Henstedt-Ulzburg. Für ein Bauprojekt und einen Kreisel im Ortsteil Henstedt sollen Bäume weichen, die als erhaltenswert gelten. Das regt viele Bürger auf.

Ein Gebäude mit bis zu zehn Wohnungen, ein Kreisverkehr – dafür sollen Bäume verschwinden: Der Bebauungsplan Nummer 141 für Henstedt-Ulzburg, der eine Fläche im Bereich Bürgermeister-Steenbock-Straße/Kisdorfer Straße umfasst, also im Ortsteil Henstedt liegt, birgt Zündstoff. Trotzdem hat die Gemeindevertretung nun den Satzungsbeschluss gefasst. Die Debatte war denkwürdig. Und dafür war eine Frau verantwortlich, die kaum einer der Anwesenden zuvor kannte.

Kaatje Dürrfeld verfolgte die Sitzung im Ratssaal zunächst stumm, doch in der Einwohnerfragezeit platzte ihr der Kragen. „Ich weiß nicht, ob ihnen klar ist, was dieser Baum für uns Menschen bedeutet. Ein Baum dieser Größe versorgt 20 Personen täglich mit Sauerstoff, er filtert Staub, spendet Schatten. Es müssten 2500 neue Bäume gepflanzt werden, um diese Linde zu ersetzen.“ Im Gespräch mit dem Abendblatt fügte sie hinzu: „Der Blütennektar der Linde ist bei vielen Insekten sehr begehrt und daher besonders bedeutsam, vor allem bei Honigbienen, Wildbienen, Schmetterlingen, Hummeln und Schwebfliegen. Zudem ist er Nistplatz für Singvögel und Eichhörnchen.“ Sie wünscht sich, dass die Architekten den Baumbestand erhalten.

An der Kreuzung Kisdorfer Straße/Bürgermeister-Steenbock-Straße soll ein Kreisverkehr gebaut werden.
An der Kreuzung Kisdorfer Straße/Bürgermeister-Steenbock-Straße soll ein Kreisverkehr gebaut werden. © Christopher Herbst | Christopher Herbst

Besagte Linde befindet sich mitten in dem Areal, das bebaut werden soll. Und dass der ehrwürdige, 80 Jahre alte Baum eigentlich erhaltenswert ist, besagt auch das Gutachten des Landschaftsplanungsbüros Jacob. „Sehr wertvoll“, „prägend für das weitere Wohnumfeld“, „hohe Bedeutung“, das sind die Attribute. Nur: „Zur Realisierung des geplanten Bauvorhabens ist die Fällung der auf dem Grundstück mittig wachsenden Linde erforderlich“, schreibt die Verwaltung. Es würde zwar Ersatzpflanzungen geben, doch für Kaatje Dürrfeld ist das eben nicht gleichwertig.

In den Stellungnahmen zum B-Plan wird deutlich: Sie ist nicht allein. Diverse Bürger, auch die Kirchengemeinde, sind gegen das Projekt, mit dem sich die Politik über Jahre beschäftigt hat. Trotzdem genügten die 15 Stimmen von CDU, FDP und BfB gegen WHU, Grüne und SPD (zwölf). Vollzählig war das Gremium nicht, es fehlten zwei Personen aus dem Pro- und vier aus dem Contra-Block. Je nach Anwesenheit hätte der Beschluss anders ausfallen können.

Der Streit war heftig, auch in der Tonalität. „Es ist ein schlechter Tag für die Gemeinde, für Bürgerbeteiligung, für Natur und Klimaschutz, für die gesamte Politik, weil wir Forderungen aus der Bürgerschaft nicht genügend respektieren. Die CDU hatte nach der Wahlniederlage erklärt: Wir haben verstanden. Das glaube ich nicht“, sagte Kurt Göttsch von den Grünen. Michael Meschede (CDU) nannte das „Nebelkerzen“ und erwiderte: „Ich habe nicht das Gefühl, es gibt neue Argumente. Wir haben alles ausführlich diskutiert. Dass die Linde fällt, liegt als Beschluss schon Jahre zurück.“ Und Klaus-Peter Eberhard (FDP) sagte: „Wir werden mit dieser Linde nicht die Welt retten.“ Er warf Göttsch vor, die politische Mehrheit als „etwas Böses“ darzustellen. „Wir müssen unterschiedliche Güter abwägen, das tun wir auf demokratische Weise.“

Verena Grützbach von der WHU forderte Bürgermeister Stefan Bauer auf, Widerspruch gegen den Bebauungsplan einzulegen – der Verwaltungschef sagte, das sei rechtlich nicht möglich. Dass er den Umbau der Kreuzung, für den weitere Bäume weichen müssten, als unnötig ansieht, ist bekannt. „Aus fachlicher Sicht gibt es keine Argumente für einen Kreisverkehr oder eine Lichtzeichenanlage.“ Ein Unfallschwerpunkt sei der Bereich nicht. Die Befürworter des Kreisels erhoffen sich mehr Verkehrsfluss.

Ob dieses Vorhaben jemals realisiert wird, ist unklar. Ein Ehepaar weigert sich, einen Teil seines Grundstücks an die Gemeinde zu verkaufen. Von einer Enteignung wagt ein Jahr vor der Bürgermeisterwahl niemand zu sprechen. Nicht minder kompliziert ist die Situation auf dem für Wohnungen vorgesehenen Areal. Diese Fläche gehört einer zerstrittenen Erbengemeinschaft. Ein Teil ist für einen Verkauf an einen Makler aus dem Ort, der bereits eine Bauvoranfrage gestellt hat – die anderen Erben sind mittlerweile dagegen. Vermutlich wird die Sache vor Gericht landen.

Kaatje Dürrfeld will jetzt die Nachbarschaft aufrütteln. Sie hat ein Netzwerk gegründet im Sinne von „Fridays for Future“ und „Parents for Future“, alle zwei Wochen gibt es ein Treffen, das nächste am Montag, 3. Juni, um 18 Uhr im Vereinsheim des SV Henstedt-Ulzburg („Bei Inge“, Bürgermeister-Steenbock-Straße 64). Für den 23. August ist bereits eine Demonstration für mehr Klimaschutz im Ort angemeldet. „Ich werde weiter kämpfen“, sagt sie, „für Bäume, die Natur und die Tiere.“