Boostedt. Beim Nebeneinander von Justiz-Ausbildung und Flüchtlingsunterbringung in der Rantzau-Kaserne gib es Probleme. Was der Bürgermeister sagt.
Zwischen Auszubildenden für den Dienst in Schleswig-Holsteins Gefängnissen und Flüchtlingen kommt es in der ehemaligen Rantzau-Kaserne in Boostedt kommt es nach Darstellung des Deutschen Beamtenbundes (DBB) immer wieder zu Konflikten. Der Bürgermeister der Gemeinde Boostedt wiederum übt deutliche Kritik an dieser Darstellung.
Der DBB-Landesverband berichtet in einer Mitteilung, dass die "teilweise verzweifelten" Nachwuchskräfte von einer „unwürdigen Unterbringungssituation“ und „massiven Problemen“ mit den dort untergebrachten Flüchtlingen sprechen.
Boostedt: „Autos bespuckt“ – Justiz-Azubis und Flüchtlinge im Konflikt
Die Azubis besuchen in der Kaserne die Vollzugsschule des Landes Schleswig-Holstein und leben in dieser Phase der Ausbildung in Nachbarschaft zu den Flüchtlingen aus aller Welt, die in der Rantzau-Kaserne leben. Laut Aussagen der Azubis sei es vorgekommen, dass Autos bespuckt und mit Steinen beworfen wurden.
Nahezu täglich, so heißt es in der Mitteilung des DBB, würden die Auszubildenden „um Geld und Zigaretten angebettelt.“ Auch hohe Lärmpegel durch laute Musik, „ungezügelte Unterhaltungen und immer wieder ausgelösten Feueralarm“ beeinträchtigen die Ausbildungssituation und „rauben den Schlaf, auch in Prüfungsphasen.“
Ausbildung in Boostedt muss abgebrochen werden
Alarm geschlagen hatte die Fachgewerkschaft für den Strafvollzug, der Bundesverband der Strafvollzugsbediensteten (BSBD). Der Landesvorsitzende Michael Hinrichsen stellt klar: „Diese unfassbaren Vorgänge gehen nicht von Flüchtlingen aus der Ukraine aus.“ Für ihn und auch den DBB sei klar, dass unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen die Ausbildung in Boostedt keinesfalls fortgesetzt werden könne.
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Hartmut König (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Boostedt, kritisiert nun allerdings die Darstellung des DBB. "Ich habe null Verständnis dafür", sagte er dem Abendblatt. In der Mitteilung des DBB werde ein "Thema hochgekocht" und größer gemacht, als es tatsächlich sei. So könne man aber keine Probleme lösen.
Bürgermeister: Schilderungen sind übertrieben
Natürlich gebe es hin und wieder Konflikte, deshalb habe es aber vor einigen Wochen einen runden Tisch gegeben, mit Vertretern der Ausbildungseinrichtung sowie der Landeseinrichtung und der Sicherheitsdienste. Dabei seien schon Lösungen gefunden worden.
Wie Wolfgang Kossert, Sprecher des Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge sagt, wurde das von Flüchtlingen bewohnte Haus G5 neben der Vollzugsschule zwischenzeitlich leergezogen. "Das sorgte für mehr Ruhe. Aufgrund des starken Zugangs Geflüchteter konnte dies nicht dauerhaft aufrechterhalten werden." Das DRK, das die Flüchtlinge betreut, habe im direkten Kontakt mit dem Leiter der Vollzugsschule "24/7-Telefonnummern" herausgegeben, um bei Problemen mit den Bewohnern sofort unterstützen zu können, so Kossert.
Angebliche Steinwürfe: Polizei nahm keine Anzeige an
Viele der Schilderungen der Justizschüler hält Bürgermeister Hartmut König zudem für übertrieben. "Bei dem Bewerfen von Autos ging es nach meiner Kenntnis um einen Vorfall, bei dem kein Täter ermittelt werden konnte." Wolfgang Kossert sagt, die Vorwürfe zu Fahrzeugbeschädigungen seien im Juli von der Polizei aufgenommen worden. "Schäden wurden begutachtet und nicht als Kratzer, sondern als normale Gebrauchsspuren identifiziert. Eine Anzeige wurde deshalb nicht entgegengenommen. Seither sind keine neuen Vorwürfe an die Polizei herangetragen worden."
Das Problem des Bettelns habe sich laut Hartmut König durch einige Großfamilien ergeben, die mittlerweile verlegt worden seien. In Boostedt sei das Problem dann zurückgegangen.
"Man muss sich auch einmal durchsetzen können"
Damit, dass nachts manchmal der Feueralarm losgehe, müsse man leben, "da kann es um Menschenleben gehen." Grundsätzlich wünscht er sich von den Auszubildenden etwas mehr Fähigkeit zur Konfliktlösung: "Diese Justizschüler sollen später mit Hochkriminellen im Gefängnis arbeiten. Da müssen sie sich auch im Leben einmal durchsetzen können", sagt der Politiker.
Erst seit 2019 sind Auszubildende im Justizvollzugsdienst in der ehemaligen Militärkaserne in Boostedt untergebracht. Im November 2024 endet der Mietvertrag mit dem Bund. So lange sollten Azubis, die später vor allem in Gefängnissen arbeiten werden, eigentlich in Boostedt ausgebildet werden. Aber aus Sicht der Gewerkschaft sind die Verhältnisse dort unhaltbar, was nicht nur mit den beschriebenen Konflikten mit den Flüchtlingen zu tun habe.
Unzeitgemäße Ausstattung, schlechter Internetempfang, Plastikmatratzen
Hinzu komme noch eine „alles andere als zeitgemäße Ausstattung der Unterrichtsräume und Unterkünfte der Nachwuchskräfte“, heißt es in der Mitteilung des DBB Schleswig-Holstein. „Plastikmatratzen, keine geschlechtergetrennte Sanitärräume und ein mangelhafter Internetempfang“ stünden auf der Kritikliste.
Für den DBB-Holstein ist die Forderung, die Ausbildung am Standort Boostedt auszusetzen und Alternativen zu schaffen, „mehr als nachvollziehbar“. Es müsse „unverzüglich gehandelt“ werden.
Boostedt: Azubis werden durch die Situation vergrault
Das Land habe nicht nur eine Fürsorgepflicht gegenüber den Nachwuchskräften, sondern sei „auch gut beraten, in allen Ausbildungsbereichen mit Blick auf den Fachkräftemangel zeitgemäße und attraktive Rahmenbedingungen zu bieten.“ Da dürfe der Justizvollzug keine Ausnahme sein.
Bürgermeister Hartmut König betont wiederum, dass die Gemeinde die Ausbilungseinrichtung "auf jeden Fall behalten" wolle. Auf die Ausstattung der Räume habe er keinen Einfluss, aber das Problem lasse sich mit etwas gutem Willen sicherlich lösen.
Zur Not, so König, lasse sich auch der Bereich der Auszubildenden auf dem Kasernengelände mit einem Zaun abtrennen. Er betont aber, dass man auf Dialog und Toleranz setzen solle. Und er sagt auch: "Der Flüchtlingsunterkunft fehlt ein Kinderspielplatz, der wird seit Monaten nicht gebaut. Wenn Kinder sich nicht richtig beschäftigen können, ist es klar, dass sie laut sind."