Norderstedt . Der EU-Jugendbotschafter Ali Mahlodji rüttelte am Mittwoch im Kulturwerk Jugendliche wach. Und macht ihnen gleichzeitig Mut.

OPS Support Manager. Infrastructure Engagement. Director Collective Action. GMP Compliance. Als ob die Welt nicht schon kompliziert genug, da geben wir unseren Jobs auch noch Namen, die kein Mensch mehr versteht. Dabei sind der Key Account Manager, Proposal Manager oder der Engagement Manager eigentlich ein- und dasselbe – Verkäufer.

Hat sich eigentlich mal irgendjemand Gedanken darüber gemacht, wie das bei einem Jugendlichen ankommt, der mitten in der Pubertät steckt, gegen Pickel und Orientierungslosigkeit kämpft und keinen blassen Schimmer hat, wo er seinen Platz in der Arbeitswelt finden soll, wenn er in ein paar Jahren aus der Schule heraus fällt?

Ja, einer hat sich diese Gedanken gemacht. Der Wiener Ali Mahlodji. Der steht am Mittwoch auf der Bühne des Kulturwerks in Norderstedt und gibt den etwa 200 Schülern im Saal Entwarnung. „Wenn euch einer fragt, was ihr in zehn Jahren mal sein werdet, dann schämt euch nicht wenn ihr sagt, ich weiß es nicht.“ Denn die, die das oft fragen – Eltern, Lehrer, Erwachsene im Allgemeinen – die gehen von ihren (überkommenen?) Erfahrungen aus. „Aber 65 Prozent aller Jobs, in denen die Menschen in zehn Jahren arbeiten werden, existieren heute noch gar nicht“, sagt Mahlodji. „Aber das ist jetzt keine Einladung für euch, sich aufs Sofa zu setzen, in den Computer zu starren und zu sagen – och, mein Job existiert noch nicht. Dann warte ich mal, bis er kommt – könnt’ ihr vergessen.“

Da kichern die Norderstedter Schüler. Sie kommen vom Berufsbildungszentrum, aus den Deutsch als Zweitsprache-Klassen (DAZ), aus den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen der Stadt. Ali Mahlodji – Gründer der Online-Plattform Whatchado, EU-Jugendbotschafter und international agierender Mutmacher für Jugendliche – ist für den Diversity-Tag nach Norderstedt gekommen, um die Kids der Stadt wachzurütteln. Es ist Dein Leben! Du entscheidest! Lass Dir Deine Träume nicht nehmen! Hör’ nicht auf die, die sagen, was du alles nicht kannst! Vertraue deinen Fähigkeiten! Das ist Mahlodjis Credo. Erwachsen aus seiner Lebenserfahrung.

Mit den Regime kritischen Eltern aus Teheran geflüchtet nach Wien, dort aufgewachsen in Flüchtlingsheimen, bis zum Alter von 14 Jahren nur in gebrauchten Klamotten der Caritas unterwegs, von Gleichaltrigen als „Brauner“ und Ausländer geschmäht. Von den plötzlichen Trennung der Eltern so geschockt, dass er zum Stotterer wurde, schließlich die Schule abbrach, aus Angst vor der Prüfungssituation und dem Sprechen vor Menschen.

„Wenn ich mich dann als Ali für Jobs beworben habe, als Ausländer und Schulabbrecher, sagten die Chefs natürlich alle: Aber ja, bitteschön, hier: Ihr Job.“ Den Hagel an Absagen nahm er hin, ohne zu hadern und sich in der Opferrolle zu verlieren. Die Schuld für das Scheitern bei anderen zu suchen war Mahlodji zu billig. Stattdessen fragte er bei jeder Firma an die ihn nicht wollte, wie er besser werden könnte, um den Job beim nächsten Mal zu bekommen. Das habe ihn stark gemacht.

Schließlich erinnerte er sich an seine Kindheitsidee. Er wollte immer ein Buch mit Lebensgeschichten der Menschen schreiben. Damit Jugendliche nachschauen können, wie man Bundespräsident, Fußballstar, YouTuber oder – ja-- OPS Support Manager werden kann. Er gab die Idee nicht auf. Auch nicht nachdem er das Stottern besiegte, sein Abitur in der Abendschule nachgeholt hatte, ein Studium als Programmierer abschloss und schließlich richtig viel Kohle verdiente, einen dicken Audi A4 fuhr und glaubte, bis zur Rente so weitermachen zu können. „Aber in dem Job ging es nur um Geld, um das nächstgrößere Auto.“ Das ist nicht unwichtig, aber nicht das Wichtigste, sagt Mahlodji.

„Erfolg hast du im Leben nur, wenn du freiwillig etwas machst, das dir Spaß macht und mit dem du die Welt veränderst.“

Mahlodji schmiss den gut dotierten Job und setzte sich mit Jugendfreunden zusammen und programmierte die Seite Whatchado, ein Portal, auf dem er bis heute 6500 Lebensgeschichten von Menschen aus 100 Nationen gesammelt hat. Der ultimative Wegweiser durch die undurchschaubare Berufswelt. Über 2,7 Millionen Klicks hat die Seite im Monat. Unzählige Jugendliche stellen hier die Weichen für die eigene Zukunft. Mahlodjis Kindheitsidee ist für Anfänger auf dem Arbeitsmarkt der Kompass und sie hat aus dem kleinen Ali einem glücklichen und zufriedenen Unternehmer gemacht.

Manchmal klingt Mahlodji im Kulturwerk auch wie der strenge Papa. So nach dem Motto: Bekomm’ den Hintern hoch, du hast zwei gesunde Hände, geh’ arbeiten. Hängen lassen, Faul sein, Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben und seinen Chancen – all das akzeptiert Mahlodji nicht. Er will den Jugendlichen nicht vormachen, dass es ein leichter Weg ist, seine Träume wahr zu machen. Nur, dass es der wahrscheinlich einzige Weg ist, der sich richtig lohnt.

Der DiversitiyTag wurde vom Projekt Interkulturelle Öffnung der Flüchtlings- und Migrationsarbeit Norderstedt organisiert, in Kooperation mit Partizipieren statt Resignieren und der Integrationsbeauftragten von Norderstedt, Heide Kröger