Kreis Segeberg. Viele Ereignisse sind im Lauf der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Abendblatt hat sich auf Spurensuche begeben.

„Diese Anlage kenne ich seit meiner Kindheit, als kleiner Junge habe ich hier gespielt“, sagt Johann Schümann, Landwirt im Ruhestand. Er steht am Teich neben einer Brunnenskulptur, die aus einem Feldstein geschaffen wurde. Die Skulptur ist neu, sie wurde erst 2013 aufgestellt und rundherum mit Sitzbänken versehen. Alles andere sieht noch so aus wie seit Jahrhunderten: Der Wöddelteich ist der historische Ortsmittelpunkt des Henstedt-Ulzburger Ortsteils Henstedt.

Die Vorfahren Johann Schümanns und seine Verwandtschaft hatten direkt nebenan einen Bauernhof, der über Generationen im Familienbesitz geführt wurde. Er weiß, was hinter der seltsamen Bezeichnung „Wöddel“ steckt und warum die Zahl Sieben so wichtig ist, dass sie bei der Schaffung der Brunnenanlage sichtlich eine bedeutende Rolle spielte.

Der Wöddel ist für die Gemeinde Henstedt-Ulzburg seit gut 1200 Jahren Mittelpunkt des öffentlichen Lebens, und mit dem Aufstellen der Brunnenanlage wurde das Gelände sozusagen geadelt: Jetzt können die Menschen hier verweilen und den Ausblick auf den Teich genießen. Nur wenige Schritte entfernt hat sich ein kleines Café etabliert. Ein Ausflug in diesen Teil des größten schleswig-holsteinischen und fünftgrößten deutschen Dorfes lohnt sich also: Henstedt-Ulzburg hat zwar rund 30.000 Einwohner, aber keine Stadtrechte.

Der Wöddel wird noch heute durch eine Quelle gespeist

Bis heute wird der Wöddel durch eine Quelle gespeist, die vor etwa 1200 Jahren zum Teich aufgestaut wurde. Er war stets Zentrum des Dorfes Henstedt: Bis etwa 1800 standen nur um den Teich Häuser, er war viele Jahrhunderte lang Tränke für das Vieh, Waschplatz für landwirtschaftliche Fuhrwerke und Gerätschaften, Löschwasser-Speicher für die Feuerwehr bei Brandeinsätzen, Kühl­eislieferant für Schlachterei und Gaststätten, Abkühlbecken für die benachbarte Schmiede bei der Bereifung von Wagen, Fischteich und Treffpunkt für die Dorfbevölkerung. Hier wurden Dorffeste gefeiert und Versammlungen abgehalten.

Johann Schümann weiß noch, wie wichtig und interessant der Wöddelteich auch für die Kinder war: „Wir haben hier Stichlinge und Kaulquappen gefangen, haben hier unsere kleinen Holzschiffe schwimmen lassen, sind mit Wannen und selbst gebauten Flößen auf dem Wasser unterwegs gewesen. Selbstverständlich wurde im Winter Schlittschuh gelaufen.“ Weil sich die Häuser um den Teich gruppierten, gingen die Kinder hier natürlich auch in die Schule. Vom 17. bis weit hinein ins 20. Jahrhundert wurde das Schulhaus genutzt. Später war im Schulgebäude das Deutsche Rote Kreuz untergebracht, seit Ende der 1980er-Jahre ist es Heimat eines Kindergartens.

Der Teich selbst ist inzwischen als technisches Bauwerk zu betrachten: Seit Anfang der 1970er-Jahre ist er ein Regenrückhaltebecken. Weil das so ist, wurde das Gewässer auch eingezäunt. Schlittschuhlaufen ist also nicht mehr möglich. Durch den Eintrag von Sand, Reifenabrieb und vielen anderen Feststoffen hat sich der Charakter des Teichwassers im Laufe vieler Jahre verändert.

Dichtes Wurzelwerk hat dem Teich den Namen gegeben

Der Wöddelteich liegt malerisch mitten im Ortsteil Henstedt. Auf der kleinen Insel nisten Wasservögel.
Der Wöddelteich liegt malerisch mitten im Ortsteil Henstedt. Auf der kleinen Insel nisten Wasservögel. © Frank Knittermeier | Frank Knittemeier

An der Nordseite befindet sich ein rundes Feldsteinbecken, das die eigentliche und ursprüngliche Wöddelquelle einfasst. Durch einen Steinbogen fließt das Quellwasser in den Wöddel und speist somit die daraus nach Süden abfließende Wöddelbek, die einige Kilometer weiter in die Alster mündet. Die kleine Insel mitten im Teich wurde 1939 aufgeschüttet. Sie ist heute Brutplatz für Wasservögel. In der Adventszeit wird auf dem dort stehenden Baum Weihnachtsbeleuchtung angebracht. Erreicht wird die kleine Insel mit dem Ruderboot.

Woher stammt der recht seltsam anmutende Name für diesen Teich? Gemeindearchivar Volkmar Zelck hat in alten Urkunden und Karten geforscht, um eine Erklärung zu finden. Er hat festgestellt, dass auf den ältesten detaillierten Karten von Henstedt – 1775 im Zuge der Verkoppelung erstellt – der zentrale Dorfteich mit dem niederdeutschen Wort „Wörtel“ bezeichnet wird, das Wurzel bedeutet. Daraus folgert Zelck, dass die Namensgebung auf die konkreten Gegebenheiten vor Ort zurückzuführen ist. „Das feuchte und leicht morastige Gebiet in der Umgebung der Quelle war ursprünglich wohl mit Weidengebüsch und anderen Gehölzen durchzogen“, glaubt der Gemeindearchivar. „Möglicherweise gaben die Henstedter dem dort aufgestauten Teich dann aufgrund des damals vorhandenen dichten Wurzelwerks den Namen, der bis heute erhalten geblieben ist.“

Thomas Behrendt schuf die Skulptur aus einem 18-Tonnen-Findling

Dieser Erklärung kann auch Johann Schümann viel abgewinnen. Obwohl der ehemalige Hof der Familie Schümann-Grothkopf wie auch die anderen ehemals großen Bauernstellen in der direkten Nachbarschaft nicht mehr existieren oder ausgesiedelt sind, übt der Wöddel immer noch Anziehungskraft auf ihn aus. Oft zieht es ihn an die Stelle, wo er seine Kindheit und einen großen Teil seiner Jugendzeit verbracht hat. Beim Blick auf den Teich erinnert er sich gerne an die längst vergangenen Jahre.

Bildhauer Thomas Behrendt schuf die Brunnenskulptur 2013 aus einem 18-Tonnen-Findling. Die sieben geschwungenen Rinnen, worin das Wasser fließt, symbolisieren die sieben Wege, die im Mittelalter vom Wöddel als Dorfmittelpunkt aus Henstedt hinausführten. Um die Symbolik perfekt zu machen, wurden rund um den Brunnen sieben Bänke gruppiert. Der Wöddel ist zu einem kleinen, aber feinen Naherholungsziel für die Einwohner Henstedt-Ulzburgs geworden. Hier können Spaziergänger für einige Zeit abschalten und den Anblick genießen. Anschließend geht es dann in das Café, um den Besuch bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen ausklingen zu lassen.