Norderstedt. Karina Jungsthöfel ist die neue Leiterin des Norderstedter Jugendamtes. Sie sieht große Herausforderungen auf die Stadt zukommen.
Beratung von getrennt lebenden Eltern, Schulsozialarbeit, Jugendgerichtshilfe – und auch, in seltenen Fällen, Inobhutnahmen bei Kindswohlgefährdung: Aufgaben wie diese gehören in die Zuständigkeit des Norderstedter Jugendamtes. Seit dem 1. Juni hat die wichtige Behörde, die knapp 100 Mitarbeiter hat, eine neue Chefin. Sie heißt Karina Jungsthöfel, ist 47 Jahre alt, verheiratet und Mutter einer Tochter.
Die Sozialpädagogin und Systemische Organisationsberaterin, die in Hamburg-Ohlsdorf lebt, hatte zuletzt bei der Hamburger Kinder- und Jugendhilfe, einem freien Träger, gearbeitet. Im Bewerbungsverfahren hatte sie sich gegen elf Konkurrenten durchgesetzt. Die Stelle musste neu besetzt werden, weil die frühere Leiterin des Jugendamtes Ulrike Bülter in ihre Heimatstadt Bielefeld zurück gegangen war, wo sie seit April das Jugendamt leitet.
Jugendamt Norderstedt: Oberstes Thema Fachkräftemangel
Wo die neue Amtsleiterin ihre wichtigsten Aufgaben, die größten Herausforderungen sieht? „Das oberste Thema ist der Fachkräftemangel“, sagt Jungsthöfel. Der sei in der ganzen Branche ein großes Problem, vor allem Sozialpädagogen würden gesucht. Auch im Jugendamt könnten einige Stellen noch nicht besetzt werden, aber das halte sich „noch in Grenzen“. Aber indirekt sei das Jugendamt doch betroffen. Denn kürzlich hat sich der freie Träger „B + S Soziale Dienste“, der unter anderem Straßensozialarbeit macht, aus Norderstedt zurückgezogen. „Ein Hauptargument war auch dort der Fachkräftemangel. Jetzt müssen wir für 27 Kinder, die von dem Träger versorgt wurden, neue Lösungen finden.“
Norderstedt: 2021 gab es in der Stadt 45 Inobhutnahmen
Damit der Fachkräftemangel nicht stärker auf das Jugendamt selbst durchschlägt, möchte die neue Chefin für ein gutes Arbeitsklima sorgen, „die Teams und die Menschen stärken, die für uns arbeiten.“ Das gelte besonders für Mitarbeitende, die oft mit belastenden Situationen konfrontiert seien. Zu denen gehören etwa die Inobhutnahmen bei Kindswohlgefährdung. Von diesen Fällen gab es im vergangenen Jahr 45, bei 188 gemeldeten Kindswohlgefährdungen. „Das ist zum Glück nur ein kleiner Bereich unserer Arbeit“, betont sie. Betroffene Kinder werden bei freien Trägern untergebracht, etwa im SOS-Kinderdorf Harksheide.
Jungsthöfel wirbt darum, dass sich mehr freie Träger in Norderstedt engagieren, „wir suchen Träger der freien Jugendhilfe.“ Außerdem möchte sie die Angebote des Jugendamtes noch barrierefreier, bürgernäher machen. „Die Hilfen vor Ort müssen einfacher und zugänglicher werden. Das Amt darf nicht fern wirken, es muss vor Ort sein, wo die Menschen sind.“ Sie bezieht sich besonders auf Hilfs- und Beratungsangeboten in den Stadtteilen. „Wenn zum Beispiel die Ehefrau erkrankt ist und der Vater viel arbeitet, muss der wissen, was er jetzt tun kann. damit die Versorgung und Betreuung des Kindes gesichert ist.“ Mobile Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit, wie die „Spielmobile“, weisen für Jungsthöfel in die richtige Richtung.
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Jugendamt Norderstedt: „Gefahr steigt, dass Eltern zu Suchtmitteln greifen“
Dass viele Geflüchtete aus der Ukraine in Norderstedt untergekommen sind, habe bisher nicht in besonderer Weise beim Jugendamt bemerkbar gemacht. „Es gibt momentan nicht viele Kinder aus der Ukraine, die wir betreuen müssen“, sagt Jungsthöfel. Dennoch dürfte auf das Jugendamt in nächster Zeit einiges an Aufgaben zukommen. Denn „die Folgen der Pandemie sind noch gar nicht sichtbar“, sagt Jungsthöfel. Das werde sich aber ändern, „da bin ich mir sicher.“
Sie rechnet mit einer weiteren Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, während es in dem Bereich viel zu wenig Betreuungsplätze gebe. Und jetzt komme noch die hohe Inflation oben drauf: „Im Geldbeutel wird es bei vielen knapp. Da steigt die Gefahr, dass manche Eltern zu Suchtmitteln greifen und Jugendliche mit der Situation dann überfordert sind.“
Jugendamt Norderstedt: Die neue Chefin kennt die Behörde bestens
Kein Mangel an Arbeit für das Jugendamt, also. Doch dessen neue Chefin ist immerhin gut auf den Job vorbereitet - die Behörde kennt sie bestens. Schon seit 2002 war sie in Norderstedt tätig, bei der damaligen Außenstelle des Kreisjugendamtes und später im städtischen Jugendamt. Im Jugendamt arbeitete sie insgesamt 13 Jahre.
Zwischenzeitlich leitete sie vier Jahre lang die Norderstedter Kita „Tannenhof“ in Garstedt. In dem Bereich war sie auch früher schon einmal tätig gewesen. Jungsthöfel, die „in Emsland, auf dem Dorf“ aufgewachsen ist, hatte nämlich zunächst den Job der Erzieherin gelernt und in Bremen gearbeitet, bevor sie sich zu einem Studium in Hannover entschloss. Nun ist sie froh, wieder an der alten Wirkungsstätte zu arbeiten: „Ich bin gut empfangen worden und angekommen, das freut mich sehr.“