Norderstedt. Ein Vater (73) und sein Sohn (31) sind angeklagt, in einem Einfamilienhaus in Glashütte Marihuana im großen Stil produziert zu haben.

Im Mai 2016 flog alles auf. Eine anonyme Anruferin teilte der Norderstedter Polizei per Telefon mit, dass in einem Einfamilienhaus im Norderstedter Stadtteil Glashütte im großen Stil Cannabis angebaut werde. Betreiber seien ein Vater und sein Sohn. Die Drogenfahnder stellten fest, dass in dem Haus der Stromverbrauch extrem hoch war – ein sicheres Indiz für Drogenanbau. Die Cannabis-Pflanzen benötigen viel Wärme bei der Aufzucht.

Bei der Durchsuchung des Hauses im Juni 2016 soll es den Drogenfahndern die Sprache verschlagen haben: Die Plantage im Keller erstreckte sich über drei bis zu 30 Quadratmeter große Räume. 150 Cannabis-Pflanzen stellten die Beamten sicher, dazu mindestens zehn Pakete mit verkaufsfertigem Marihuana. 16.000 Euro in bar fanden die Drogenfahnder im Haus der Norderstedter Familie und insgesamt mehr als 100.000 Euro auf den Konten von Vater, Sohn und Mutter, laut Polizei mutmaßliche Erlöse aus dem Drogengeschäft.

Im Zentrum der Ermittlungen steht der 73 Jahre alte Vater. Auch nach eigenen Aussagen soll er die treibende Kraft in der Cannabis-Plantage gewesen sein. Ein Mann, der bislang in der Norderstedter Öffentlichkeit nicht als Drogendealer aufgefallen war. Sondern als Handwerksmeister und Heizungsbauer. Als Aktivposten und überaus engagierter Nachbarschaftshelfer im Stadtteil Glashütte. Dort packte er bei städtischen Urban-Gardening-Projekten in den Hochhaussiedlungen an der Mittelstraße mit an. Baute einen Grillplatz mit auf, für die Nachbarschaftspflege. Eine angestammte und gut vernetzte Glashütterin sagt: „Ein toller Mann! In Glashütte kennt man ihn gut. Er ist den Menschen zugewandt, immer hilfsbereit und hat auch viel mit dem Familienzentrum zusammengearbeitet.“ Wie konnte so einer auf die Idee kommen, Drogen anzubauen?

Angeklagte sollen mindestens 24 Kilo geerntet haben

Vor dem Schöffengericht Norderstedt standen Vater und Sohn nun als Beschuldigte. Die Staatsanwaltschaft sprach in der Anklage von einer „außerordentlich professionellen Aufzuchtanlage“, in der sie nachweislich mindestens 24 Kilogramm Marihuana geerntet und dafür 77.000 Euro auf dem Drogenmarkt kassiert haben sollen.

Im Prozess nahm der Handwerksmeister die ganze Schuld auf sich. Sein Sohn, ließ der Vater seinen Verteidiger erklären, habe mit der ganzen Sache nichts zu tun. Der Sohn selbst verweigerte die Aussage.

Sein Vater hingegen legte eine umfängliche Beichte vor Amtsrichter Matthias Lohmann und seinen Schöffen ab. Als Motiv für seinen Einstieg ins Drogengeschäft nannte der Rentner seine finanzielle Situation. Von einer kleinen Rente von 450 Euro im Monat konnte er seinen Lebensstil nicht finanzieren. Nach einem Zufallsfund im Keller des verstorbenen Bruders seiner Frau griff dann irgendwie ein Rädchen ins andere: Alle Bestandteile für den professionellen Cannabis-Anbau habe der verstorbene Schwager im Keller gehabt. Der Angeklagte vor Gericht: „Ein guter Bekannter gab mir im Herbst 2014 den Tipp, ein Drogenlabor aufzubauen. Jeder hat doch schon mal gekifft. Für mich war das nichts.“

Der „Bekannte“ half auch bei der Installation des Labors und soll hinterher der einzige Abnehmer für das Marihuana gewesen sein, der Mann, der das Norderstedter Grass zu Geld machte. Den Namen des großen Unbekannten wollte der Angeklagte dem Gericht nicht preisgeben. „Der neigt zu Gewalttätigkeiten!“ Er habe den Dealer immer im nahen Industriegebiet Glashütte getroffen und dort die Ware in abgepackten 250-Gramm-Beuteln übergeben. Laut Staatsanwaltschaft kassierte der Angeklagte 3200 Euro pro Kilo. Nach Schätzung der Drogenfahnder produzierte das Labor pro Monat bis zu drei Kilogramm Marihuana. „Ich habe erst bemerkt, in was ich da geraten war, als der Bekannte sagte, wenn wir erwischt würden, dann hätte er nichts damit zu tun“, sagte der 73-Jährige aus.

Der Drogengewinn sei in die Finanzierung des Alltagslebens geflossen, sagte der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft sieht das ganz anders. Sie ist überzeugt, dass sich das Duo mit dem Drogenverkauf eine dauerhafte Einnahmequelle zur Finanzierung eines luxuriösen Lebensstils sichern wollte. So hätten sich der 73-Jährige und seine Frau unter anderem eine Westafrika-Kreuzfahrt und eine Tour mit dem Wohnmobil durch die Türkei geleistet.

Ehefrau wurde drei Stunden lang von der Polizei verhört

Seinen illegalen Handel konnte der Norderstedter vor seiner Ehefrau nicht mehr geheim halten. „Als meine Frau Wind von der Drogenplantage bekam, wollte sie die Trennung. Ich habe dann dem Abnehmer gesagt, dass ich das nicht mehr will. Dann hat er sich seltsamerweise nicht mehr gemeldet. Aber es ging eine anonyme Anzeige bei der Polizei ein. Wer außer ihm soll das gewesen sein?“

Im Gericht sitzt die Frau des Handwerksmeisters an dessen Seite, ihre Hand auf der seinen. Auch sie wurde nach dem Zugriff der Polizei im Drogenlabor drei Stunden von Polizisten verhört. „Obwohl sie gar nichts sagen kann zu dem Fall“, wie ihr Mann vor Gericht beteuert. Sie würde seit 25 Jahren Medikamente gegen Schmerzen benötigen. Er hatte auch gehofft, das Marihuana könnte ihr helfen. „Hat es aber nicht.“

Handschriftlich hatte der 73-Jährige im Verhörprotokoll hinzugefügt, dass er die Tat bereue und er in Zukunft ein guter Staatsbürger sein wolle. Dass er in dem Protokoll auch seinen Sohn der Mittäterschaft bezichtigte, davon nahm er im Gerichtssaal wieder Abstand. Nach seinen Worten hatte ihn ein Polizeibeamter unter Druck gesetzt, damit er alles gestehe. Er habe das nur gesagt, damit er seine ebenfalls inhaftierte Ehefrau frei bekommen konnte.

Im Zeugenstand vor Richter Lohmann widersprach der Vernehmungsbeamte dieser Darstellung. Ob der Sohn bei der Drogenproduktion mitgeholfen hat oder nicht, blieb am ersten Verhandlungstag offen. Der 31-Jährige war nach den Ermittlungen des Drogenfahnders beim Betreiben des Drogenlabors entscheidend beteiligt. Bei der Durchsuchung seines eigenen Hauses stellten die Polizisten 1300 US-Dollar und Drogen „in einer nicht geringen Menge“ sicher. Es soll sich um ein Glas mit mehreren Gramm Marihuana gehandelt haben.

Der Prozess wird am Freitag, 6. April in Saal F des Amtsgerichts fortgesetzt. Beginn: 9.30 Uhr. Ein weiterer Termin ist am 12. April, Beginn: 9.15 Uhr.