an wird die P+R-Anlage für sechseinhalb Wochen komplett gesperrt. Die Verwaltung will untersuchen lassen, wie hoch tatsächlich der Sanierungsaufwand des maroden Betonbaus sein würde.
Mit der „ersten groben Schätzung“ von 94,2 Millionen Euro dafür in zehn Jahren hatte sie die Politik vor einem Monat in Schrecken versetzt. Nun sind es die Pendler und Kunden des Einkaufszentrums, die hier das Ende des kostenlosen Parkens fürchten. Während die politischen Fraktionen hoffen, dass sie nun endlich belastbare Informationen darüber erhalten, welche Schäden es genau sind und was ihre Behebung tatsächlich kosten soll.
Gesperrte Tiefgarage unter dem Herold-Center: Genervte Pendler, ungeduldige Politik
„Das ist alles Abzocke“, schimpft Karl-Heinz Meyer. „Es ist das einzige kostenlose Parkhaus in Norderstedt.“ Er fürchte, dass es damit bald vorbei sein wird und die Stadt sich auch hier durch Parkgebühren „dumm und dusselig verdienen“ will. „Dann gehen wir woanders einkaufen, in Hamburg oder Henstedt-Ulzburg.“ Auch Bernd Güllnitz aus Norderstedt, der hier zweimal die Woche sein Auto zum Einkaufen abstellt, ahnt, dass er künftig dafür bezahlen müsse.
Tjorven Hilisch fragt sich, wo er und die vielen anderen Bahnpendler jetzt ihr Fahrzeug abstellen sollen. „Es wird schwer sein für viele Pendler, Alternativen zu finden.“ Das befürchtet auch Lilian Roloff aus Norderstedt: „Es gibt ja leider keine Alternative.“ Stadtsprecher Bernd-Olaf Struppek verweist dabei auf andere Parkhäuser und Parkplätze in der Umgebung, die allerdings gebührenpflichtig seien oder wo die Parkdauer begrenzt sei. Er betont: „Die städtische Anlage ist ausdrücklich eine P & R-Anlage. Sie richtet sich also an Autofahrende, die von dort aus weiter mit dem ÖPNV fahren.“
Stadtvertreter Sven Wojtkowiak (Freie Wähler) hätte sich gewünscht, die Verwaltung hätte für die Zeit der Sperrung Alternativlösungen angeboten. So werde das obere Parkdeck des kostenpflichtigen Parkhauses kaum genutzt und hätte dafür freigegeben werden können.
Viele Nutzer des Parkhauses zeigen aber auch Verständnis. „Es wird langsam Zeit, dass hier was gemacht wird. Das ist gut für die Norderstedter Bürger“, glaubt Michael Küster aus Norderstedt, der hier fast täglich sein Fahrzeug abstellt. „Es ist doch ganz schön in die Jahre gekommen.“
Die Parkgarage wird offenbar nur selten gereinigt
Das findet auch Titus Hein aus Norderstedt: „Hier muss einiges saniert werden. Da tropft es von der Decke“, zeigt er auf Löcher im Beton. Dort bröckle der Putz ab. Überhaupt scheint die Anlage selten gesäubert zu werden. An vielen Stellen sammelt sich Dreck. Wände sind beschmiert. Tauben flattern oder stolzieren durch die Hallen. In einer hinteren Ecke liegt ein Obdachloser im Schlafsack und hat seine Sachen zum Trocknen auf einen Einkaufswagen gehängt.
Fiona-Sophie Lemke aus Henstedt-Ulzburg nimmt es gelassen: „Die Sperrung stört mich überhaupt nicht. Dann parke ich eben irgendwo anders oder fahre mit der Bahn.“
Norderstedter Politik begrüßt es, dass das Betonwerk jetzt endlich untersucht wird
Die Politiker aller Fraktionen begrüßen es im Prinzip, dass die Verwaltung nun die Schäden am Betonwerk endlich genau untersuchen wolle. „Was muss, dass muss“, sagt Grünen-Fraktionschef Marc-Christopher Muckelberg. „Wir brauchen das Gutachten, um die Kosten genau zu ermitteln.“ Ähnlich äußert sich SPD-Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl: „Das ist unschön, aber lässt sich nicht ändern.“
Auch WiN-Fraktionschef Reimer Rathje hält die Untersuchung für „überfällig“, da sie endlich „die nebulöse Kostenschätzung von 94 Millionen Euro verifiziert.“ Es sei ohnehin „rätselhaft“, warum die Verwaltung erst eine Sanierungssumme nennt, ohne vorher den Aufwand geklärt zu haben.
Für FDP-Fraktionschef Tobias Mährlein sind „die Fehler in der Vergangenheit gemacht“ worden. Viel zu lange sei die Wartung und Sanierung der P+R-Anlage vernachlässigt worden. „Da können die aktuellen Akteure nichts dafür.“ Darum sei es dringend notwendig, dass die Stadt eine Art Kataster über den baulichen Zustand aller öffentlichen Gebäude aufbaut und so die Schäden und Wartungsintervalle genau im Blick behalte, fordert Fraktionschef Thomas Thedens von den Freien Wählern, der vor einem Monat als erster die Kostenschätzung von 94 Millionen Euro an die Öffentlichkeit brachte. Für die 22 Schulen in Norderstedt würden nun solche „Gebäude-Pässe“ erstellt werden. „Wir erhalten mit dieser Untersuchung jetzt verlässliche Zahlen darüber, welche Maßnahmen im Detail notwendig sind.“
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Norderstedt: 94 Millionen Euro für die Sanierung laut Verwaltung nur der schlimmste Fall
Die Verwaltung habe inzwischen erklärt, dass die 94 Millionen-Euro-Angabe nur der schlimmste Fall sei, „wenn alles schief läuft“, erklärt Thedens. „Ich hoffe, dass es nicht so viel wird.“ Wobei Stadtsprecher Struppek von einer „ersten groben“, aber „konservativen Schätzung“ spricht, „die die voraussichtliche Baukostensteigerungen über die gesamte Sanierungsdauer beinhaltet.“ Auf Basis der jetzt ab Dienstag geplanten Untersuchungen des Ist-Zustandes würde sich die Kostenschätzung konkretisieren lassen, so Struppek.
Für Wojtkowiak sind die 94 Millionen Euro ohnehin „völlig abstrus“, sagt er. „Da muss es eine andere Lösung geben. Dafür könnten wir ja das Herold-Center neu bauen.“ Auch Linken-Fraktionschef Miro Berbig plädiert dafür, sich genau zu überlegen, ob und was denn hinterher wirklich saniert werden soll. „Es ist klar, dass das eine komplexe Sanierung unter einer vorhandenen Bebauung ist. Da kursieren ja zurzeit aberwitzige Zahlen. Aber wir müssen entscheiden, rechnet sich das überhaupt.“ So schien ihm ein Vorschlag, das gesamte Parkhaus mit Beton aufzufüllen, keine schlechte Idee zu sein.
P+R-Tiefgarage am Herold-Center: Vertragliche Pflichten? Die Stadt äußert sich nicht zu Details
Offensichtlich ist die Stadt aber allein in der Pflicht, deutet Sprecher Struppek auf Nachfrage an: „Die Stadt hat vertragliche Verpflichtungen – zu Details von Verträgen mit Dritten äußert sich die Stadt nicht.“
Am 25. März 1971 ist das Herold-Center eröffnet worden, das damals für 52 Millionen Mark nach den Plänen der Norderstedter Architekten Bernd Rave und Erwin Tomfort auf der grünen Wiese errichtet worden ist. Die P+R-Anlage sei von 1972, teilt die Verwaltung mit. Vor genau zwei Jahren ist sie schon einmal eine Woche lang komplett gesperrt worden. „Grund für die Sperrung ist die erforderliche Vermessung der kompletten Park-and-Ride Anlage und der darüber liegenden Infrastruktur, damit die geplanten Sanierungsarbeiten für die Anlage vorbereitet werden können“, hieß es dazu im November 2020 von der Verwaltung.
Immerhin verspricht Stadtsprecher Struppek heute: „Die P+R-Anlage soll nach jetzigem Zeitplan am 10. Dezember wieder geöffnet sein.“