Kreis Segeberg. Zahl der Corona-Fälle steigt rasant. Auch Krankenhauspersonal erkrankt. Asklepios Kliniken kritisieren Politik scharf.

Wegen der leicht übertragbaren Varianten BA.4 und BA.5 breitet sich das Coronavirus aktuell rasant aus im Norden. Als derzeit einziges Bundesland hat Schleswig-Holstein bei der Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Neuinfektionen wieder den Wert 1000 überschritten.

Nach Angaben der Landesmeldestelle lag die Zahl der registrierten Neuinfektionen zuletzt bei 1032,8. Im Frühjahr hatte sie länger über 1000 gelegen, seit dem 29. April dann immer darunter.

Schleswig-Holstein: Inzidenz über 1000 – Lage in Kliniken „sehr angespannt“

Auch Krankenhäuser nehmen wieder verstärkt Corona-Patienten auf. In Schleswig-Holstein wurden den Angaben zufolge 411 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus behandelt. Vor einer Woche waren es 329. Auf einer Intensivstation lagen 29 Corona-Patienten – nach 20 am Mittwoch zuvor.

Laut Kreisverwaltung werden aktuell 20 Segebergerinnen und Segeberger stationär behandelt, niemand intensivmedizinisch. In den vergangenen Wochen war der Wert meist einstellig.

Corona: Asklepios kritisiert Politik – „nicht hinnehmbar“

Die Situation in den Kliniken sei landesweit „sehr angespannt“, betonte Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) am Donnerstag. Das liege auch am generell hohen Krankenstand, von dem auch die Mitarbeitenden der Krankenhäuser betroffen seien.

Nach Angaben der schleswig-holsteinischen Krankenhausgesellschaft treffe auf die gestiegene Zahl von Patienten in den Notaufnahmen und auf den Stationen die hohe Zahl erkrankter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einzelne Kliniken müssten Stationen und Abteilungen schließen und Personal umorganisieren. Planbare Operationen müssten verschoben werden. „Wir kommen an Grenzen des medizinisch Machbaren“, sagte Carmen Brinkmann von der Krankenhausgesellschaft.

„Corona-Hotspots“ befinden sich im Kieler Umfeld

„Corona-Hotspots“ befinden sich derzeit vor allem im Kieler Umfeld. Aber auch in den Krankenhäusern, die den Kreis Segeberg versorgen, spitzt sich die Lage zu. In den Hamburger Asklepios Kliniken haben sich die Zahlen der positiv auf das Coronavirus getesteten Patientinnen und Patienten in den vergangenen beiden Wochen deutlich nach oben entwickelt: Auf den Intensivstationen von 6 auf 11 Patienten, die Allgemeinstationen verzeichnen ein Plus von fast 70 Prozent – auf knapp 150.

In der Asklepios Klinik Nord – Heidberg an der Tangstedter Landstraße werden aktuell 34 Corona-Patienten behandelt.
In der Asklepios Klinik Nord – Heidberg an der Tangstedter Landstraße werden aktuell 34 Corona-Patienten behandelt. © Andreas Laible | Andreas Laible

„Wobei die meisten mit und nicht wegen Corona in die Klinik kommen“, so Sprecherin Angela Obermaier. In der Asklepios Klinik Nord Heidberg, die Anlaufstelle für viele Norderstedter ist, werden derzeit 34 Corona-Patienten behandelt.

Asklepios Kliniken: „Personalausfälle sind spürbar“

Mitarbeitende infizieren sich laut Obermaier wegen eines nach wie vor strengen Hygienekonzepts in der Regel nicht in der Klinik. „Dennoch haben auch wir Personalausfälle aufgrund von diversen Erkrankungen zu verzeichnen, die spürbar sind.“ Der Betrieb insgesamt bleibe jedoch gewährleistet und natürlich auch die Versorgung von Notfällen. 

Der Asklepios-Konzern kritisiert, dass trotz der steigenden Inzidenzen und Fallzahlen die Bund- und Länder-Coronahilfen für die Kliniken zum 30. Juni auslaufen. Bisher haben die Krankenhäuser einen Versorgungsaufschlag für Corona-Patienten erhalten. „Die Pandemie politisch für beendet zu erklären ist aus Sicht der Mitarbeiter:innen in den Kliniken und der Krankenhäuser nicht hinnehmbar“, betonte Unternehmenssprecherin Angela Obermaier.

Mitarbeitende in Kliniken infizieren sich zum zweiten Mal

Weniger angespannt stellt sich die Lage offenbar in der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg dar. Zwar sei die Zahl der Mitarbeiter, die coronabedingt ausfallen, in den letzten Wochen leicht gestiegen. „Derzeit besteht aber keine Sorge, dass der Krankenhausbetrieb eingestellt werden muss“, sagte Sprecherin Maren Maak. Operationen müssten derzeit nicht verschoben werden. Sollte noch mehr Personal ausfallen, müssten in Einzelfällen Kapazitäten und OP-Termine angepasst werden, so Maak weiter. Eine wachsende Zahl von Corona-Patienten registriert auch die Paracelsus-Klinik.

Die Schön Klinik in Bad Bramstedt, die größte psychosomatische Fachklinik für Akutbehandlung sowie stationäre Reha in Deutschland, hat vermehrt mit coronabedingten Personalausfällen zu kämpfen. „Zumal sich Mitarbeitende nun zum Teil auch schon zum wiederholten Mal mit Covid-19 infizieren“, berichtete Unternehmenssprecherin Astrid Reining auf Anfrage des Abendblattes.

Nächste Corona-Welle in Schleswig-Holstein angekommen

„Derzeit haben wir die Lage bei uns insgesamt aber gut im Griff, Einschränkungen in unserem Leistungsangebot gibt es nicht.“ Die Hygienemaßnahmen würden laufend angepasst an das sich verändernde Infektionsgeschehen. „Wir fühlen uns gut aufgestellt für eine nächste Welle", so Reining.

Laut Carsten Hilbert vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ist die nächste Welle schon längst da. „Die für den Herbst und Winter befürchtete Corona-Welle ist in Schleswig-Holstein schon angekommen“, sagte er.

Gesundheitsministerin appelliert: „Übernehmen Sie Verantwortung“

Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken bittet Infizierte darum, zu Hause zu bleiben, um die Weitergabe der Infektion zu bremsen. „Übernehmen Sie Verantwortung und schützen Sie so auch die, die schwere Krankheitsverläufe haben könnten.“ Von der Decken appellierte, bei einer Corona-Erkrankung auch nach der fünftägigen verpflichtenden Isolation zu Hause zu bleiben, wenn ein Selbsttest weiterhin positiv ist oder wenn weiter Symptome vorliegen.