Norderstedt. Nach langer Coronapause wird in der Norderstedter Volkshochschule wieder gekocht. Der erste Kursus führte gleich in „Afrikas Mitte“.

Gut zweieinhalb Jahre lang mussten sie kalt bleiben, die Herdplatten in der Küche der Volkshochschule Norderstedt. Corona hatte den Kochbetrieb lahmgelegt, von einigen Online-Seminaren mal abgesehen. Die Möglichkeit, in trauter Runde Rezepte aus fernen Ländern zu kochen, haben viele schmerzlich vermisst.

Aber jetzt kann endlich wieder geschnibbelt, gehackt, angeschwitzt und umgerührt werden. Es gibt wieder Kochkurse an der VHS. Der erste führte, passend zur kühlen, nassen Jahreszeit, direkt in „Afrikas Mitte“. Wir sind mitgereist.

Norderstedt: Gleich am Anfang kommt ein Erweckungserlebnis

Gleich am Anfang steht ein Erweckungserlebnis. Kursleiterin Anke - wir sind hier alle per Du - steht am Herd hinter der Pfanne. Darin werden jetzt, ohne Zugabe von Öl, getrocknete Chilischoten, Piment- und Korianderkörner, Bockshornkleesamen und noch weitere Gewürze erhitzt. „In Afrika sagt man, dass so die Gewürze zum Leben erweckt werden“, sagt Anke. Und ergänzt: „Ich wette, ihr werdet Gewürze nie wieder auf andere Art essen.“

Möglich, dass sie recht hat. Es duftet sehr gut, alle sieben Kursteilnehmer schnuppern andächtig. An verschiedenen Stationen in der Küche liegen schon Zutaten bereit, für die Erdnusssuppe, das Hähnchengulasch, die braunen Linsen in scharfer Soße und all die anderen Gerichte, die wir kochen wollen.

„In Afrikas Mitte gibt es eine gute, einfache, scharfe Küche“

Alles lecker klingende Speisen aus „Afrikas Mitte“. Denn diese wird kulinarisch noch immer ein bisschen unterschätzt, wie Anke sagt: „Viele kennen die nordafrikanische Küche, zum Beispiel Rezepte aus Marokko. Und auch die südafrikanische Küche, die stark inspiriert von Asien ist, ist vielen ein Begriff. Afrikas Mitte kennen nur wenige, aber da gibt es eine gute, einfache, scharfe Küche.“

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Gewürzmischung „Berbere“ (siehe unten), dessen Zutaten nun in die Moulinette wandern. „Berbere“ kommt später in verschiedene Gerichte, aber die müssen erst einmal vorbereitet werden. Also an die Arbeit. Ich bekomme die Station für die Erdnusssuppe zugewiesen, Möhren liegen dort und Lauchzwiebeln.

Mein Job: das hier zubereiten. 
Mein Job: das hier zubereiten.  © FMG | Claas Greite

Lauchzwiebeln soll ich schneiden. Mit einem großen, scharfen Messer

Alles Dinge, die ich jetzt schneiden soll, heißt es auf dem Zettel, der vor mir liegt. Aber nicht mit irgendeinem Schneidwerkzeug – Anke hat ein leidenschaftliches Plädoyer für besonders große, scharfe Messer gehalten und praktischerweise auch ein paar Exemplare mitgebracht.

Gegenüber sind Ulrike und Ute auch mit Hacken und Schneiden beschäftigt. Auf dem Brett liegen Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch. Beliebte Zutaten in der afrikanischen Küche und auch bekannt als „heilige Dreieinigkeit der asiatischen Heilkunde“, wie Anke sagt. Die genannten Gewächse helfen unter anderem gegen Erkältungen, perfekt, können wir gebrauchen, hier und heute sollen sie außerdem die Grundlage für die braunen Linsen in scharfer Soße bilden, ein Rezept aus Äthiopien.

Ute und Ulrike sind Schwestern und Harriet hat schon mehr als 20 Kochkurse gemacht

Dass Ute und Ulrike gemeinsam in der Küche stehen, ist für sie keine neue Erfahrung. Denn sie sind Schwestern. „Unser Vater war ein begeisterter Hobby-Koch“, sagt Ute. „Wenn Besuch kam, mussten wir mithelfen!“ Dass sie allerdings gemeinsam einen Kochkursus belegen, ist eine Premiere für die beiden.

Harriet hingegen hat „schon ungefähr 20“ Kochkurse an der VHS gemacht, dabei italienische, griechische und auch schwedische Rezepte kennengelernt. Warum sie das macht? „Einfach, weil ich leidenschaftlich gerne koche!“, sagt Harriet. Normalerweise ist auch ihre Tochter oder eine Freundin dabei.

Imke vom Willkommen-Team interessiert sich für Rezepte aus Eritrea

Imke kocht privat häufiger mit ihrem Enkel. „Der kommt mich besuchen, dann kochen wir spezielle Rezepte, oft aus Asien.“ Der Grund für ihre Teilnahme am Kursus ist aber ein anderer: „Ich arbeite ehrenamtlich beim Willkommen-Team Norderstedt. Da werde ich oft zum Essen eingeladen, von Syrern und Eritreern. Jetzt wollte ich selbst einmal wissen, wie man so etwas kocht.“

Astrid (links) und Harriet machen den Nachtisch.
Astrid (links) und Harriet machen den Nachtisch. © FMG | Claas Greite

Imke hat nun wieder zu tun und auch ich muss zurück zu Möhren und Lauchzwiebeln. Sie müssen fertig geschnitten werden, jetzt, die anderen um mich rum sind schon bedeutend weiter, hier und da brutzelt schon etwas. Schneide also, hacke klein und werfe in den Topf, in dem sich schon eine vorbereitete Brühe befindet. Dann noch den Herd anmachen. Das Grüne von den Lauchzwiebeln kann ich der „Salatfraktion“ geben, sagt Anke. Das mache ich, ein Stück weiter treffe ich Klaus, dessen Aufgabe die Zubereitung des „Zigni“ ist, das ist das Hähnchengulasch aus Eritrea.

Ich unterhalte mich, während meine Erdnusssuppe überkocht

„Rezepte aus dieser Region haben oft den gleichen Anteil an Zwiebeln und Fleisch“, hat Anke erklärt, und das bedeutet für Klaus: er muss ein Kilo Zwiebeln schneiden, der Arme. Aber er erledigt seinen Job tapfer. Früher hat er als Maschinenbauingenieur gearbeitet, „da war ich oft in arabischen Ländern unterwegs und habe begonnen, mich für die dortige Küche zu interessieren“, erzählt er. Aber „Bohnen, Birnen und Speck“ isst er auch gern. Und einen Tag in der Woche arbeitet er ehrenamtlich bei der Norderstedter Tafel.

„Mein Lieber, deine Suppe kocht gerade über!“, sagt Anke mit freundlicher Stimme. Oha. Aber Harriet kümmert sich schon, unaufgeregt und schnell, die Handgriffe aus 20 Kochkursen sitzen. Gut, dann kann ich ja der Kursleiterin ein paar Fragen stellen.

Was Frauen und Männer in der Küche unterscheidet

Anke Hennig heißt sie mit vollem Namen, sie ist eine professionelle Köchin mit eigener Webseite, gibt mehrere Kochkurse am Tag, in Volkshochschulen in Norderstedt, Hamburg und anderswo. Eine Ausbildung als Köchin hat sie nicht, stattdessen lernte sie Komposition, Klavier und Kulturmanagement, „tiefenpsychologische Körpertherapeutin“ ist sie auch. Nachdem sie 14 Jahre lang eine Konzertagentur führte, wollte sie irgendwann „das machen, was ich schon immer machen wollte“ – und zwar Kochen. Ihre recht beeindruckende Expertise hat sie sich selbst angeeignet.

Anke hat eine Menge Erfahrung mit verschiedenen Menschen in der Küche – und typischen Verhaltensweisen. Auch hinsichtlich der Geschlechterrollen: „Frauen versorgen die Brut, sorgen für das tägliche, zermürbende Kochen. Männer kochen selten, dafür dann aber gleich molekular. Oder sie machen Crème Brulée, mit einem Flammenwerfer aus dem Baumarkt.“

Anke, Klaus und das Zigni.
Anke, Klaus und das Zigni. © FMG | Claas Greite

Nach einer Stunde wird gegessen, an der langen hölzernen Tafel

Da kein Flammenwerfer zur Hand ist, nehmen Klaus und ich die Geschirrhandtücher und trocknen Pfannen und Töpfe ab. Denn es wird, während Linsen und Gulasch noch dem Garpunkt entgegengaren, bereits parallel abgewaschen. Alles eine Sache der exakten Planung, scheint mir – läuft ja wie ein Uhrwerk, das alles hier.

Nach etwa einer Stunde ist alles fertig, der lange Holztisch ist gedeckt. Bunte, dampfende Gerichte kommen auf den Tisch, dazu gibt’s einen Schluck Rotwein. Man hat Zeit, sich ein bisschen näher kennen zu lernen. Astrid erzählt, dass ihre Tochter gerade in Tansania ist, wo sie eine Freundin besucht. Und sie lobt meine Erdnusssuppe, die ich gar nicht gekocht habe. „Die kommt bei uns bei der nächsten Feier auf den Tisch!“, sagt Astrid.

Norderstedt: Nächstes Mal die Tupperbox mitbringen

Erika, zu Hause kocht sie mit dem Thermomix, sagt: „Zum ersten Mal in meinem Leben schmecken mir Linsen!“ Wie die anderen Kursteilnehmer wird sie später ein bisschen was davon nach Hause mitnehmen, in der Tupperbox. Alle haben sie dabei, diese Tupperboxen. Macht man so, wusste ich nicht. Anfängerfehler.

Gute Sache, dieses Essen aus der Mitte Afrikas.  
Gute Sache, dieses Essen aus der Mitte Afrikas.   © FMG | Claas Greite

„Mich begeistert an meiner Arbeit, dass man sieht, wie die Menschen mit Essen aufblühen“, sagt Anke später. Dieser nette Abend am langen VHS-Holztisch ist ein gutes Beispiel dafür. Nachdem wir noch eine ganze Weile zusammen gesessen und gegessen haben, geht jeder wieder in die windige, regnerische Nacht hinaus. Nach Hause, wo es dann in der Küche vielleicht bald deutlich afrikanischer zugeht.

REZEPTE (Auswahl)

Afrikanische Erdnusssuppe

Zutaten: 1 Knoblauchzehe, 1 Zwiebel, 2 Möhren, 3 EL Öl, 1 Bd. Frühlingszwiebeln, 1 EL Honig, 1 EL Zucker, 2 TL Currypulver, 750 ml Gemüsebrühe, 175 g Erdnussbutter, 400 ml Kokosmilch, 2 EL Erdnüsse, Salz, Pfeffer, Chiliöl.

Zubereitung: Knoblauch hacken, Zwiebel und Möhren in feine Scheiben schneiden. Alles in Öl dünsten, Frühlingszwiebeln in Scheiben schneiden und mit Honig, Zucker und Curry zugeben. Brühe, Kokosmilch und Erdnussbutter zugeben und ein paar Minuten köcheln lassen. Erdnüsse unter die Suppe rühren, mit Salz, Pfeffer und Chiliöl servieren.

Zigni (Eritrea)

Zutaten: 1000 g Hähnchengulasch, 1000 g Zwiebeln, 100 g Butter, 4 Knoblauchzehen, 2 Dosen stückige Tomaten, 1-2 EL Berbere, Öl, Salz, Pfeffer, Koriandergrün.

Zubereitung: Butter und Öl erhitzen, Zwiebeln klein schneiden und mit dem Fleisch scharf anbraten. Knoblauch hacken und mit Berbere zugeben, Tomaten zugeben und ca. 30-40 Minuten schmoren, bis das Fleisch zart ist.

Berbere

Zutaten: 7 getrocknete Chilis, 1 EL Pfefferkörner, 1 EL Cuminsamen, 1 TL Bockshornkleesamen, ½ TL Pimentkörner, ½ TL Nelken, 1 TL getr. Ingwer, ½ TL Korianderkörner, ½ TL Kardamonsamen, ½ TL Zimtpulver.

Zubereitung: Ingwer und Zimt mischen, die übrigen Gewürze kurz anrösten und grob oder fein mahlen. Mit der Ingwermischung verrühren.