Bad Segeberg. Mehr als 1000 Mal spielte er Winnetou in der Kalkbergarena. Über die aktuelle Debatte zeigt sich der 82-Jährige entgeistert.
Die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg sind mit einem nie dagewesenen Publikumserfolg in der vergangenen Woche zu Ende gegangen. 406.925 Fans des Wild-West-Spektakels am Kalkberg schauten sich die Inszenierung „Der Ölprinz“ an.
Und während die Kulissen in der Kalkbergarena abgebaut werden, ebbt auch langsam die im Sommer zum Teil heiß geführte Diskussion über die Bücher von Karl May ab, ihren Inhalt und die Frage, ob es kulturelle Aneignung ist, wenn weiße Männer „Indianer“ spielen.
Karl-May-Spiele: Rassismusvorwurf – Winnetou Gojko Mitić spricht Machtwort
Befeuert wurde die Diskussion durch den Ravensburger Verlag, der die „Winnetou“-Bücher zum gleichnamigen Film aus ebendiesen Gründen aus dem Programm nahm und sich dafür heftige Kritik anhören musste.
Die Diskussion erreichte schließlich auch die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg ab, die sich kritische Kommentare über kulturelle Aneignung im Netz anhören musste. Und die ebenso heißblütig von ihren Fans gegen jeden Zweifel verteidigt wurden.
Gojko Mitić: „Manche Leute haben nichts zu tun“
Nun spricht einer ein Schlusswort in der Debatte, der berufener nicht sein könnte. Er war der „Chefindianer“ der Deutschen Film Ag (DEFA) in der DDR und der „Winnetou des Ostens“. Bei den Karl-May-Spielen hat er sich in der Hauptrolle des Apachen-Häuptlings selbst ein Denkmal gesetzt. Mehr als 1000 Mal stand er als Winnetou im Sand der Kalkbergarena – Gojko Mitić.
Der Mann ist mittlerweile 82 Jahre alt – aber kein bisschen leise. Bei einer Gesprächsrunde der „Märkischen Oderzeitung“ in Frankfurt (Oder) erzählte er über sein Leben – und äußert sich schließlich auch zur Debatte um Rassismusvorwürfe gegen Karl May.
Schon als Kind sei er begeistert gewesen von den Karl-May-Büchern. Die Geschichten seien für ihn getragen gewesen von einem humanitären Gedanken und hätten Völkerfreundschaft aufgewertet, sagte Mitić, der zusammen mit Linken-Politiker Gregor Gysi, Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und Sänger Heinz Rudolf Kunze in der Runde saß.
„Chefindianer“ der Defa und Winnetou des Ostens
Mitić zeigte sich über die aktuelle Debatte entgeistert. „Würde es Indianern besser gehen, wenn wir sie indigene Bevölkerung nennen? Werden sie ihre Länder zurückbekommen?“, fragte er ins Publikum und ergänzte: „Ich habe das Gefühl, manche Leute haben nichts zu tun“.
Nicht mehr und nicht weniger wollte er zu diesem Thema sagen. Ganz im Gegenteil dazu, was er über seine Karriere und sein Leben zu erzählen hatte. Das würden sicher einen weiteren Karl-May-Band füllen. Als Defa-„Chefindianer“ begann er 1965. In „Die Söhne der großen Bärin“ schlüpfte Mitić in die Rolle des Indianers Tokei-ihto. Mehr als 9 Millionen Besucher strömten in die Kinos, es wurde einer der kommerziell erfolgreichsten Filme der DDR-Kinogeschichte.
Als Sportstudent spielte er in den Winnetou-Filmen als Stuntman mit
Bevor er in der DDR ein Star wurde, hatte Mitić in Belgrad Sport studiert und dort auch eine Schauspielausbildung absolviert. In Jugoslawien wurden damals viele Filme gedreht – auch die Indianer-Abenteuer von Karl-May. Und die Regisseure verpflichteten als Stuntmen gerne Sportstudenten – für ein Taschengeld, wie sich der 82-Jährige erinnerte.
Die Karriere von Mitić als Indianer-Darsteller begann in den 1960er Jahren im Westen Deutschlands. In „Winnetou 2“ (1964) war er neben Pierre Brice auf der Kino-Leinwand zu sehen. Die DDR-Filmgesellschaft Defa bot ihm kurz darauf die erste Hauptrolle an. Deutsch hatte Mitić schon in der Schule gelernt.
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Karl-May-Spiele: 1992 trat er in die Fußstapfen von Pierre Brice
1992 schließlich bekam er die Rolle als Winnetou bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg angeboten und trat dort in die Fußstapfen von Pierre Brice. Mehr als 1000 Mal stand er damit auf dieser Bühne. 2006 war für ihn in Bad Segeberg Schluss.
In „Winnetou III“ erlebten die Zuschauer am Ende des Stücks wie Gojko „Winnetou“ Mitić in den Armen seines Blutsbruders Old Shatterhand starb. Da war er 65 Jahre alt, hatte 15 Spielzeiten als edler Apachenhäuptling hinter sich gebracht und 3,4 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer unterhalten und mitunter zum Weinen gebracht. Legendenstatus!
Derzeit ist Mitić nicht mehr im Wilden Westen unterwegs – aber immer noch als Schauspieler. In der Rolle des Herbergsvater Fred in „Alfons Zitterbacke - Endlich Klassenfahrt“ – die vierte Verfilmung der Kinderbuchreihe von Gerhard Holtz-Baumert.