Bad Bramstedt/Bad Segeberg . Mehr als 100 Mitarbeiter sind infiziert, weitere Testergebnisse stehen noch aus. Wie konnte sich das Virus ausbreiten?

Der Ausbruch des Coronavirus (Sars-CoV-2) im Schlachthof in Bad Bramstedt ist größer als zunächst vermutet. Nachdem in einem Wohnheim in Kellinghusen (Kreis Steinburg) bei 77 Mitarbeitern des Betriebs des Vion-Konzerns das Virus festgestellt wurde, hat der Kreis Segeberg weitere 32 Beschäftigte positiv getestet.

Nach dem Bekanntwerden der Fälle in Kellinghusen hatte die Kreisverwaltung Überprüfungen bei allen Personen angeordnet, die in dem Bramstedter Betrieb miteinander in Kontakt gekommen sind. Insgesamt wurden 179 Menschen getestet. Weitere Testergebnisse stehen noch aus.

Corona-Ausbruch in Schlachthof: Alle Mitarbeiter in Quarantäne

„Vorderstes Ziel es, weitere Menschen vor einer Ansteckung zu schützen und die Infektketten zu durchtrennen“, sagt Landrat Jan Peter Schröder. Da sich das Infektionsgeschehen kaum noch nachvollziehen und zurückverfolgen lasse, habe der Infektionsschutz des Kreises Segeberg alle Vion-Mitarbeiter, die in Bad Bramstedt gearbeitet haben und im Kreis Segeberg leben, unter eine 14-tägige Quarantäne gestellt. „Unabhängig davon, ob der erste Test positiv oder negativ ist“, sagte Schröder.

Von den 32 neuen positiven Fällen wohnt ein großer Teil im Raum Bad Bramstedt. Aber auch Nachbarkreise und kreisfreie Städte sind betroffen. Auch dort wird eine Quarantäne angeordnet.

Da die Infizierten – anders als in Kellinghusen – dezentral in kleineren Wohnungen leben, ist eine Überwachung der Einhaltung der Quarantänemaßnahmen im Kreis Segeberg schwieriger als in Kellinghusen. Dort leben die meisten Betroffenen in einer stillgelegten Kaserne. „Wir haben aber bisher die Erfahrung gemacht, dass sich die Menschen an die Anordnung halten und sehen daher im Moment keine Veranlassung für eine Überwachung“, so Schröder.

Das Coronavirus in Deutschland und weltweit:

Mitarbeiter werden mit Lebensmitteln versorgt

Da die meisten Arbeiter vom Balkan kommen und kaum deutsch sprechen, unterstützen Dolmetscher die Kreisverwaltung. Der tägliche Anruf des Infektionsschutzes sei obligatorisch und viele seien dankbar für den Austausch, da sie Fragen stellen könnten und sich in dieser Situation nicht ganz alleine fühlten.

In Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Bramstedt sowie mit Unterstützung des Arbeitgebers werde die Lebensmittelversorgung für jene sichergestellt, die keine Unterstützung im privaten Umfeld haben.

Wie konnte sich das Virus ausbreiten?

Regelmäßige mikrobiologische Untersuchungen bei Vion seien bislang stets ohne Beanstandungen verlaufen, sagte der Leitende Amtsveterinär, Markus Overhoff. Auch die amtlichen Kontrollen der Hygiene im Schlachtbetrieb seien unauffällig gewesen.

„Wir wissen nicht, wie sich das Virus so ausbreiten konnte“, sagt Landrat Schröder, der die hohen Infektionszahlen auf den privaten Bereich der Beschäftigten zurückführt und nicht auf die hygienischen Verhältnisse bei Vion. „Eine Kontrolle im Privaten ist schlichtweg nicht möglich“, sagte er.

Vion hat wegen der Infektionen in der vergangenen Woche Betriebsferien für den Betrieb angeordnet, der Rinder aus der Region schlachtet.

Nutztiere galten bisher als nicht infizierbar

„Immer wieder werde ich gefragt, warum der Kreis den Betrieb nicht einfach stilllegt? Die Antwort: Rechtlich haben wir dafür keine Handhabe, da die Produktion von Lebensmitteln als systemrelevant gilt und eine Übertragung des Virus durch Lebensmittel bislang noch nicht beschrieben worden ist“, sagte Schröder.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte der Kreisverwaltung mitgeteilt, dass bisher keine Infektionen mit SARSCoV-2 über den Übertragungsweg Fleisch bekannt seien. Nutztiere, die zur Fleischproduktion verwendet werden, seien nach gegenwärtigem Wissensstand nicht mit SARS-CoV-2 infizierbar und könnten das Virus daher nicht auf den Menschen übertragen. „Sicher ist auf jeden Fall, dass aufgrund der angeordneten umfassenden Quarantänemaßnahmen zunächst keine potenziell Ansteckungsverdächtigen im Betrieb arbeiten können, womit die Infektkette vor Ort unterbrochen ist“, sagt Schröder.

Corona-Ausbruch im Schlachthof: NGG hatte gewarnt

Wie berichtet, hatte die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) gewarnt, die beengten Wohnverhältnisse der Beschäftigten begünstige den Ausbruch des Virus. Außerdem seien regelmäßig bis zu 30 Arbeiter zusammengedrängt in einem Bus von Kellinghusen nach Bad Bramstedt gefahren worden.

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Wegen schwerer Hygienemängel im Bramstedter Schlachthof hatten im Jahr 2014 mehr als 200 Polizisten, Zollbeamte und Staatsanwälte durchsuchte. Das Kieler Umweltministerium legte den Betrieb still. Die Ermittlungen übernahm das Landeskriminalamt. 2018 zahlte Vion eine hohe Geldbuße.