Norderstedt. Inka Raubold ist fast 80 Jahre alt. Ohne Yoga säße sie wohl schon seit vielen Jahren im Rollstuhl. Beim Glashütter SV unterrichtet sie.
„Sat-Nam“ schallt es durch den Yoga-Saal des Glashütter Sportvereins, bei jedem „Sat“ wird ein-, bei jedem „Nam“ langsam wieder ausgeatmet. „Sat“ bedeutet Wahrheit, „Nam“ steht für Name. „Sat-Nam“ ist ein Konzentrationswort oder Mantra, wie die Yogi sagen. Es bezeichnet das wahre Selbst, die eigene Identität, erklärt Yoga-Lehrerin Inka Raubold. Seit 1995 unterrichtet sie die Yoga-Art Kundalini im Glashütter Sportverein.
Obwohl sie nun schon fast 80 Jahre alt ist, macht Inka Raubold in ihren Kursen alle Übungen mit Leichtigkeit mit. Ihre Beweglichkeit und auch ihre Freude am Yoga haben in all den Jahren keinen Deut nachgelassen. „Yoga hat mir geholfen, meine Beweglichkeit beizubehalten. Ich bin sogar noch gelenkiger geworden“, sagt sie lachend.
Zum heutigen Kursus sind außer mir noch fünf Frauen erschienen. Alle zusammen bilden wir auf Matten sitzend einen Kreis um eine Kerze in der Mitte. In den eineinhalb Stunden Yoga wechseln sich Übungen, in denen der Atem bewusst gesteuert werden soll, leichte Bewegungsabläufe, wie das Boxen in die Luft, um den Rücken zu stärken, und entspannte Phasen mit musikalischer Begleitung ab. Inka Raubold macht alle Übungen einmal vor und erklärt dabei die richtige Atemtechnik. Sie praktiziert seit 40 Jahren Yoga, in den 80er-Jahren begann sie eine Kundalini-Yoga-Ausbildung in Hamburg. Yoga hat ihr Leben verändert.
Wort„Yoga“ bedeutet so viel „Verbindung“
Doch was macht den Reiz des Yogas eigentlich aus? Ist das nur etwas für Esoteriker? Natürlich nicht! Die verschiedenen Yoga-Techniken bieten eine enorme Bandbreite an Bewegungsformen, Atemtechniken und Entspannungstricks. Wer bisher glaubte, Sport, Ruhe, Entspannung und Fitness passten nicht zusammen, der wird eines Besseren belehrt: Beim Yoga gibt es sowohl schweißtreibende als auch sehr beruhigende Übungen. Yoga dient der Rückenstabilität, der Stärkung der Muskulatur und der Verbindung von Körper und Geist. Daraus bildet sich auch der außergewöhnliche Name: „Yoga“ stammt aus der altindischen Sprache und bedeutet schlicht „Verbindung“.
Die Yoga-Form des heutigen Abends wird auch „Yoga des Bewusstseins“ genannt, denn überwiegend mit Atemübungen und Meditationen wird die Konzentration auf den eigenen Körper eingeübt. Das Kundalini-Yoga beinhaltet aber auch sowohl das sportliche Hatha-Yoga mit meist statischen Yoga-Übungen, das Laya-Yoga, das mit Klängen praktiziert wird, als auch das Mantra-Yoga, welches mit Konzentration auf bestimmte Mantren zur Entwicklung einer positiven Energie führen soll.
Inka Raubolds Kursus richtet sich an Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen. Allerdings sollte man keine Scheu vor Neuartigem haben. Auch ich werde bei meiner ersten Stunde schnell auf die Probe gestellt: Bei einer Übung sollen alle Teilnehmerinnen auf ihre Beine klopfen und lachen. Auf einmal ist der Raum erfüllt von herzhaftem Gelächter – es handelt sich, wenn wundert’s, um Lachyoga. Ich bin zunächst etwas verunsichert, doch ich lerne: Durch das willentlich herbeigeführte Lachen sollen echtes Lachen und Heiterkeit entstehen; eine Form der Therapie und Entspannung. Trotzdem fällt mir das Lachen auf Knopfdruck und ohne jeden Grund schwer, und ich beobachte lieber fasziniert die lachenden Teilnehmerinnen um mich herum.
„Auf Yoga muss man sich einlassen“, sagt Inka Raubold ebenfalls lachend. Niemand ist verpflichtet, alle Übungen mitzumachen. Das ist jedem selbst überlassen. Nichts soll erzwungen werden. „Es ist ein Lassen und Zulassen von Gedanken, was hier vermittelt werden soll. Und dass alle Menschen gleich sind“, sagt Inka Raubold.
Diese Einsicht teilen immer mehr Menschen, die einen Ausgleich zu ihrem oft hektischen Alltag suchen – Yoga als ein Moment des Luftholens, der Ruhe. Die Work-Life-Balance kommt mit Yoga ins Gleichgewicht, Stress, Sorgen und Probleme werden bewusst ausgeblendet. Gleichzeitig hält Yoga dem Praktizierenden einen Spiegel vor: Viele berichten von Yoga als ein Erlebnis der Selbstreflexion, der Selbstfindung. „Man kann nur andere Menschen lieben, wenn man mit sich selbst im Einklang ist. Und das lernt man durch Yoga“, sagt Teresa Rozmus, die mit mir im Kursus ist. Sie ist schon seit zehn Jahren dabei und war lange Zeit selbst Yoga-Lehrerin in Hamburg. Auch Inka Raubold ist durch viele Jahre Yoga zu neuen Einsichten gelangt. „Durch Yoga entsteht eine Lockerheit und positive Gleichgültigkeit gegenüber alltäglichen Problemen. Man sieht die Menschen von einer anderen Warte“, sagt sie.
Ebenfalls wichtig: Beim Yoga kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Inka Raubold hatte schon Schwangere, Kinder und Paare in ihrem Kursus. Für viele hat Yoga auch eine therapeutische Komponente. Sie verarbeiten traumatische Erlebnisse, Depressionen, Ängste oder körperliche Einschränkungen. Inka Raubold spricht aus eigener Erfahrung. „Ich hatte einen Lendenvorfall, als ich 30 war. Damals haben sie mir gesagt, dass ich mit 50 Jahren im Rollstuhl sitzen werde“, erzählt sie. Nun ist die fast 80-Jährige immer noch fit auf den Beinen – an einen Rollstuhl oder eine Gehhilfe ist überhaupt nicht zu denken.
Mehr als 300 Millionen Menschen praktizieren Yoga
Wer sich für Yoga interessiert, steht vor einer schwierigen Entscheidung: In der Welt des Yoga sind die unterschiedlichsten Praktiken zu finden, die sich je nach Stil, Lebensalter der Praktizierenden und Schwierigkeitsgrad unterscheiden. Neben dem Kundalini-Yoga gibt es Ashtanga-Yoga, das aus dem energetischen Power-Yoga besteht und bei dem verschiedene Körperpositionen, die sogenannten Asanas, mit Sprüngen verbunden werden, und Aerial-Yoga, das ähnlich wie Luftakrobatik in einem schwingenden Yoga-Tuch ausgeübt wird. Das Yin-Yoga besteht ähnlich wie Kundalini-Yoga aus ruhigeren Übungen im Liegen oder Sitzen, die das Bindegewebe stärken. Beim Hot-Yoga werden bei Temperaturen von mehr als 30 Grad schweißtreibende Bewegungen ausgeführt.
Doch das ist nicht alles. Mittlerweile hat sich aus den traditionellen Techniken eine unübersichtliche Menge weiterer Ausprägungen etabliert. Es ist nahezu unmöglich, alle Formen zu erfassen.
Adressen
Weltweit praktizieren mehr als 300 Millionen Menschen Yoga. Es gibt wohl kaum einen Sportverein oder Fitnesscenter, kaum ein Tanzstudio und Volkshochschule, die auf Yoga-Angebote verzichten. Auch im Kreis Segeberg ist das Angebot groß. Doch für welche Art von Yoga entscheidet man sich als Anfänger denn nun? Inka Raubold rät: „Man muss unterschiedliche Yoga-Arten ausprobieren und dann gucken, was am besten zu einem passt.“ Am wichtigsten sei es beim Yoga, auf sich selbst zu hören. „Jeder ist schön auf seine Art und Weise“, sagt Inka Raubold zum Abschied. „Wir sind alle erleuchtet.“ Sat-Nam!