Rantzauer Forst. Unterwegs im Rantzauer Forst mit Mone Wilke, einer Expertin in der Kunst des „Shinrin Yoku“, auch bekannt als „Waldbaden“.

Dieser Blick. Dieser weite Blick. Tief hinein ins Grün des Rantzauer Forstes. Was für ein Farbenspiel aus Licht und Schatten! Ich bleibe stehen. Gehe einen Moment in mich und schärfe meine Sinne für das, was mich in den nächsten zwei Stunden erwartet: Waldbaden - langsames und entspanntes Abtauchen in die Atmosphäre des Waldes. Mit dem Ziel, die eigene Achtsamkeit zu schulen, neue Kraft und Energie zu tanken. Gemeinsam mit der Norderstedterin Mone Wilke,Lehrerin für meditatives Naturerleben und Achtsamkeit.

Schweigend machen wir uns auf den Weg. Ganz langsam. Ich spüre den weichen Waldboden unter meinen Füßen, den Wind auf meiner Haut, lausche dem Vogelgezwitscher und Plätschern der Regentropfen auf den Blättern der Bäume um mich herum. Das ist Natur!

Waldbaden: Warum es gesund ist, einfach mal einen Baum zu umarmen

Ein Bad in ihr kann wahre Wunder bewirken. Bereits eine Viertelstunde im Wald reduziert die Stresshormone und senkt den Blutdruck. Waldbaden, so der Bundesverband Waldbaden e.V. im Nordrhein-Westfälischen Minden, ist gut für die Herzgesundheit, fördert die Schlafqualität und stärkt das Immunsystem.

Der Ursprung des Waldbadens liegt in Japan und heißt hier „Shinrin Yoku“. Das bedeutet soviel wie „Eintauchen in den Wald“. Im Land der aufgehenden Sonne wird seine entspannende Wirkung bereits seit Beginn der 1980er Jahre wissenschaftlich erforscht.

Mone Wilke war selbst erkrankt, heute hilft sie anderen

Dass Waldbaden bei verschiedenen Krankheiten die Genesung fördern kann, weiß Mone Wilke aus eigener Erfahrung. 2013 durchlebte sie eine komplette Erschöpfung, begleitet von Depression und der Diagnose Fibromyalgie, einer chronischen Schmerzerkrankung des gesamten Körpers. „Ich habe Wege gesucht, da rauszukommen und die Natur wiederentdeckt, die als Kind eine so entscheidende Rolle in meinem Leben gespielt hat“, sagt die 53-Jährige.

Waldbaden ist ihr Fachgebiet: Mone Wilke, Lehrerin für meditatives Naturerleben und Achtsamkeit.
Waldbaden ist ihr Fachgebiet: Mone Wilke, Lehrerin für meditatives Naturerleben und Achtsamkeit. © Bianca Bödeker | BIANCA BÖDEKER

„Die Natur ist für mich ein Ort, an dem ich durchatmen und mich verwurzeln kann. In ihr habe ich gelernt, meine kindliche Neugierde und Phantasie wiederzuentdecken. Und gemerkt, was ich bin, wenn ich diese beschränkenden Gedanken nicht mehr in mir habe. Ich bin unter anderem durch meine Naturerfahrungen zu einem optimistischen, kreativen Menschen geworden und gehe kraftvoller durch mein Leben trotz Fibromyalgie. Heute bin ich selbstständig und unterstütze Menschen mit chronischen Erkrankungen“, sagt Mone Wilke.

Wer einen Baum berührt, nimmt bestimmte Botenstoffe auf

Geholfen habe ihr dabei auch die Energie der Bäume, sprich die „Terpene“ – bestimmte chemische Verbindungen, die in den Bäumen als Botenstoffe fungieren. Über diese rund 100 unterschiedlichen Botenstoffe kommunizieren die Bäume miteinander, warnen sich etwa gegenseitig vor Schädlingsbefall.

Bei einem Aufenthalt im Wald nehmen wir diese Duftstoffe über Haut und Atmung auf. Sie beeinflussen sowohl Serotoninproduktion, Stresswahrnehmung und Dopaminausschüttung und wirken sich damit positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden aus.

Buche, Birke, Eiche: Welcher Baum passt zu mir?

Deshalb: Einfach mal einen Baum umarmen. Buche, Birke, Eiche, Kiefer oder Kastanie - welcher Baum passt zu mir? Das probiere ich aus, indem ich verschiedene Baumstämme mit der Hand berühre und spüre, wie ihre Energie auf mich wirkt.

Magische Momente mit der kleinen Raupe in der Rinde.
Magische Momente mit der kleinen Raupe in der Rinde. © Bianca Bödeker | BIANCA BÖDEKER

Ich habe eine Buche mit einem mächtigen Stamm für mich entdeckt. Und eine winzige Raupe, die sich an seiner Rinde labt. Ich blicke nach oben. Das Blätterdach hat so etwas Beschützendes. Wie alt dieser Baum wohl ist? Wie viele Stürme er schon erlebt hat und sich trotzdem nicht unterkriegen lässt.

Da ist er wieder: der Blick ins Weite

Zunächst bin ich ein wenig zögerlich, doch dann lasse ich mich einfach auf „meinen Baum“ ein. Umschließe seinen Stamm mit beiden Armen. Stelle mich fest auf den Boden und verwurzele mich innerlich mit ihm. Schließe die Augen. Atme tief in die Lungen ein und aus. Lasse meine Gedanken kommen und gehen. Drehe mich um, setze mich auf den Boden und lehne mich mit dem Rücken an den Baumstamm. Halte meine Ohren zu und konzentriere mich ausschließlich aufs Sehen.

Und da ist er wieder, dieser Blick. Dieser Blick ins Weite. Erneut staune ich über dieses Farbenspiel der Natur mit seinem so unterschiedlichen Grün. Wie exemplarisch diese Farbenvielfalt des Waldes doch die Vielfalt des Lebens widerspiegelt...

Körper, Geist und Seele entspannen mit dem „Weitwinkelblick“

Meine Augen entspannen sich. Mone Wilke zeigt mir danach eine Technik, mit der man ein Gefühl von dreidimensionalem Sehen bekommen kann: „Weitwinkelblick“ wird das genannt. Er hilft nicht nur, die Augen zu beruhigen, sondern auch Körper, Geist und Seele.

Auch mal nach oben schauen und das Licht- und Schattenspiel beobachten.
Auch mal nach oben schauen und das Licht- und Schattenspiel beobachten. © Bianca Bödeker | BIANCA BOEDEKER

Dazu stelle ich mich aufrecht hin und schaue geradeaus, ohne einen bestimmten Punkt zu fokussieren. Ich strecke beide Arme auf Schulterhöhe zur Seite und bewege meine Finger, die ich am Rande meines Sehfeldes wahrnehmen kann. So stelle ich den seitlichen Rahmen meines Weitwinkelblicks ein.

Alles genau wahrnehmen, im Dickicht und in den Bäumen

Jetzt fehlt noch der obere und untere Rand. Dazu nehme ich einen Arm, leicht gebeugt, nach oben über meinen Kopf und den anderen nach unten vor meinen Unterkörper. So schaue ich weiter geradeaus und bewege mich langsam nach vorn, um mich an diese ungewohnte Situation dieses dreidimensionalen Blicks zu gewöhnen. Nehme so die Bewegungen rechts und links von mir in den Bäumen und im Dickicht ganz genau wahr.

Waldbaden: Wie weich das Moos ist…
Waldbaden: Wie weich das Moos ist… © Bianca Bödeker | BIANCA BÖDEKER

Langsam gehen wir zurück. Machen an einer Lichtung halt. Ich schließe die Augen, nehme einige tiefe Atemzüge. Warme Sonnenstrahlen wärmen mein Gesicht Ich gehe in die Hocke und streiche über das weiche, feuchte Moos.

Waldbaden: der erdige Duft, der an die Kindheit erinnert

Dieser erdige Duft erinnert mich an früher. An meine Kindheit, an unbeschwerte Momente in der Natur – voller Leichtigkeit und Lebensfreude. Heute waren sie wieder da – beim Waldbaden mit Mone Wilke im Rantzauer Forst.

Weitere Infos gibt es beim Bundesverband Waldbaden. Und hier noch ein Buchtipp für alle, die sich in das Thema einlesen möchten: Yoshifumi Miyazaki, Shinrin Yoku – Heilsames Waldbaden. Die japanische Therapie für innere Ruhe, erholsamen Schlaf und ein starkes Immunsystem, 192 Seiten, Irisiana Verlag.