Norderstedt. 280 Schulabgänger besuchten 29 Unternehmen in der Stadt. Welche Jobs die Jugendlichen dabei entdecken konnten.

280 Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen in Norderstedt gingen am Donnerstag auf Jobtour in Norderstedt. Die städtischen Entwicklungsgesellschaft (EGNO) bringt auf der Tour seit Jahren den Nachwuchs aus der Stadt mit Unternehmen zusammen.

Die jungen Leute konnten sich dieses Jahr unter 29 Unternehmen jeweils zwei für einen Besuch auswählen. 45 Ausbildungsberufe wurden in den Firmen vorgestellt, sagt EGNO-Projektleiterin Anja Neumüller. „Statt Party, Event und Happening steht dabei für uns die reine Berufsorientierung für die jungen Menschen im Vordergrund.“ Früher hieß die Jobtour nämlich „Nachtschwärmer-Tour“, war abends und bot mehr Show.

Ausbildung: Jobtour Norderstedt – Torten backen oder Outfits designen?

Die Jobtour ist tagsüber und viel nüchterner. „Die Schulen machen da gerne mit und geben ihren Schülerinnen und Schülern dafür frei“, sagt Neumüller. Für die Betriebe und Teilnehmer lohne sich die Jobtour allemal. „Im vorigen Jahr konnten wir so zehn Ausbildungsverträge und 50 Praktika an die teilnehmenden Firmen vermitteln.“

Anfangs seien es vor allem die großen namhaften Betriebe in der Stadt gewesen, die mitmachten und meist Abiturienten für ihren betrieblichen Nachwuchs suchten. Doch inzwischen würden sich immer mehr Ausbildungsbetriebe aus dem Handwerk beteiligen, bei denen der Fachkräftemangel immer größer werde.

„Jetzt entscheiden, was man ein Leben lang tun will – nicht einfach!“

EGNO-Projektleiterin Anja Neumüller: „Voriges Jahr haben wir mit dem Jobtour-Tag zehn Ausbildungsverträge und 50 Praktika vermittelt.“
EGNO-Projektleiterin Anja Neumüller: „Voriges Jahr haben wir mit dem Jobtour-Tag zehn Ausbildungsverträge und 50 Praktika vermittelt.“ © Burkhard Fuchs

Und so besuchte etwa ein Dutzend überwiegend junger Mädchen die Backstube von Thomas Nitt. Der Bäckermeister betreibt in zweiter Generation neun Filialen in Norderstedt, Hamburg und Henstedt-Ulzburg und beschäftigt inzwischen 130 Leute, von denen etwa 100 weiblich seien.

Er zeigte volles Verständnis für die schwierige Phase der Berufsfindung, in der die jungen Leute steckten. „Es ist nicht einfach, jetzt zu entscheiden, was man das ganze Leben lang tun möchte“, sagte Nitt und riet ihnen: „Die Arbeit muss Spaß bringen. Man muss dafür leben und Leidenschaft aufbringen. Dann ist sie auch nicht anstrengend.“ Dann sei es auch egal, ob sie wie bei ihm zum Teil nachts oder spätabends in der Backstube anfangen müssten zu arbeiten.

Der Bäcker: Handwerk hat den sprichwörtlich goldenen Boden

Aber mit der neuen Kühltechnik könnte der Teig auch länger haltbar gemacht und so Anfangszeiten verschoben werden, erklärte Nitt. Zudem überlege er, wegen der enorm gestiegen Weizenpreise bald selber sein Getreide anzubauen. Für ihn steht fest: „Handwerk hat goldenen Boden.“

In wenigen Jahren würde sich das Verhältnis umdrehen und ein Ausbildungsberuf besser bezahlt werden als der eines Akademikers, ist er überzeugt. „Das Handwerk ist die Zukunft. Da habt ihr tolle Perspektiven“, riet Nitt den Schülerinnen. „Aber euer Herz muss dafür brennen.“

„Torten backen macht unheimlich viel Spaß“

Inka Nischik von der Gemeinschaftsschule Harksheide fand diesen Einblick in das Bäcker- und Konditor-Handwerk recht interessant. Sie möchte eigentlich beruflich etwas mit Zeichnen machen, sagte sie. „Aber ich möchte hier Erfahrungen sammeln für einen möglichen Plan B in meiner späteren Berufswahl“, sagte die 15-Jährige.

Ihrer Mitschülerin Lisa Rode geht es ähnlich. Sie sagte: „Ich möchte eigentlich Logopädin werden.“ Aber durch eine Projektarbeit in der Schule, bei der es um Torten gegangen sei, habe sie plötzlich ihr Interesse für den Konditorberuf entdeckt. „Torten backen macht unheimlich viel Spaß“, findet Lisa.

Metallbaubetrieb: „Zeugnisse interessieren mich nicht“

Die Auszubildenden Florian Stumpe (l.) und Marc Rempelbauer mit Chefin Jennifer Jacobsen loben die Ausbildung und das gute Betriebsklima bei dem Glas- und Metallbau-Unternehmen Kahrmann.
Die Auszubildenden Florian Stumpe (l.) und Marc Rempelbauer mit Chefin Jennifer Jacobsen loben die Ausbildung und das gute Betriebsklima bei dem Glas- und Metallbau-Unternehmen Kahrmann. © Burkhard Fuchs

Beim Norderstedter Glas- und Metallbaubetrieb Kahrmann im Gewerbegebiet am Stadtrand zu Hamburg werden dagegen Fenster, Türen, Treppen, Geländer und Glasdächer für große Unternehmen und Privatleute im Sonderbau gefertigt, erklärt Geschäftsführerin Jennifer Jacobsen. „Zeugnisse interessieren mich nicht. Die jungen Leute müssen nur Lust darauf haben, kreativ sein und handwerklich arbeiten können“, sagt sie. „Wir coachen sie dann schon so, wie wir sie haben wollen.“

Wobei nicht nur das Berufliche im Vordergrund stünde. „Wir helfen unseren Auszubildenden auch dabei, eine Wohnung zu suchen oder Online-Banking zu machen.“ Bei der Arbeit erhielten sie schon sehr früh freie Hand zum selbstständigen Arbeiten, auch wenn es mal schief gehe, erklärt die Handwerkschefin. „Wir holen sie gleich ins Team und lassen sie an den Projekten mitplanen.“ Neun von 30 Mitarbeitenden seien Auszubildende.

Anpacken zu können, ist schon sehr wichtig

Das können die Auszubildenden Florian Stumpe und Marc Rempelbauer nur bestätigen, die seit drei und zwei Jahren Metallbau mit der Fachrichtung Konstruktionstechnik bei Kahrmann lernen. „Es macht echt Spaß und hier herrscht eine gute Stimmung“, lobt Stumpe seinen Ausbildungsbetrieb, der ihn nach der Lehre übernehme und in dem auch die Chefin geduzt werden kann. „Wer hier lernt, sollte allerdings etwas handwerkliches Geschick mitbringen und anpacken können“, riet Ausbildungs-Kollege Rempelbauer den Schülern bei der Betriebsbesichtigung.

Ein paar Steinwürfe weiter beim Sportbekleidungs-Hersteller Kappa war der Besucherschar wieder überwiegend weiblich. Marie Goldschmidt vom Coppernicus-Gymnasium interessiert sich sehr für Mode und schöne Klamotten, wie sie sagte. Und so ließ Ausbilderin Merle Blohm den Schülerinnen auf der Jobtour von ihren Ausbildenden erklären, was sie hier machten und wie sie schicke Outfits entwerfen könnten.

Ausbildung Norderstedt: „Es geht auch um gegenseitige Sympathie“

Die Teilnehmerinnen vom Norderstedter Jobtour-Tag konnten beim Bekleidungshersteller Kappa unter Anleitung der dortigen Auszubildenden gleich selbstständig modische Outfits und Fotoshootings entwerfen.
Die Teilnehmerinnen vom Norderstedter Jobtour-Tag konnten beim Bekleidungshersteller Kappa unter Anleitung der dortigen Auszubildenden gleich selbstständig modische Outfits und Fotoshootings entwerfen. © Burkhard Fuchs

Der Norderstedter Betrieb entwerfe, entwickle, lagere und vertreibe mit 60 Beschäftigten die Textilien und Schuhe, die in Asien gefertigt würden. „Die Ausbildung hier ist gut und abwechslungsreich“, warb Julia Ockasov aus dem dritten Lehrjahr als angehende Kauffrau für Groß-und Außenhandels-Management für ihren Ausbildungsbetrieb. „Wir erhalten hier einen guten Überblick über alle Schritte und Techniken eines modernen Bekleidungsunternehmens“, ergänzte Annika Jacobi aus dem zweiten Lehrjahr.

Für Ausbilderin Merle Bohm seien Abschluss und gute Noten bei den Bewerberinnen eher nebensächlich. „Die Chemie muss stimmen. Es geht viel um gegenseitige Sympathie.“ Die jungen Menschen sollten Interesse an der Ausbildung und dem Unternehmen mitbringen und ein Gefühl dafür haben, wie sich ein modisches Outfit kreieren und mit der richtigen Location und dem Fotoshooting gut in Szene setzen ließe.