Kreis Segeberg. Landesunterkünfte in Boostedt und Bad Segeberg bereiten sich vor. Kleiderspenden und Spielzeug werden benötigt.

Der Kreis Segeberg bereitet sich auf die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine vor. Die Menschen sollen zunächst in den beiden Landesunterkünften im Kreis aufgenommen werden, sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Diese befinden sich in Boostedt und Bad Segeberg, das Rote Kreuz kümmert sich dort um die Bewohner. „Wie genau die Aufnahme aussehen soll, muss zunächst auf Bund-Länder-Ebene geklärt werden“, sagte Müller. In der Flüchtlingskrise 2015 habe der Kreis aber „Erfahrungen im Krisenmanagement“ gemacht, die nun wertvoll seien.

Ukraine-Krieg: So bereitet sich der Kreis Segeberg vor

Laut Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack waren es bis Montag erst sechs Flüchtlinge aus der Ukraine, die im Land in einer Unterkunft angekommen sind. In der Boostedter Landesunterkunft war am Montag noch keiner dieser Geflüchteten angekommen. In der ehemaligen Bundeswehrkaserne sind derzeit 500 Menschen untergebracht, die überwiegend aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kommen. Die Zahl der Plätze könne kurzfristig auf 750 aufgestockt werden, sagt Einrichtungsleiter Musa Inci vom Roten Kreuz. Wenn die Politik zustimme, wäre auch eine Auslastung mit bis zu 1000 Menschen denkbar.

Die Hilfsbereitschaft sei schon jetzt riesig, so Inci. Das Rote Kreuz erreichen zahllose Anfragen von Bürgern und Vereinen, die spenden wollen. „Da haben sich zum Beispiel ganze Polizeidienststellen bei uns gemeldet“, sagt Inci. Das Rote Kreuz sei besonders auf Kleidung und Bettwäsche angewiesen. Spenden können direkt an der Wache der Unterkunft abgegeben werden.

Auch in der Unterkunft in Bad Segeberg bereitet man sich auf die Ankunft von Menschen aus der Ukraine vor. Man sei „stets auf Zuwachs vorbereitet“, sagt Matthias Deerberg, Vorsitzender des DRK-Kreisverbandes Segeberg. Dass Spenden willkommen seien, betont auch er - neben Kleidung werde Spielzeug für Kinder benötigt, hilfreich seien auch Geldspenden.

Norderstedter Rathaus leuchtet in Gelb und Blau

„Wir alle blicken mit Schrecken und großer Betroffenheit auf das, was gerade in der Ukraine passiert. Wir alle sind bereit zu helfen. Das Mitgefühl gilt allen Opfern dieses Krieges und deren Familien“, kommentiert Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder die Lage. Als sichtbares Zeichen der Solidarität werden Teile des Norderstedter Rathauskomplexes in den kommenden Tagen in den Farben der Ukraine angestrahlt.

Die Stadt bereite sich bestmöglich darauf vor, Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet aufzunehmen und zu unterstützen. Dazu führe man Gespräche mit Akteuren vor Ort, dem Land und dem Kreis. Auch die Wohnungswirtschaft in Norderstedt möchte den Menschen helfen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. „Wenn nicht wir, wer dann“, sagt Volker Heins, Geschäftsführer des Wohnungsunternehmens Plambeck. Für ihn und sein Team sei es selbstverständlich, Hilfe anzubieten. Immer wieder würden Mietverhältnisse gekündigt, diese Wohnungen könnten dann zur Verfügung gestellt werden. Heins will mit Norderstedts Sozialdezernentin Katrin Schmieder abstimmen, wo und wie Plambeck helfen kann.

Das gilt auch für die Geschäftsführung von Adlershorst, zweites großes Wohnungsunternehmen mit Sitz in Norderstedt. „Wir können aktuell 27 Wohnungen anbieten“, sagt Adlershorst-Sprecherin Kim Kölln. Da sich Hilfesuchende an die Stadt wendeten, mache es Sinn, wenn dort die Fäden zusammenlaufen. Das Unternehmen vermiete den Wohnraum an die Stadtverwaltung, die am besten entscheiden könne, wer einziehen soll. Auch die Arbeiterwohlfahrt (Awo) kümmert sich im Kreis um Geflüchtete, organisiert etwa Sprachkurse. Mit der Stadt Norderstedt hat sie dafür einen Betreuungsvertrag abgeschlossen. Awo und Stadt werden in den kommenden Tagen Details besprechen, wie Neuankömmlingen aus der Ukraine geholfen werden kann, sagt Kathrin Mansfeld, Sprecherin des Awo-Landesverbandes. In Kaltenkirchen haben die Prüfungen begonnen, welche Kapazitäten für die Unterbringung von Geflüchteten bereitgestellt werden können. „Wir befinden uns darüber im Gespräch mit dem Kreis, der Feuerwehr, dem THW und anderen Organisationen“, sagte Bürgermeister Hanno Krause.

Viele Ukrainer schlagen sich auf eigene Faust durch

Unübersichtlich ist die Zahl der Ukrainer, die auf eigene Faust oder durch Hilfe von Freunden schon ins Land kamen. „Ich weiß natürlich, dass darüber hinaus im Rahmen privater Initiativen Menschen zu uns in Sicherheit gebracht worden sind“, sagte Ministerin Sütterlin-Waack.

Exemplarisch dafür ist vielleicht das Beispiel der Schwiegereltern von Vladimir Lys, Tennistrainer und Regionalligaspieler des TC Alsterquelle in Henstedt-Rhen. Er und seine Frau Maria und Tochter Eva Lys waren in großer Sorge um das Schicksal von Irina Moskaluk (66) und ihrem Mann Alexander Rabinovych (69), die in Kiew leben.

Am Sonntag bekam Maria Lys die erlösende Nachricht per SMS. Die Eltern hatten es geschafft, sie waren durchgekommen. Nach einer knapp viertägigen Odyssee voller Ängste und Zweifel passierten die beiden mit ihrem voll bepackten Seat Kombi den ukrainischen Grenzort Krakowez und erreichten Polen.

626 Kilometer waren es von Kiew hierher, ein unheimlicher, fast grenzwertiger Kraftakt. Eine Tortur ohnegleichen, die lange Zeit über ihre Kräfte zu gehen schien. „Wir wollten uns auf keinen Fall dem drohenden Schicksal beugen“, sagt Alexander Rabinovych. „Wenn Menschen von einem Machthaber wie Putin derartig denunziert werden und von Bomben und Schüssen angegriffen werden, erzeugt das in einem nur noch Hass und Ohnmacht.“

Sie zögerten die Flucht hinaus – der Hunde wegen

Direkt nach Kriegsausbruch hatten die beiden Ukrainer noch gezögert, ihre Wohnung in der Innenstadt von Kiew zu verlassen. Schließlich waren da ja noch die Hunde – Irina Moskaluk züchtet West Highland White Terrier. Eine von drei Hündinnnen brachte vor einigen Wochen sechs Welpen zur Welt. Den Stress der Flucht im Auto hätte das Ehepaar den Tieren gerne erspart. Doch Maria und Vladimir Lys forderten die Schwiegereltern schließlich ultimativ auf: „Packt eure Sachen, ihr müsst weg. Und besorgt euch ausreichend Benzin.“ Das gelang, bevor in einigen Stadtteilen erste Plünderungen von russischen Truppen begannen.

Die Fahrt verlief zähflüssig. Ständig Staus, noch länger als in der City von Kiew. Das Ehepaar kam anfangs kaum voran. Die Nahrung wurde knapp. Zum Glück tauchten bei den Stopps irgendwann ukrainische Landsleute auf, von denen sie und andere Flüchtlinge Essen und heißes Wasser bekamen.

Bevor Irina Moskaluk und ihr Mann Alexander Rabinovych zu ihrer Tochter Maria, Schwiegersohn Vladimir und Enkelin Eva Lys fahren, werden sie zunächst für einige Tage in der Unterkunft einer polnischen Freundesgemeinschaft aufgenommen. Sie und die Hunde sollen möglichst erst einmal wieder zu Kräften kommen.

Ärztin aus Henstedt-Ulzburg startet medizinische Hilfsaktion

Die Henstedt-Ulzburger Hausärztin Dr. Oksana Ulan bittet Kolleginnen und Kollegen aus der Region um Unterstützung. Die Medizinerin ist Vorstand der Ukrainischen Ärztevereinigung in Deutschland. In Kooperation mit der Firma MedX Project sollen so schnell wie möglich Sachspenden für verletzte Zivilisten und Soldaten gesammelt werden, die dann als Hilfslieferung in die Ukraine gefahren werden können.

„Alles, was in einem Kriegsgebiet eine einigermaßen gute medizinische Versorgung gewährleistet“, sei benötigt, heißt es. Das bedeutet: Schmerzmittel, Antibiotika, Asthma-Mittel, Blutstiller, Tourniquets, Bandagen, Schienen, Verbandsmaterialien, chirurgische Instrumente, Intubationszubehör, Beatmungsutensilien, Thermodecken, Stirnleuchten, Erste-Hilfe-Kästen (auch bereits abgelaufene).

Anlaufpunkt ist das von MedX betriebene Corona-Impfzentrum im Kaltenkirchener Ohland-Park. Dort werden die Güter gesichtet, ehe wohl schon Mitte dieser Woche ein erster Transport aufbricht. Grundsätzlich ist das Impfzentrum von 10 bis 16 Uhr geöffnet, es wird aber möglichst um eine vorherige Mail an o.ulan@hilfe-ua.de oder ukraine@medx-project.de gebeten (www.uaevd.de).

In den Städten und Kommunen läuft die Hilfe an

In den Städten und Kommunen des Kreises Segeberg sind bereits etliche Hilfsaktionen angelaufen. Ein Überblick.

Norderstedt: Laut Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder hätten viele Norderstedterinnen und Norderstedter den festen Willen bekundet, den Menschen aus dem Kriegsgebiet zu helfen. Es gebe bereits mehrere Initiativen aus Norderstedt, Geld- und Sachspenden zu sammeln. Um die Hilfe und Hilfsangebote aus Norderstedt zu koordinieren, bittet die Stadtverwaltung darum, dass sich alle Anbieterinnen und Anbieter von Hilfen unter der E-Mail ukraine-hilfe@norderstedt.de melden.

Henstedt-Ulzburg: In den letzten Tagen hat sich ein Norddeutsch-Ukrainischer Hilfsstab gebildet (hilfe-ua.de). Mitinitiiert wurde dieser von dem Henstedt-Ulzburger André Pilling (wir berichteten). Auch das ukrainische Generalkonsulat engagiert sich in dem Hilfsstab. Pilling steht in Kontakt mit der Gemeinde Henstedt-Ulzburg, auch hier soll kurzfristig ein Sammelpunkt für Sachspenden entstehen. Hier werden noch Personen gesucht, die neben Deutsch und Englisch auch Russisch sprechen, um die telefonische Koordination zu unterstützen (Kontakt André Pilling: 0176/23782291; a.pilling@hilfe-ua.de).

Am Donnerstag (3. März) wird in der Gemeinde zudem ab 19 Uhr vor dem Rathaus eine Mahnwache gegen den Krieg in der Ukraine stattfinden. Den Aufruf haben Waldemar Bianga, Vorsitzender des Freundeskreises Wierzchowo, Bürgermeisterin Ulrike Schmidt, Bürgervorsteher Waldemar Bianga, sämtliche Parteien und Wählergemeinschaften des Ortes sowie das Bündnis für Demokratie und Vielfalt unterzeichnet. „Wir freuen uns, wenn sich möglichst viele unserem Aufruf anschließen und mit Plakaten und Fahnen ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk zum Ausdruck bringen“, sagt Bianga.

Bad Bramstedt: Die Stadt ruft zu Geld- und Sachspenden auf. Damit sollen die Helfer in der polnischen Partnerstadt Drawsko Pomorskie unterstützt werden, die Flüchtlinge aus der Ukraine betreuen. Am Sonnabend wird eine Bramstedter Delegation nach Drawsko Pomorskie fahren, um sicher zu stellen, dass die Spenden an zuständiger Stelle ankommen. Der Transport wird von Bürgermeisterin Verena Jeske, der Feuerwehr und der Beauftragten für die polnische Städtepartnerschaft, Agata Schuster, begleitet.

Von Mittwoch bis Freitag ist eine Annahme-Stelle in der Schäferberg-Halle Nord eingerichtet. In der Zeit von 16 bis 19 Uhr werden dort diese Spenden entgegen genommen: Batterien, Ladegeräte für Telefone, Powerbanks, Taschenlampen, Warme Decken, Verbandsmaterial, Schmerzmittel und Medikamente, Hygieneartikel aller Art, haltbare Lebensmittel, Getränke in Plastikflaschen, Tierfutter. Derzeit wird keine Kleidung außer Socken und Handschuhe angenommen.

Für Geldspenden hat die Stadt Bad Bramstedt ein Konto eingerichtet: Unter der IBAN-Nummer DE80 2305 1030 0000 1005 01 zum Stichwort „Drawsko – Ukraine“ kann für die Unterstützung der Flüchtlinge gespendet werden. (Infos unter 04192/ 50 68 48 oder spendenaktion@bad-bramstedt.de).

Bad Segeberg: Die jüdische Gemeinde Bad Segeberg ist bereits aktiv geworden. „Mehrere Gemeindemitglieder sind unterwegs zur polnisch-ukrainischen Grenze und bringen Menschen von dort nach Deutschland“, sagt der Vorsitzende Walter Blender. Ein Gemeindemitglied sei derzeit mit einem Kleinbus unterwegs. Ein anderes Gemeindemitglied, der als Busfahrer bei einem Segeberger Unternehmen arbeite, sei mit einem Bus dieser Firma unterwegs zur Grenze. „Das Busunternehmen war sehr entgegenkommend und finanziert eine Fahrt“, sagt Blender. Auf der Hinfahrt werde Kleidung mitgenommen, als Spende.

Vor Ort in Bad Segeberg kümmern sich Freiwillige der jüdischen Gemeinde um Unterkünfte und vieles mehr, es würden auch Spenden gesammelt, darunter Spielzeug für die Kinder, die in Bad Segeberg ankommen werden.