Norderstedt. Baufirmen müssen Standards senken oder frei finanzierten Wohnraum teuer anbieten. Neubau ist gefährdet.
„Neubau mit einer Quote von 30 Prozent Sozialwohnungen ist schon schwierig, aber mit 40 Prozent kommen wir an unsere Grenzen.“ So beschreiben Joachim Schaffarzyk und sein Sohn Stefan die Ausgangslage für ein Projekt, das das gleichnamige Bauunternehmen aus Quickborn in Norderstedt realisieren will. Auf rund 47.000 Quadratmetern sollen südlich der Harckesheyde und westlich und östlich der Falkenbergstraße 205 Geschosswohnungen und Reihenhäuser entstehen – ein attraktives Quartier, das im Südosten an den Stadtpark und im Nordwesten an das geplante innovative Neubaugebiet „Grüne Heyde“ anschließt.
Doch mitten hinein in die Planung platzte ein Beschluss der Norderstedter Stadtvertreter, der die Wohnungswirtschaft weit über die Stadtgrenzen hinaus aufschreckte: Künftig sollen die Bauträger bei Neubauvorhaben 50 Prozent geförderte Wohnungen bauen, 25 Prozent nach dem ersten und 25 Prozent nach dem zweiten Förderweg (s. Infokasten). Bisher lag die Vorgabe bei 30 Prozent. Mit der höheren Förderquote wollen CDU, SPD, Grüne und Die Linke den Mangel an bezahlbarem Wohnraum verringern – ein seit Jahren drängendes Thema in Norderstedt.
Das Unternehmen Schaffarzyk ist das erste, das von den neuen Vorgaben betroffen ist, da es für das Vorhaben noch keinen Bebauungsplan gibt. „Wir haben von uns aus angeboten, dass wir 40 Prozent als geförderte Wohnungen bauen werden“, sagt Seniorchef Joachim Schaffarzyk, der die neuen Auflagen der Politik für überzogen hält und auf Quickborn verweist – dort könne man mit der Verwaltung reden und die Zahl der geförderten Wohnungen projektbezogen festlegen. So hätten sich das Unternehmen und die Stadt bei zwei Bauprojekten auf einen Anteil von 20 bzw. 25 Prozent geeinigt.
„Seit 14 Jahren planen wir das Quartier in Norderstedt, und jetzt haut uns die Politik diesen Beschluss um die Ohren“, sagt der Senior, der das Projekt nicht fallen lassen will, weil er schon Geld in den Grundstückskauf und die Vorplanung investiert hat. Zwar fördert das Land über die Investitionsbank den Bau von Sozialwohnungen mit günstigen Krediten und Zuschüssen, aber Schaffarzyk geht davon aus, dass das Geld nicht reichen wird, um die Baukosten zu decken. „Wir haben zwar noch keine genaue Kalkulation, aber wir gehen von einer Finanzierungslücke von rund 500 Euro pro Quadratmeter aus“, sagt der Bauunternehmer, der seit langem am Markt aktiv ist. Bei 82 geförderten Wohnungen kämen da schnell Millionenbeträge zusammen.
Modulbauweise mit geputzter Fassade kommt nicht in Frage
Wie kann das Unternehmen die Mehrausgaben kompensieren? Da sehen die Schaffarzyks zwei Wege: „Entweder wir machen Abstriche beim Baustandard oder wie vermieten bzw. verkaufen die frei finanzierten Wohnungen zu höheren Preisen.“ Doch eine Modulbauweise mit Putzfassaden kommt für das Unternehmen nicht in Frage: „Wir bauen Stein auf Stein, und das wird auch so bleiben, weil unsere Kunden gute Qualität mit unserer Arbeit verbinden und sonst ein Imageschaden droht“, sagt Stefan Schaffarzyk. Daher würden auch die geförderten Wohnungen nach dem üblichen Standard ausgestattet, mit Tapeten, einem Gäste-WC in größeren Wohnungen, Aufzügen in den Treppenhäusern und soliden Sanitärobjekten.
Es bleibe nur, die Mehrkosten auf diejenigen umzulegen, die eine frei finanzierte Wohnung kaufen oder mieten. Das treibe die ohnehin schon hohen Immobilienpreise und Mieten in Norderstedt weiter in die Höhe. „Und ist das sozial gerecht?“, fragt Steffen Becker, zusammen mit Volker Heins Geschäftsführer des Norderstedter Wohnungsunternehmens Plambeck, das seine großen Bauprojekte in Garstedt noch nach der 30-Prozent-Regel verwirklichen kann, aber: „Auf Dauer können wir das nicht durchhalten, zumal die Baupreise jedes Jahr steigen“, sagt Volker Heins.
Kreativ werden oder auf Neubau verzichten – das seien die Alternativen. Heins sieht schon eine Renaissance der Laubengänge: statt eines Treppenhauses pro Eingang nur ein Zugang von der Straße, von dem auf ganzer Länge des Wohnblocks auf jeder Etage Gänge zu den Wohnungstüren führen. Doch auch Plambeck will auf den bekannten Standard nicht verzichten.
63 Prozent Sozialwohnungen ohne Quote gebaut
Becker und Heins verweisen darauf, dass Plambeck zwischen 2015 und 2019 in Norderstedt 211 Wohnungen gebaut habe, 132 oder 63 Prozent als geförderte, und das ohne 50-Prozent-Klausel. „Es geht uns nicht um eine möglichst hohe Rendite. Als regionales Unternehmen sehen wir durchaus unsere soziale Verantwortung“, sagen die beiden. Eine starre Regelung wie jetzt sei da nicht hilfreich und könne den Wohnungsbau zum Erliegen bringen. „Wir waren mit dem Norderstedter Bündnis fürs Wohnen auf einem guten Wege, für alle tragbare Lösungen zu finden.“
Obwohl das Bündnis zwischen Verwaltung, Wohnungswirtschaft und Politik nach dem 50-Prozent-Beschluss der Stadtvertreter zerbrochen ist, setzt Heins weiter auf Konsens. Anfang des Jahres soll es ein Gespräch mit den Politikern geben.