Norderstedt. Bankraub-Opfer müssten sich auf mögliche taktische Winkelzüge der Hamburger Sparkasse vorbereiten. Jurist hat wichtige Tipps.
Auch mehr als zwei Wochen nach dem spektakulären Bankraub in Norderstedt ist die Haspa-Filiale an der Rathausallee geschlossen. Die Spurensicherung der Polizei ist abgeschlossen, aber immer noch können Kunden das Bankhaus nicht betreten. Zunächst soll nun ein Sachverständiger die Schließfächer und den Tresorraum überprüfen, heißt es von der Haspa.
Bankraub in Norderstedt: Haspa-Kunden brauchen Geduld
Kunden müssen sich weiter in Geduld üben. Das wirft Fragen auf. Verbraucherschutzanwalt Jürgen Hennemann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Spezialist im Haftpflichtrecht in Buchholz in der Nordheide, spricht von offenkundigen Versäumnissen bei den Sicherheitssystemen.
Zu klären sei, ob die Haspa ihre Sorgfalts- und Obhutspflichten tatsächlich erfüllt oder dem Anschein nach nicht vielmehr gravierend verletzt habe. Dass die Bankfiliale in Norderstedt nach geltenden Richtlinien gesichert gewesen sei, sei angesichts der Vorgehensweise der Täter mit einem wuchtigen Kernbohrer, wie er auch bei einem Bankeinbruch bei der Haspa in Hamburg-Altona verwendet worden ist, äußerst zweifelhaft.
"Inaktzeptale Hinhaltetaktik" bei ähnlichem Bankraub
Geschädigte Kunden, die Ansprüche geltend machen wollen, warnt er davor, vorschnell auf Angebote des Bankhauses einzugehen und empfiehlt, sich fachanwaltlich beraten und vertreten zu lassen, bevor man mit der Haspa ins Gespräch kommt.
Der Anwalt hatte nach einem ähnlichen Bankraub bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude vor zwei Jahren in Buchholz, bei dem die Täter mehr als 80 Schließfächer aufgebrochen hatten, ein Viertel der geschädigten Schließfachkunden beraten oder vertreten. Auch dort habe die Bank zunächst das Gespräch mit ihren Kunden gesucht, dann aber auf eine ,,inakzeptable Hinhaltetaktik“ gesetzt, so Hennemann. Er rechnet damit, dass die Haspa in Norderstedt ebenfalls nach diesem Muster verfahren wird.
Hamburger Sparkasse habe Drohkulisse aufgebaut
,,Kunden müssen aufpassen, dass sie sich jetzt nicht mit drittklassigen Angeboten von zehn bis 15 Prozent der Schadensumme abspeisen lassen, wenn ihnen überhaupt eins unterbreitet wird“, sagt der Anwalt. Das sei in Buchholz leider der Fall gewesen. Dort seien Kunden drei- oder viermal zu ,,verhörartigen Gesprächen“ eingeladen worden, so der Anwalt. ,,Dabei ging es darum, die Kunden mit immer denselben Fragen in Widersprüche zu verwickeln. Wenn die Leute nicht bereit waren, die Gespräche fortzusetzen, nachdem sie auch nach Wochen oder Monaten noch keinen Cent gesehen hatten, wurde eine Drohkulisse aufgebaut, man könne die Sache auch an die Staatsanwaltschaft abgeben.“
Und wie ist es im aktuellen Fall in Norderstedt? ,,Solange kein klares Bekenntnis der Haspa zur Haftpflicht vorliegt, braucht man sich über Entschädigungen gar nicht zu unterhalten“, betont der Anwalt.
Zu behaupten, man habe das perfekte Alarmsystem, reiche nicht aus. ,,Wie kann es sein, dass Laser- und Vibrationsmelder, die schon bei kleinsten Bohrgeräuschen auslösen, nicht funktioniert haben? Wenn schon eine Maus, die durch den Schalterraum läuft, einen Bewegungsmelder auslöst, der den Alarm an drei, vier Stellen weiterleitet? Wie kann es sein, dass Täter in eine Bank eindringen, wie wir alle es aus Filmstoff der 1950er-Jahre-Krimi-Komödien kennen?“
Alarmsystem der Haspa lasse wohl zu Wünschen übrig
Vieles spreche dafür, dass die Sicherungssysteme drittklassig waren, so der Anwalt. ,,Dazu wird man sich zu gegebener Zeit substanziell äußern müssen. Solange die Haspa sich bedeckt hält zur Qualität ihrer Sicherheitssysteme, gibt es nicht den geringsten Anlass, zu glauben, dass der Obhuts- und Sorgfaltspflicht in belastbarer Weise Sorge getragen wurde.“
Er geht davon aus, dass die Chancen ohne fachanwaltliche Betreuung den tatsächlichen Schaden angemessen und in überschaubarer Zeit zu bekommen, gering sind. ,,Die Sparkasse tut so, als gebe es eine Obliegenheitspflicht des Kunden, sich sofort und umfassend zum Schadenumfang zu äußern. Das geben die Schließfachverträge nicht her. Es ist keine Sachversicherung, es ist ein Haftpflichtfall.“
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Bevor sich die Haspa nicht eindeutig zu ihrer Haftung bekenne, machten Gespräche und Ausführungen zur Schadenhöhe keinen Sinn, so der Anwalt. Sollten Kunden eine eigene Schließfachversicherung haben, sollten sie sich zunächst ausschließlich an ihren Versicherer wenden, der dann seinerseits die Haspa in Regress nehmen werde. Gleichwohl sei es förderlich für die Schadenregulierung, wenn man in Schließfächer eingelagerte Wertgegenstände zuvor dokumentiert hat.
Wertsachen fotografieren, bevor sie ins Schließfach kommen
,,Wir empfehlen grundsätzlich, Gegenstände wie Schmuck und Uhren am Besten zusammen mit den Kaufbelegen im häuslichen Bereich zu fotografieren, bevor sie in Schließfach gelegt werden“, sagt der Anwalt. Es lohne sich, genau hinzuschauen: Auf Goldbarren etwa ist neben dem Gewicht auch eine Nummer und der Herstellername eingeprägt. Und ein Krügerrand von 1991 mit Kaufbeleg ist glaubwürdiger als einer ohne Zertifikat. ,,So ein Idealbild der Schadendokumentation kann allerdings nicht zur Voraussetzung der Schadenregulierung erhoben werden“, betont der Anwalt.
Und was ist, wenn die Bank behauptet, man habe die Gegenstände kurz vor dem Raub aus dem Fach genommen? ,,Das Geschäftsmodell ist auf Diskretion und Vertraulichkeit angelegt. Es gibt keinen Tag des offenen Schließfachs. Deshalb ist so eine Behauptung des Haftenden weder glaubhaft, noch lässt sie sich beweisen.“
Nach Bankraub in Norderstedt: Haspa weist Vorwürfe zurück
Die Haspa weist Vorwürfe über Sicherheitsmängel zurück. ,,Nach dem mit ähnlich hoher krimineller Energie versuchten Einbruch in der Haspa-Filiale in Altona in der Holstenstraße im vergangenen Jahr haben wir selbstverständlich eine Risikoanalyse vorgenommen und Maßnahmen zur Verbesserung der Überwachungstechnik unter anderem auch in der Filiale in Norderstedt umgesetzt“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. ,,Die Schließfächer bei der Haspa sind grundsätzlich sehr sicher und die Schließfachanlagen durch unterschiedliche Sicherungssysteme mehrfach geschützt. Unsere Alarmtechnik entspricht dem neuesten Stand.“
Warum die Einbrecher trotzdem in die Filiale eindringen konnten, sei Teil der Ermittlungen der Polizei, in die die Haspa aus ermittlungstechnischen Gründen noch keinen Einblick bekommen könne. ,,Wir haben unsere Kundinnen und Kunden bereits alle kontaktiert, auch unsere Sondernummer ist nach wie vor geschaltet. Natürlich möchten wir so schnell wie möglich mit unseren Kunden eine Bestandsaufnahme vor Ort machen. Für uns steht die Sicherheit unserer Kunden und Mitarbeiter an erster Stelle. Wir können die Räumlichkeiten daher erst wieder öffnen, wenn der Sachverständige diese freigegeben hat. Sobald wie möglich werden wir mit unseren Kunden vor Ort gemeinsam die Fächer sichten.“