Norderstedt. Bewohner und Mitarbeiter durchleben im Haus zum Steertpogg schwere Zeiten. Quarantäne soll bald aufgehoben werden.

Es ist kalt im Garten vom Haus zum Steertpogg an der Ulzburger Straße in Norderstedt. Pflegeheimleiterin Kirsten Krause (51) zieht fürs Foto ihre Maske vom Gesicht. Seit sie sich bei einer Bewohnerin mit Covid-19 angesteckt hat, ist die N92-Schutzmaske ihr ständiger Begleiter. Das gilt für alle Mitarbeiter.

Kerstin Krause hatte Glück, sie ist genesen. Seit zehn Tagen unterstützt sie ihr Team wieder und kümmert sich mit ihnen tatkräftig um die Bewohner. 33 von ihnen und 17 Mitarbeiter hatten sich Mitte Oktober im Haus Steertpogg mit Corona infiziert. Seitdem steht die Einrichtung unter Quarantäne. "Leider sind 13 Heimbewohner in Verbindung mit Covid-19 verstorben“, sagt die Heimleiterin. "Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen.“

Alle Verstorbenen waren über 80 Jahre alt und hatten Vorerkrankungen. Wie starben die Menschen? Waren Angehörige, Freunde oder Palliativbegleiter in ihren letzten Stunden bei ihnen? "Selbstverständlich kümmern wir uns sofort um eine Ausnahmegenehmigung für Angehörige und Freunde“, sagt Kirsten Krause. "Dann dürfen sie ihre Liebsten unter strengen Hygienemaßnahmen begleiten.“ Allerdings darf immer nur ein Angehöriger bei ihnen sein. So will es die Verordnung.

Corona in Pflegeheim: Angehörige werden regelmäßig informiert

Wenn jemand seinen Angehörigen nicht auf dem letzten Weg begleiten möchte oder kann, übernehmen das Pflegepersonal und das Palliativteam die Aufgabe. "Niemand muss allein sterben“, sagt Kirsten Krause. Als Corona im Haus ausbrach, hätten zuerst viele Angst, viele waren verunsichert, berichtet die Heimleiterin. "Durch die ruhige, direkte Ansprache unserer Mitarbeiter konnten wir die Bewohner über die Situation aufklären und sie beruhigen.“

Telefonieren und Skypen sind für die Bewohner bis heute der einzige Kontakt zur Außenwelt. "Unsere Mitarbeiter helfen ihnen dabei. Wir stehen im ständigen Kontakt mit den Angehörigen und informieren sie regelmäßig über die Geschehnisse im Haus.“ Außenstehende dürfen das Haus nicht betreten. Alle Anlieferungen werden vor der Tür abgegeben. Nur Medikamente dürfen aus Sicherheitsgründen in die hauseigene Apotheke in der Eingangshalle gebracht werden.

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Allgemeine Quarantäne im Haus aufgehoben

Eine besondere Herausforderung für alle sei die "Bewohner-Zimmer-Quarantäne“ gewesen – mit Zimmerservice für Essen, Beschäftigen der Bewohner auf ihren Zimmern in Schutzkleidung oder Visite per Telefon. ,,Doppelte Wege, doppelte Arbeitszeit. Wir mussten Hände und Augen überall gleichzeitig haben.“ Da alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichtet wurden, sich in häusliche Quarantäne zu begeben, hätten sie keinen privaten Ausgleich gehabt. "Sie mussten arbeiten und nach Hause gehen, durften nicht einkaufen, nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.“

Inzwischen ist die allgemeine Quarantäne im Haus aufgehoben. Zurzeit sind noch zwei an Corona erkrankte Bewohner isoliert. Drei weitere werden im Heidberg-Krankenhaus behandelt. Insgesamt sechs Bewohner sind nach Angaben der Heimleitung im Zusammenhang mit Covid-19 in der Klinik verstorben.

"Eine Einweisung erfolgt immer in Absprache mit den behandelnden Ärzten unter Berücksichtigung einer vorliegenden Patientenverfügung“, sagt Kirsten Krause. "Die Corona-Kranken, die bei uns geblieben sind, hatten kein Fieber und keine Atemprobleme.“ Von ihren 17 an Corona erkrankten Mitarbeitern sind zum Glück alle wieder wohlauf. Zwei befinden sich noch in Quarantäne. Insgesamt 230 Tests haben sich ihre 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vergangenen Wochen unterzogen. Am Freitag wurden alle noch einmal getestet. Die Chefin hofft, dass die Quarantäne kommende Woche aufgehoben werden kann. Dann wären Besuche endlich wieder möglich.

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Die Schnelltests bedeuten für das Heim viel Arbeit

Die Heimleiterin sieht aber ein neues Problem: "Die neue Testverordnung für Pflegeheime verpflichtet uns, von jedem, der unser Haus betritt, einen Schnelltest zu machen. Das sind bei uns 1450 Abstriche im Monat, zusätzlich zu unserer täglichen Arbeit. Für jeden Test werden 20 Minuten veranschlagt. Die Zeit fehlt uns für unsere eigentliche Arbeit.“

Wie hat die Heimleiterin ihre eigene Corona-Erkrankung erlebt? "Ich war eine der ersten, die sich angesteckt haben, trotz Einhaltung der strengen Hygienevorschriften.“ Die betroffenen Bewohner hätten keine typischen Anzeichen wie Fieber gehabt. "Ich arbeite mit in der Pflege, habe mich bei einer neuen Bewohnerin, die ich wegen eines Sturzes in die Klinik begleitet habe, angesteckt.“ Erst in der Klinik stellte sich heraus, dass die ältere Dame Covid-19 hatte. "Danach haben wir sofort von OP-Masken auf N95-Schutzmasken umgestellt.“

Kirsten Krause litt drei Tage an Übelkeit, Erbrechen, hatte starke Kopfschmerzen. "Ich fühlte mich körperlich noch nie so elend; ich habe viel geschlafen.“ Ihre Lebensgefährtin, die ebenfalls im Gesundheitswesen arbeitet, habe ihr zu Hause Infusionen gelegt. "Nach meiner Quarantäne war ich sofort wieder bei meinem Team, um es zu unterstützen.“ Als Ausgleich treibt die Niendorferin normalerweise Extremsport. Doch daran ist für sie nach ihrer Corona-Infektion erst mal nicht zu denken.