Norderstedt/Karlsruhe. Geschäftsmann soll Material für das Nuklearwaffenprogramm geliefert haben. Was der Generalbundesanwalt ihm vorwirft.

Der Fall ist politisch brisant und dürfte die Geheimdienste auf der ganzen Welt beschäftigen: Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen einen Geschäftsmann aus Norderstedt erhoben, der Material für das iranische Nuklearwaffenprogramm geliefert haben soll und damit gegen Embargovorschriften verstieß. Das Mullah-Regime in Teheran wird seit Jahren verdächtigt, Atomwaffen bauen zu wollen, bestreitet aber diesen Vorwurf.

Am Dienstag bestätigte die höchste Anklagebehörde Deutschlands, dass sich der Norderstedter demnächst vor Gericht verantworten muss. Der Deutsch-Iraner war vor fast genau einem Jahr in seinem Wohn- und Geschäftshaus in Norderstedt festgenommen worden und saß seitdem in Untersuchungshaft ein.

Atomwaffen für den Iran? Norderstedter vor Gericht

„Der Angeschuldigte ist gewerbsmäßiger Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz in neun Fällen hinreichend verdächtig“, sagte Ines Petersen, Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof. In acht Fällen soll es zu einem Export gekommen sein. „Das Auftragsvolumen der vorgeworfenen Taten umfasst einen Wert von über einer Million Euro“, sagte Petersen.

Die Firma des Mannes hatte ihren Sitz in dem durchsuchten Gebäude in Norderstedt und in einer Filiale in Tiflis (Georgien). Außer seinem Haus durchsuchten die Ermittler des Zollkriminalamtes und der Bundespolizei elf weitere in Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Die Durchsuchungen zogen sich über Stunden hin. Das Wohn- und Geschäftshaus liegt in einem Norderstedter Wohngebiet. Der Deutsch-Iraner galt als freundlicher Nachbar.

Polizei ließ Lastwagen kommen, um Beweismittel abzutransportieren

Dass er seit vielen Jahren seine Geschäfte hauptsächlich im Iran machte, war in seiner Nachbarschaft kein Geheimnis. „Ich wusste nur, dass er auch mit Spezialgeräten für die Öl- und Gasindustrie handelt“, sagt der Nachbar.

Die Polizei setzte nach der Durchsuchung in Norderstedt einen Lastwagen der Bundespolizei ein, um die sichergestellten Beweismittel zu transportieren. Dabei hatten die Ermittler Vermögensgegenstände beschlagnahmte. Wenn die Anklage zugelassen wird, muss sich der Geschäftsmann vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg verantworten.

Generalbundesanwalt: Norderstedter soll Zwischenhändler bedient haben

Der Norderstedter soll Geschäfte mit einem Iraner gemacht haben, dessen im Iran ansässige Unternehmen auf der EU-Embargoliste stehen. Diese Firmen hätten als Zwischenhändler für Laborausrüstung gearbeitet, die für das iranische Nuklear- und Raketenprogramm eingesetzt werden sollte.

Als der Iraner im August 2018 einen Auftrag zur Beschaffung dieser Laborausrüstung erhielt, soll er einen Zwischenhändler beauftragt haben, diese Geräte bei dem Norderstedter zu beschaffen. „Der Auftrag umfasste zunächst 23 Positionen, für die der Beschuldigte rund 970.000 Euro als Kaufpreis veranschlagte und auf den er bereits im März 2019 eine Abschlagszahlung in Höhe von rund 680.000 Euro erhalten hat“, sagte Petersen.

Ein Norderstedter Kollege des Angeklagten soll Spektrometer beschafft haben

Unter anderem ging es bei den Deals um Spektrometer, die in der Nuklearindustrie eingesetzt werden. Dabei sollen Lieferschwierigkeiten aufgetreten sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Norderstedter deshalb einen Kollegen bat, zwei Spektrometer im Wert von 285.000 Euro zu beschaffen. Auch dieser Mann hatte seinen Firmensitz in Norderstedt. Diese Geräte soll der Angeklagte im Juni 2020 ohne EU-Genehmigung exportiert haben.

Offiziell baute die Firma des Beschuldigten weltweit Industrieanlagen

Ein weiterer Auftrag des Iraners an den Norderstedter umfasste laut Anklageschrift die Lieferung von Waren mit Drehschiebervakuumpumpen, die auf der Embargoliste stehen. Diese soll der Angeklagte im November 2020 ebenfalls ohne Genehmigung in den Iran geliefert haben.

Nach Darstellung auf seiner Homepage lieferte die Firma des Festgenommenen Industrieanlagen, unter anderem für die Öl-, Gas- und Zementindustrie sowie für den Pipelinebau und für Minen. Laut eigener Beschreibung sei die Firma weltweit tätig.