Norderstedt. Heizen wie früher bei Oma: Verunsicherte Bürger kaufen jede Menge Kohlebriketts. Doch die werden knapp – das sind die Gründe.

Geht uns im Winter das Gas aus? Angesichts des Krieges in der Ukraine und einem russischen Aggressor, der die Gaszufuhr nach Europa als politisches Druckmittel einsetzt, haben offenbar viele Menschen in Norderstedt und Umgebung genau diese Befürchtung. Um in der dunken Jahreszeit nicht frieren zu müssen, setzen viele auf eine sehr klassische Alternative, nämlich auf Kohleöfen. Die Braunkohle-Briketts zu deren Befeuerung sind gerade extrem gefragt, heißt es aus Verkaufsstellen in der Region. Das Problem: Die Lieferanten kommen nicht hinterher. Kohle wird, mitten im Hochsommer, zur Mangelware.

Norderstedt: Angst vor Gasengpass: Kohle wird im Sommer zur Mangelware

Zu den wenigen Orten, an denen heutzutage Kohlebriketts für Öfen gekauft werden können, zählen Baumärkte. „Wir führen die Briketts normalerweise, und im Moment könnte ich sie anhängerweise verkaufen. Die Leute sind alle nervös wegen des Winters“, sagt Kurt Wegner, Leiter des Obi-Marktes in Norderstedt.

Doch er muss die Kunden vertrösten: „Die Briketts sind schon seit Wochen ausverkauft. Und die Lieferanten können mir keine Termine nennen.“ Ganz ähnlich sieht es bei „Werkers Welt“ in Norderstedt aus: „So viele Anfragen nach Kohlebriketts hatten wir noch nie im Hochsommer. Das ist wirklich heftig“, sagt Marktleiter Dennis Krohn. Doch auch bei Werkers Welt sind die Briketts schon seit Wochen ausverkauft, Restbestände aus dem vergangenen Jahr wurden schon aufgebraucht.

Auch im Raiffeisenmarkt Oeringer Mühle, gelegen bei Itzstedt, sind Kohlebriketts seit Wochen ausverkauft, berichtet Jessica Diekmann, Angestellte in dem Markt. Und auch im Hagebaumarkt Bad Segeberg können sich Ofenbesitzer nicht mehr versorgen: „Die Nachfrage ist sehr groß. Aber die Briketts sind bei uns seit zwei Monaten ausverkauft. Wir warten sehnsüchtig auf neue“, sagt Marktmitarbeiter Torsten Bartheidel.

Kohlebriketts Norderstedt: Preise für die Bündel sind stark gestiegen

Dennis Krohn, Leiter des
Dennis Krohn, Leiter des "Werkers Welt"-Marktes in Norderstedt © FMG | Claas Greite

Die Preise für die Briketts sind indes längst stark gestiegen: „Vor einem Jahr kostete ein 25-Kilo-Bündel Braunkohle 5,59 Euro. Jetzt sind es 9,99 Euro“, sagt Kurt Wegner. Doch er ist sich sicher, dass er auch zu diesem Preis viele der Bündel loswerden würde. Nur: Sie sind eben derzeit nicht lieferbar.

Warum hakt es derzeit so sehr, wo Lieferanten und Märkte doch sehr viel Geld verdienen könnten? Kurt Wegner hat Erklärungen für den Engpass: „Die Lieferschwierigkeiten liegen an der unwahrscheinlich hohen Nachfrage zu dieser ungewöhnlichen Jahreszeit.“

Normalerweise würden die Lieferungen über das ganze Jahr hinweg zum Herbst hin disponiert. Nun komme die Nachfrage nach dieser „Winterware“ sehr plötzlich auf einen Schlag. Und es gebe einen weiteren Grund: „Es gibt in Deutschland einfach nicht genügend Lkw-Fahrer, das merkt man auch an dieser Stelle.“

Norderstedt: Auch Kaminholz wird zur Mangelware

Bleibt das Ausweichen auf andere Brennstoffe, zum Beispiel auf Kaminholz. Doch auch hier gibt es schon Engpässe: „Brennholz können wir im Moment gar nicht bekommen“, sagt Torsten Bartheidel vom Hagebau-Markt Bad Segeberg. Genauso sieht es bei Obi in Norderstedt aus: „Holz habe ich seit Wochen nicht mehr. Und keiner kann mir sagen, wann die Ware kommt“, sagt Kurt Wegner. Immerhin kann er seinen Kunden derzeit Holzspäne-Briketts anbieten.

Die Kunden versuchen offenbar, sich auf fast jede erdenkliche Art auf einen kalten Winter vorzubereiten – und so wird bei Obi Norderstedt jetzt eine sehr große Nachfrage nach Heizlüftern und Ölradiatoren verzeichnet. Bei Hagebau in Bad Segeberg werden verstärkt Propangasflaschen nachgefragt, mit denen ebenfalls bestimmte Heizgeräte betrieben werden können.

„Da heißt es manchmal, gib mir bitte zehn Gasflaschen“, sagt Torsten Barteidel. Aber diesen Bitten könne der Markt nicht nachkommen: „Wir mussten die Flaschen rationieren, können nur zwei bis drei Pro Kunde abgeben.“ Der Grund: Auch Propangasflaschen sind nur noch eingeschränkt lieferbar.

Naturschutzbund kritisiert das Heizen mit Kohle und Holz

Einen einfachen Weg, um im Winter keine kalten Füße zu bekommen, scheint es derzeit nicht zu geben. Den Rückgriff auf die alten Kohleöfen hält Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des NABU Schleswig-Holstein, ohnehin für den falschen Weg. „Wir lehnen eine Verfeuerung von Kohle ab. Das ist keine Lösung“,sagt der Naturschützer. Die Kohleöfen hätten eine sehr schlechte CO2-Bilanz, deutlich schlechter noch als die moderner Öl- oder Gasheizungen.

Zudem gebe es auch Gesundheitsaspekte: „Es gibt Kinder, die sehr stark auf den Braunkohle-Feinstaub reagieren.“ Den Braunkohle-Geruch, der in der ehemaligen DDR in der Luft lag, hätten viele nicht ohne Grund in schlechter Erinnerung.

Norderstedt: „Lieber das Haus renovieren und warme Pullis tragen“

Wer sich gegen einen kalten Winter wappnen wolle, solle lieber auf energetische Sanierung setzen. „Es ist am besten, das Haus oder die Wohnung kräftig zu isolieren. Da ist das Geld wesentlich besser angelegt.“ Außerdem könnten viele Haushalte viel Energie sparen, indem sie einfach die Thermostate herunterregeln: „Es müssen nicht immer 23, 24 Grad Raumtemperatur ein. Auch bei 18, 19 Grad ist es sehr gut erträglich.“ Und nicht zuletzt gebe es warme Pullover und gefütterte Hausschuhe, als kostengünstige Alternative zu allen Heizsystemen.