Kreis Segeberg. 115 schwerst- und geistig mehrfach behinderte Schüler sind von dem A20-Bau betroffen. Das sorgt für Kritik.
In zehn Jahren soll endlich der Verkehr auf der A20 von Mecklenburg quer durch Schleswig-Holstein unter der Elbe bei Glückstadt nach Niedersachsen fließen können. Da ist sich Ulf Evert sicher, der Sprecher der Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH), die die A20 jetzt plant. „Wir sind davon überzeugt, dass die sechs noch fehlenden Bauabschnitte bis 2030/31 in Betrieb gehen können einschließlich der Elbquerung.“
Darum werde die Deges jetzt aufs Tempo drücken, da für alle sechs Abschnitte noch keine Baureife vorliege und die Planung nun zügig voranschreiten soll.
A20: Wurden zu wenige Alternativtrassen geprüft?
Welche Auswirkung das im Detail für Mensch und Natur haben wird, stellten die Deges-Planer jetzt im Segeberger Kreishaus am Beispiel des Trave-Tals in der Kreisstadt dar. So hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für diesen Abschnitt 3 bemängelt, dass nicht ausreichend Alternativtrassen für die Querung der Trave südwestlich von Bad Segeberg geprüft worden seien, um die von der EU als anerkanntes FFH-Gebiet zu schützenden Au- und Hangwälder nicht zu sehr zu beeinträchtigen.
Daraufhin hat die Deges nun eine neue Trassenführung als Umfahrung vorgesehen, die nun etwas nördlicher verläuft. Das führt dazu, dass jetzt zwar die Hangwälder geschützt bleiben. Dafür müssen nun allerdings die 115 schwerst- und geistig mehrfach behinderten Schülerinnen und Schüler der Trave-Förderschule mit erheblichem Verkehrslärm rechnen.
Sie wolle daraus nicht den Konflikt aufmachen, was bei diesem Autobahnbau als schützenswerter zu gelten habe, bat Schulleiterin Mingo Sommer die A-20-Planer um Verständnis. „Aber ich bitte doch zu bedenken, dass Sie es hier mit ganz besonderen Schülerinnen und Schülern zu tun haben, die sehr empfindlich auf Lärm reagieren und große Probleme haben, sich bei einem Geräuschpegel zu konzentrieren.“ Sie habe gelesen, alles über 48 Dezibel sei „nicht gut auszuhalten“, sagte Sommer.
A20: Der zugelassene Grenzwert für Schulen liegt bei 57 dB
Etwa 56 Dezibel laut werde der Verkehrslärm sein, wenn er 40 Meter hinter einer neun Meter hohen Lärmschutzwand an der Trave-Schule vorbeirauscht, erklärte Deges-Planer Urs Reichart. Der zugelassene Grenzwert für Schulen liege bei 57 dB.
Bei einem geschlossenen Fenster werde der Lärm auf unter 30 dB abgemildert und bei einem gekippten Fenster auf unter 40 dB abgeschwächt. „Da sollte ein Unterricht auch bei gekipptem Fenster möglich sein.“ Wobei Schulleiterin Sommer einwarf, dass die Corona-Maßnahmen in den letzten zwei Jahren geschlossene Fenster während des Unterrichts nicht zugelassen haben.
Könnte Deckellösung den Autobahn-Lärm mindern?
Um die Lärmwerte einzuordnen, sagte Deges-Planer Reichart, dass dieser ab 52 dB als belästigend empfunden und ab 59 dB von der Weltgesundheitsorganisation WHO als gesundheitsschädlich eingestuft werde.
Dazu sagte Ulrike Täck von den Grünen, stellvertretende Kreispräsidentin und Professorin an der Hochschule Lübeck für Werkstoffkunde und Fertigungstechnik im Maschinenbau: „Ich habe früher in der Schweiz direkt an einem Fluss gewohnt, der mit 55 Dezibel am Haus vorbeigerauscht ist. Das war auf Dauer nicht zu ertragen.“ Sie schlug eine Deckellösung vor, wie bei den Tunneln auf der A7 in Hamburg-Stellingen und -Schnelsen.
Schwerlastverkehr auf A20 macht 14 Prozent am Tag aus
Die Lärmwerte sind für 30.000 Fahrzeuge am Tag bis zum Jahr 2030 prognostiziert, die mit 80 km/h für Lkw und 130 km/h für Pkw auf der A20 hier vorbeiführen, stellte Sebastian Heinrich von der Deges dem Umweltausschuss dar. Wobei der Schwerlastverkehr 14 Prozent am Tag und 21 Prozent in der Nacht ausmache. Um den Verkehrslärm auf 48 dB abzusenken, wie die Schulleiterin vorschlug, müsste die Verkehrsmenge schon von 30.000 auf nur noch 5000 Fahrzeuge sinken, sagte Deges-Planer Reichart. Das sei illusorisch.
Allerdings ließe sich der Lärm durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung deutlich mindern. Auf Einwand des Norderstedter Kreispolitikers Thomas Thedens (Freie Wähler) räumte der Deges-Planer ein, dass an diesem künftigen Autobahnkreuz von A20 und A21 in Bad Segeberg ohnehin ein Tempolimit von 80 km/h gelten müsste, wie dies auf fast allen Autobahnen der Fall sei. „Das kommt definitiv in Frage.“ Auch sei es möglich, die neun Meter hohe Lärmschutzwand schon vor dem A20-Bau fertigzustellen, um die Schule zu schützen, wie es der Norderstedter Kreispolitiker Norbert Pranzas (Die Linke) forderte.
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A20: Trave-Schule soll saniert und ausgebaut werden
Auch wenn der Kreis an der A20-Planung nicht beteiligt sei, die Land und Bund zu verantworten haben, gab Ausschussvorsitzender Arne Hansen (Grüne) den Deges-Planern noch auf den Weg, wie wichtig dem Kreis Segeberg diese Trave-Schule ist. „Wir haben gerade beschlossen, die Schule für zehn Millionen zu sanieren und auszubauen.“
Einigen Bürgern in der Kreisstadt kann der A20-Bau allerdings nicht schnell genug gehen. „Wir brauchen die Verkehrsentlastung durch die A20 in Bad Segeberg dringendst“, appellierte Anwohner Stefan Knorre an die Autobahn-Planer.