Norderstedt. Was eine bundesweite Studie unter 407 Städten aufzeigt und warum das Fazit zur Digitalisierung „sehr ernüchtert“ ausfällt.

Die gute Nachricht: Norderstedt steht mit einem Digitalisierungsgrad von 36,3 Prozent in den Top Ten deutscher Städte und im landesweiten Schleswig-Holstein-Vergleich sogar auf Platz 1. Die schlechte Nachricht: Genau wie in allen anderen deutschen Städten schreitet die Digitalisierung viel zu langsam und zu wenig umfassend voran.

Zu diesem Ergebnis kommt die Smart-City-Studie der Unternehmensberatung Haselhorst Associates in Starnberg. Nach eigenen Angaben ist sie die umfangreichste Erhebung dieser Art in der Bundesrepublik und wird seit fünf Jahren in 407 Kommunen mit über 30.000 Einwohnern erhoben.

Digitalisierung: Smart City – Norderstedt in der deutschen Top-Ten-Liste

Die Top Ten 2022: Hamburg mit 47,4 Prozent auf Platz 1, München folgt mit 46,2 Prozent und Köln mit 45,8 Prozent. Dahinter: Wolfsburg (43,0), Gelsenkirchen (42,5), Darmstadt (40,5), Mannheim (38,5), Bad Nauheim (37,6), Berlin (36,8) und Norderstedt (36,3).

Norderstedt hat sich damit im Vergleich zu 2021 um einen Platz verbessert, der Digitalisierungsgrad lag vor einem Jahr bei 34,4 Prozent. Die Studie bescheinigt der Stadt die perfekte digitale Infrastruktur – das Glasfasernetz. Auch die Strategie und Umsetzung der Digitalisierung wird mit 88 Prozent als sehr gut bewertet.

Infrastruktur in Norderstedt könnte besser nicht sein

Defizite sieht die Studie bei den aus ihrer Sicht wichtigsten Themenfeldern. Bei Digitaler Energie und Umwelt sei erst ein Grad von 33 Prozent erreicht. Die Digitale Mobilität (29,0), Digitale Wirtschaft und Handel (28) und Digitale Verwaltung (25,0) sehen nicht besser aus. Abgeschlagen seien die Themen Digitale Bildung (19,0). Digitale Gebäude und Quartiere (17,0). Digitale Gesundheit (15,0) und Digitaler Tourismus (9,0).

Die Unternehmensberatung zieht nach fünf Jahren der Datenerhebung ein „mehr als ernüchtertes“ Fazit: Auch nach fünf Jahren Studienerhebung gelinge es keiner der untersuchten Städte, über einen Digitalisierungsgrad von 50 Prozent hinauszukommen. Im Gegenteil – über drei Viertel aller Kommunen wiesen sogar ein Ergebnis von weniger als 25 Prozent auf.

Viele Städte liegen im „Dornröschenschlaf“

Im Vergleich zur Pionier-Studie im Jahr 2018 falle auf, dass die Anzahl der digitalen Vorreiter-Städte weitestgehend stagniert und sich die hiesigen Smart Citys somit noch immer im Dornröschen-Schlaf befänden.

„Wenn der Themenkomplex Smart City nicht bald flächendeckend in den Städten Einzug hält, werden die hohen CO2-Emissionen bereits in absehbarer Zeit die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner massiv einschränken“, sagt Dr. Arno Haselhorst, Gründer der Unternehmensberatung.

Digitalisierung gelingt nur mit Einbindung alle Bürgerinnen und Bürger

Denn: „Smart City ist weit mehr als ein vereinzeltes Digitalisierungsprojekt hier und da. Hinter einer smarten Stadtentwicklung steckt vielmehr ein ganzheitliches Konzept, das im Detail auslotet, wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, das Leben in den Städten langfristig nachhaltig zu gestalten.“ Mit Blick auf die Energiekrise und die gesteckten Klimaziele sei dringend aktives Handeln gefordert – sowohl aufseiten der Städte als auch der Stadtwerke.

Aus Sicht des Berater-Teams aus Starnberg sind drei Faktoren für die erfolgreiche Entwicklung hin zur Smart City entscheidend: eine umfassende und langfristig ausgelegte Strategie, eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur sowie die frühzeitige und anhaltende Einbindung aller beteiligten Stakeholder sowie der Bürgerinnen und Bürger.

Norderstedt startet die Digitalisierungsoffensive „Norderstedt Go!“

„Eine Stadt allein kann die erfolgreiche Transformation zur Smart City nicht bewältigen. Sie muss stattdessen den engen Schulterschluss zu den ansässigen Stadtwerken suchen, um gemeinsam den Ausbau der digitalen Infrastruktur voranzutreiben und damit die Grundlage für die Realisierung innovativer Projekte zu schaffen“, sagt Jürgen Germies, Studienautor und geschäftsführender Partner bei Haselhorst Associates.

Insofern hat Norderstedt seine Hausaufgaben bereits gemacht und hat gute Aussichten, sich weiterhin in den Top Ten der Smart Citys wiederzufinden. Mit Sonja Bahnsen hat die Stadt eine Beauftragte für die Digitalisierung der Stadt eingestellt, die Stadtwerke haben Nils Sadowski als Projektverantwortlichen eingesetzt. Sie treiben derzeit die „Smart-City-Offensive“ der Stadtverwaltung „Norderstedt Go!“ voran.

Digitalisierung: „Leuchtturmprojekte“ wurde definiert

Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, den Stadtwerken und allen anderen Akteuren auf kommunaler Ebene soll das Digital-Potenzial der Stadt gehoben werden. Dazu werden unter anderem vier zusätzliche Stellen bei der Stadtwerke-Tochter wilhelm.tel geschaffen. 20 Workshops mit 60 sogenannten Zukunftsbotschaftern aus der Stadtgesellschaft werden abgehalten.

Erste „Leuchtturmprojekte“ wurden definiert, darunter die Entwicklung einer App, die sämtliche Digitalen Dienste der Stadt bündelt, aber auch die Idee, digitale Schließfächer in der Stadt aufzustellen, aus denen Bürger Dinge über das Handy ausleihen können, etwa den Bollerwagen im Stadtpark. Was die Emissionsreduzierung angeht, so sind bei den Stadtwerken etliche Themen angesiedelt (Smart Energy, Smart Grid), die langfristig dabei helfen, die Stadt klimafreundlicher zu machen.