Norderstedt. Pilotprojekt: Jugendliche Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums beantworten Senioren in einer Sprechstunde Fragen zu ihren Handys.

Marlene E. holt ein Smartphone und ein Tablet aus ihrer Tasche heraus. „Mein Enkelsohn hat mir die Teile besorgt. Dann ist er nach dem Abitur nach Neuseeland abgehauen“, sagt die 79 Jahre alte Seniorin. Das war im Februar. Seitdem fehlt ihr für technische Fragen ein Ansprechpartner. Mit den modernen Telefonen kennt sie sich bisher nicht aus. Dabei würde sie nur zu gern Fotos per WhatsApp an ihre Freundinnen und Familie verschicken. „Aber ich weiß nicht, wie das funktioniert“, sagt sie verunsichert.

In der Stadtbücherei Glashütte sitzt Marlene E. mit zwei Schülerinnen des Lise-Meitner-Gymnasiums an einem Tisch. Sie möchte ihren vollständigen Namen lieber nicht nennen. Ihr ist es unangenehm, dass sie mit ihrem Smartphone noch Probleme hat. Leonie Mahlitz und Karolina Hinz, beide 15 Jahre alt, finden es hingegen bewundernswert, dass sich auch die ältere Generation mit der Digitalisierung auseinandersetzt. „Wir freuen uns, wenn wir helfen können“, sagen sie. Die Zehntklässlerinnen beantworten innerhalb einer Viertelstunde den Senioren alle Fragen, die sie sich im alltäglichen Umgang mit ihren Handys stellen. Wie kann ich telefonieren? Wie schreibe ich Nachrichten? Und wie verschicke ich Bilder per WhatsApp?

Die Smartphone-Sprechstunde hat die Stadtbücherei Glashütte in Kooperation mit dem Gymnasium und dem Seniorenbeirat ins Leben gerufen. „Die Digitalisierung ist ein aktuelles Thema und eine schöne Möglichkeit, Jung und Alt zusammenzubringen“, sagt Karsten Bensel (72) vom Seniorenbeirat Norderstedt. Zunächst sind drei Termine festgelegt worden – um herauszufinden, wie das Angebot angenommen wird. Nach dem ersten Treffen am Montag folgen zwei weitere am 19. November und 10. Dezember (jeweils um 14 Uhr) in der Stadtbücherei Glashütte. Die Hilfe der Schüler ist kostenfrei.

Fest steht schon jetzt: Die Idee kommt gut an. Bei der Premieren-Sprechstunde kamen 15 Senioren in die Bücherei. Während der Wartezeit haben sie sich untereinander ausgetauscht. Anschließend konnten sie den Schülerinnen ihre Probleme mit dem Smartphone oder Tablet schildern. „Viele ältere Menschen haben ein Handy von ihren Kindern oder Enkelkindern geschenkt bekommen und wissen nicht, was sie damit anfangen sollen“, sagt Ingo Tschepe (62), Leiter der Stadtbücherei. Die digitale Entwicklung sei eine Herausforderung für sie.

Soziale Netzwerke spielen kaum eine Rolle für Senioren

Passen Senioren und das Internet überhaupt zusammen? Natürlich! Exakt die Hälfte der älteren Deutschen nutzt mittlerweile das Internet. Das heißt: Knapp neun Millionen von ihnen surfen im Netz. Das geht aus dem Jahresbericht „Aktiv im Alter“ hervor, den das Deutsche Statistische Bundesamt vor Kurzem vorgestellt hat. Demnach gelangen 44 Prozent der Senioren über das Smartphone ins Internet, jeder Vierte über einen tragbaren Computer.

Die Schülerinnen Leonie Mahlitz und Karolina Hin (v.l.) vom Lise-Meitner-Gymnasium beantworten Senioren Fragen zum Umgang mit dem Smartphone
Die Schülerinnen Leonie Mahlitz und Karolina Hin (v.l.) vom Lise-Meitner-Gymnasium beantworten Senioren Fragen zum Umgang mit dem Smartphone © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Angekommen im World Wide Web, sind vor allem E-Mails sehr beliebt. Neun von zehn Menschen über 65 Jahre rufen E-Mails ab und verschicken sie. Zudem nutzen sie das Internet, um nach Waren oder Dienstleistungen zu suchen (86 Prozent) oder sich über Reisen zu informieren (64 Prozent). Nur eine untergeordnete Rolle spielen dagegen die sozialen Netzwerke. Gerade einmal jeder Fünfte ist auf Facebook, Twitter oder Instagram aktiv.

Hildegard Zingler kann auf den technischen Schnickschnack gut verzichten. Die 82-Jährige hat vor drei Wochen ein Smartphone von ihrer Tochter in die Hand gedrückt bekommen. „Beim ersten Mal habe ich gedacht, ich drehe durch“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Diese 1000 Funktionen haben mich nervös gemacht.“ Inzwischen öffnet sie ohne Probleme das Fotoalbum auf ihrem Handy und zeigt Bilder der Enkelkinder. Zingler: „Ich bin kein Medienmensch. Mein Tablet liegt seit Weihnachten zu Hause im Schrank.“

Schülerinnen nehmen sich viel Zeit bei Erklärungen

Das Angebot, sich von Schülern die digitale Welt erklären zu lassen, nimmt sie trotzdem gern an. Zingler ist mit dem Wunsch gekommen, ihrer Familie Fotos per WhatsApp schicken zu können. „Das soll aber nicht zu meiner Hauptbeschäftigung werden. Dann reden wir ja gar nicht mehr miteinander.“

Leonie und Karolina nehmen sich Zeit bei ihren Erklärungen. Leicht verständlich und mit ruhiger Stimme beantworten die Gymnasiastinnen die Fragen der Senioren. „Das fällt uns nicht schwer. Im Gegenteil – es macht uns Spaß“, sagen sie. Als Dank haben sie bereits Schokolade von einer Frau bekommen. „Die bringe ich euch das nächste Mal auch mit“, sagt Marlene E. Denn: Sie kommt definitiv wieder.

Smartphone-Sprechstunde Mo 19.11. und 10.12., jeweils 14 Uhr, Stadtbücherei Glashütte, Mittelstraße 62, Eintritt frei