Norderstedt . Norderstedter Unternehmen entwickelt einzigartiges Recyclingsystem. Einmalinstrumente aus Kliniken sollen weiterverwertet werden.
Deutschlands Krankenhäuser produzieren jedes Jahr 1,2 Millionen Tonnen Abfall – darunter 8000 Tonnen Einweginstrumente. Nun haben sich vier Unternehmen zusammengeschlossen, um den Abfallberg zu reduzieren. „Die OP-Geräte werden gesammelt und fachgerecht recycelt“, sagt Teresa Maria Frei, Sprecherin von Ethicon – der mit 1700 Beschäftigten größte Arbeitgeber in Norderstedt stellt im Gewerbegebiet Glashütte medizintechnische Produkte her, vorwiegend chirurgisches Nahtmaterial und Nadeln. Und das Unternehmen, das zum weltweiten Konzern Johnson & Johnson gehört, war Ideen- und Geldgeber für das Nachhaltigkeitsprojekt.
Mit im Boot sind das Asklepios Klinikum Harburg, das Entsorgungsunternehmen Remondis und das Hamburger Recycling-Software-Start-up Resourcify. „Unsere Einweginstrumente bestehen zu gut 60 Prozent aus Metall und zu 30 Prozent aus Plastik sowie restlichen Materialien“, sagt Wolfgang Tröbs, General Manager von Ethicon Germany. „Diese Produkte werden momentan in den meisten Kliniken nach Gebrauch entsorgt und thermisch verwertet, wobei nicht nur Kosten für die Kliniken entstehen, sondern auch CO 2 -Emissionen, und es gehen wertvolle Rohstoffe verloren. Unser Ziel ist es, diese Abfälle zu mehr als 80 Prozent zu recyceln und in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen.“
Asklepios Klinikum Harburg ist mit im Boot
Ab sofort sammeln die OP-Teams am Asklepios Klinikum Harburg Einmalinstrumente, die anschließend von Remondis aufbereitet werden und als Wertstoff zur Verfügung stehen. „Wir verwenden in unserer Klinik hoch technisierte High-End-Geräte, die wir aus hygienischen Gründen nach einmaligem Gebrauch entsorgen müssen. Dass es dafür keine umweltfreundliche Wiederverwertungsmöglichkeit gab, ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir freuen uns deswegen, dass wir zusammen mit unseren Partnern ein Projekt gestartet haben, das für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Krankenhäusern sorgen wird“, sagt Dr. Stefan Meierling, Chefarzt der Thoraxchirurgie und Mit-Initiator der Aktion im Asklepios Klinikum Harburg, das mit mehr als 900 Betten und 128 tagesklinischen Plätzen drittgrößtes Krankenhaus in Hamburg ist.
Dort wird ein digital unterstütztes Rücknahmesystem für recyclingfähige Endocutter und Circular Stapler von Ethicon in den OP-Sälen getestet – Endocutter und Circular Stapler sind Klammernahtinstrumente, die den Chirurgen helfen, zum Beispiel in der Schlüssellochchirurgie Gewebe und Organe sicher zu entfernen oder zu verbinden.
Remondis holt Sammelbehälter ab
Seit dem Start des innovativen Vorhabens desinfizieren Ärzte und medizinisches Fachpersonal die Instrumente nach Gebrauch im OP und sammeln sie gesondert. Mitarbeiter von Remondis, einem Spezialist für die Entsorgung medizinischer Abfälle, holen die Sammelbehälter regelmäßig ab. Die Geräte werden in den Anlagen des Unternehmens sterilisiert, zerlegt und recycelt.
Allein in Harburg können durch das Projekt laut Resourcify etwa 2500 Kilogramm CO 2 eingespart werden. Ein besonderer Fokus liegt außerdem darauf, dass das Recycling in Deutschland stattfindet und somit auch nur geringe CO 2 -Emissionen beim Transport anfallen.
„Wesentlich für den Erfolg des Projekts ist das beteiligte Fachpersonal in der Klinik“, sagt Ethicon-Sprecherin Teresa Maria Frei. Unter dem Motto „Gemeinsam für eine Welt ohne Abfall“ haben die Experten von Resourcify die Teams im OP geschult – das Hamburger Softwarehaus bietet und entwickelt digitale Plattformen für das Abfallmanagement und hat für das Projekt eine spezielle App entwickelt. Damit können die Initiatoren ermitteln und nachvollziehen, ob und in welchem Maß sich ihr Einsatz für eine ressourcenschonende Medizin auszahlt.
Mit dem Modellprojekt wird die Medizin ein Stück „grüner“
Das bestätigt auch Chefarzt Dr. Meierling: „Besonders dankbar bin ich unseren OP-Teams: Bei der ersten Vorstellung waren alle begeistert – auch wenn das Projekt für die Kollegen zunächst mit einer Umstellung und Mehrarbeit verbunden ist. Das ist ein erster Erfolg, der neben den engagierten Projektbeteiligten auch der Umweltbehörde der Stadt Hamburg zu verdanken ist.“
Mit dem Modellprojekt wird die Medizin ein Stück „grüner“. Grundsätzlich sei vorstellbar, so die Ethicon-Sprecherin, dass die Initiative auf weitere medizinische Bereiche ausgeweitet wird, aber: „Zunächst muss das Projekt den Praxistest bestehen“, sagt Frei.