Norderstedt. Ein Verein will die mehr als 60 Jahre alte Boeing retten und verhandelt mit dem Hamburger Flughafen. Doch wohin mit dem Flugzeug?
Die Begeisterung der Hamburger für die Boeing 707 kannte keine Grenzen. „Es war, als wäre das Rollfeld zum Superstadion geworden, in dem das Fußball-Länderspiel des Jahres über den Rasen laufen würde“, kommentierte das Hamburger Abendblatt am 13. Oktober 1959, als das erste Passagier-Düsenflugzeug auf dem Flughafen Fuhlsbüttel landete.
25.000 Menschen standen und staunten, als die Maschine der Pan Am auf dem Vorfeld zum Halten kam. Und als der Düsenjet aufgrund von Zeitnot nur acht Minuten später wieder in Richtung New York davonrauschte, „spielten einige Halbwüchsige aus Enttäuschung verrückt, stimmten ein Pfeifkonzert an und warfen die Scheiben einer Baubude ein“. Immerhin: Sie alle waren Zeugen geworden des historischen Momentes, als Hamburg ins Jet-Zeitalter abhob und fortan über „die schnellste Verbindung von der Alten in die Neue Welt, die es je gegeben hat“, verfügte.
Die Boeing 707 steht auf dem Hamburger Flughafen – noch
62 Jahre später. Nieselregen geht über Hamburg-Fuhlsbüttel herunter. Es ist grau und kühl, was die passende Kulisse ergibt für das Schicksal der letzten von zwei überhaupt noch auf dieser Welt existierenden Boing 707 dieses Typs. Die Boing 707-430 D-ABOD, ein ehemals stolzer, vierstrahliger Tiefdecker mit elegantem Schmalrumpf, steht unbeachtet, schmutzig und an vielen Stellen beschädigt in einem toten Winkel des Sicherheitsbereiches des Hamburger Flughafens. Die dunklen Scheiben des Cockpits wirken wie tote Augen, die auf die Start- und Landebahn in Fuhlsbüttel starren und den Airbussen beim Starten und Landen zuschauen.
Jetzt stehen hier keine 25.000 Menschen mehr, um den Jet zu bestaunen. Nur noch ein Mann, um genau zu sein. Christoph Schmidt, er kommt aus Bargfeld-Stegen, steht jetzt am „Coffee-to-Fly“, dem Hot-Spot für Plane-Spotter, und blickt zur D-ABOD hinüber. „Man kann von hier aus nur einen Teil des Leitwerks der Maschine erspähen.“
Wenn es nach dem Willen des Flughafens Hamburg geht, dann wird bald gar nichts mehr von der Maschine zu sehen sein. Die D-ABOD soll nach 46 Jahren im Dienst als Filmkulisse, Museums- und Übungsmaschine verschrottet werden. Eine Jet-Legende setzt zur letzten Landung auf dem Schrottplatz an.
Für Christoph Schmidt eine gruselige und unerträgliche Vorstellung. Und ein skandalöser Umgang mit einem Stück Luftfahrtgeschichte. „Für die Überführung und Restaurierung des Großseglers ,Peking’ in den Hamburger Hafen wurden 38,5 Millionen Euro an Steuergeldern ausgegeben“, sagt Schmidt. „Klar: Hamburg ist eine Hafenstadt. Aber: Wir sind doch auch eine Flughafenstadt. Die Boeing mag zwar nur ein Liebhaberstück sein, aber sie ist eben auch ein wichtiges Stück Luftfahrthistorie der Hansestadt.“
Das Umsetzen des historischen Jets ins Umland kostet 150.000 Euro
Schmidt schaut nicht zu, wie das nun einfach so passiert. Er hat sich mit vier weiteren Boeing-Enthusiasten im in Gründung befindlichen „Verein zur Rettung der Boeing 707-D-ABOD“ zusammengetan. Gemeinsam wollen die fünf alles dafür tun, um mit der Boeing 707 quasi kurz vor dem Schrottplatz noch mal durchzustarten.
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Die Vision des Vereins: Der Aufbau eines Flugzeugmuseums mit der Boeing als erstem Stück und später mit bis zu vier weiteren Maschinen. Dass so etwas funktionieren kann, sagt Schmidt, sehe man im Besucherpark des Flughafens München. Die Frage ist nur: Wo in Hamburg oder im Umland ist Platz für den Plan? Und wer soll das alles bezahlen?
Die Kosten seien es, die den weiteren Verbleib der Boeing 707-430 auf dem Gelände des Flughafens unmöglich machen würden, sagt Schmidt. Allerdings reden wir hier nicht von 13 Millionen Euro wie beim Großsegler „Peking“. Vielmehr gehe es um 450 Euro monatlich, die der Flughafen bislang für den ehemaligen Mitarbeiter Gerd „Gerti“ Südhaus bezahlte, der sich um die Boeing 707-430 kümmerte. „Der Flughafen Hamburg muss sparen. Die drehen da jeden Euro zweimal um“, sagt Schmidt.
"Der Flughafen will die Maschine einfach nur vom Gelände haben"
Es sei versucht worden, die Boeing Interessenten von Technik- und Flugzeugmuseen in Süddeutschland anzubieten, sagt Schmidt. „Die 707 müsste man für den Abtransport in vier Teile – die beiden Tragflächen, den Rumpf und das Leitwerk – zerlegen. Das und der Transport würden etwa 500.000 Euro kosten. Deswegen sind die Interessenten abgesprungen.“ Nur 100.000 bis 150.000 Euro würde es hingegen kosten, die Boeing 707 einfach in die nähere Umgebung umzusetzen. Das ist nun das Ziel des Vereins.
In mehreren Videokonferenzen mit dem Flughafen Hamburg habe man erreicht, dass die ursprünglich für den Februar angesetzte Verschrottung ausgesetzt und vorerst auf die Woche zwischen dem 8. und 16. Juni verschoben wurde. „Der Flughafen will die Maschine einfach nur vom Gelände haben. Wenn wir das schaffen, können wir die Boeing retten“, sagt Schmidt.
Wohin mit der historischen Boeing?
Vom „Coffee-to-Fly“ aus blickt er nun nach Norden, in Richtung Norderstedt. Gleich zwischen dem World Cargo Center an der Niendorfer Straße und dem Angelteich vor dem Nordport-Plaza-Hotel, da besitzt der Flughafen ein umzäuntes Grundstück, auf dem er mal ein kleines Betonwerk für die Reparatur der Pisten aufgebaut hatte. „Die Fläche wäre ideal“, sagt Schmidt. Doch der Flughafen versagte die Anfrage – das Gelände werde gebraucht. D
Darum fällt Schmidts Blick nun auf das Gewerbegebiet Nordport der Stadt Norderstedt. Mit einem Schreiben wandte sich Schmidt an Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder – in dem er seine Vision ausbreitete. Statt im Nordport Flächen für die Autos dänischer Urlauber bereitzuhalten, die im Sommer von Hamburg aus gen Süden fliegen wollen, könnte auf den sogenannten Saisonparkplätzen das Flugzeugmuseum Norderstedt zum Stehen kommen – samt Kinderspielplatz, kleinem SB-Restaurant, einem Souvenir-Shop mit angegliedertem Besucherzentrum, in dem den Besuchern die Abläufe des Hamburg Airport erklärt werden.
Norderstedts Oberbürgermeisterin mag die Idee – sagt aber ab
Der Verein würde versuchen, dass neben der Boeing weitere Maschinen dazukommen. Da denkt Schmidt an eine Ju 52 oder eine Lockheed L-1649 SuperStar, die beide angeblich eingemottet in Lagerhallen in Paderborn stünden. Ebenso suche noch der Hanse Jet 614 von Airbus nach einem Standort, sagt Schmidt. Er könne sich sogar vorstellen, die Boeing 737 „Landshut“ aus Friedrichshafen in den Norden zu holen, die dort mit Bundesmitteln zu einem Museum ausgebaut werden soll. Langfristig will der Verein das alles aus Eintrittsgeldern, Mitgliedsbeiträgen und Spenden aus der Luftfahrtindustrie oder von der Allgemeinheit und durch Zuschüsse von Land und Bund finanzieren.
Norderstedts Oberbürgermeisterin Roeder teilte Schmidt schriftlich mit, sie könne dem Gedanken, ein Stück Luftfahrthistorie zu retten, durchaus etwas abgewinnen. Gleichwohl sehe die Stadt keine Möglichkeit, der Bitte des Vereins nachzukommen. „Der Nordport ist nicht als Museumsstandort konzipiert worden, und die städtebauliche, fiskalische und Wirtschaftsförderungszielsetzung ist mit diesem Projekt leider nicht zu erfüllen“, heißt es in dem Brief. Klartext: Die Flächen am Nordport sind viel zu wertvoll, um sie an ein Flugzeugmuseum zu verschenken.
Vereinsgründer bekommt Unterstützung aus aller Welt
Roeder hatte das Ansinnen Schmidts auch im Hauptausschuss vorgetragen. Auch hier regte sich laut Protokoll kein Widerspruch gegen die Absage an den Verein. „Immerhin hat mir Roeder schnell geantwortet. Von Bürgermeister Peter Tschentscher, der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank oder Kultursenator Carsten Brosda habe ich bis heute keine Reaktion erhalten“, sagt Schmidt.
Sind die Pläne des Vereins also einfach zu utopisch, zu teuer, um wahr zu werden? Schmidt bleibt unbeirrt auf Kurs. Im Rücken hat er eine weltweite Gemeinschaft aus 707-Fans. „Kaum hatten wir unsere Facebook-Seite geschaltet, waren da schon Hunderte Follower.“ Zuschriften von 707-Piloten aus den USA und Brasilien kamen herein, von glühenden Boeing-Enthusiasten aus aller Welt, die alle den Verein unterstützen wollen.
"Diese Flugzeuge haben noch eine Seele"
Zunächst will Schmidt nun darauf hinwirken, dass der Flughafen die Maschine zwölf bis 18 weitere Monate an ihrem Standort belässt, damit man mehr Zeit für die Suche nach einem Ausweichquartier habe. Die Wartung der Maschine könne der Verein kostenlos übernehmen. „Wir machen sie hübsch für den Abtransport“, sagt Schmidt.
Er hat über Jahre am Flughafen gearbeitet, in allen möglichen Funktionen. „An der D-ABOD habe ich immer wieder meinen Schein zur Enteisung von Flugzeugen gemacht.“ Dabei hat er sich verliebt in das alte Mädchen. „Diese Flugzeuge haben noch eine Seele“, sagt Schmidt.
Der Verein ist im Internet unter www.rettet-b707-dabod.de zu erreichen.