Kreis Segeberg. Krankenhäuser wegen Grippe und Norovirus überlastet. Rettungswagen werden mehrfach von Kliniken abgewiesen.

Die Mitarbeiter des Rettungsdienstes im Kreis Segeberg sprechen von einer extrem schwierigen Situation. Die Krankenhäuser sind derzeit so hoch ausgelastet, dass die Besatzungen der Rettungswagen immer mehr Mühe haben, ihre Patienten unterzubringen. In der vergangenen Woche kam es zu mindestens zwei Zwangseinweisungen: Obwohl die Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg und die Asklepios-Klinik in Hamburg ihre Notaufnahmen wegen Überfüllung gesperrt hatten, fuhren die Rettungswagen Patienten dorthin und pochten auf die Rechtslage: Jedes Krankenhaus ist verpflichtet, eine Erstversorgung sicherzustellen.

Nur „im äußersten Notfall“ greife man zum Mittel der Zwangsbelegung, hieß es aus der Rettungsleitstelle in Norderstedt, die sämtliche Einsätze des Rettungsdienstes und der Feuerwehr im Kreis Segeberg koordiniert. „Aber wir hatten keine Wahl. Wir können ja nicht einen Notfallpatienten von Norderstedt nach Flensburg fahren, weil dort ein Bett frei ist.“

Situation in Kliniken offenbar dramatisch

Die Leitstelle stellt bei Grippewellen wie dieser außerdem fest, dass Krankenhäuser außerhalb der Region bei der Aufnahme externer Patienten zunehmend zurückhaltend sind. Schon öfter haben die Retter des Kreises Segeberg aus Hamburger Krankenhäusern oder der Klinik in Neumünster gehört, dass man sich dort vorrangig über die eigenen Patienten kümmern müsse.

Die Situation in den Krankenhäusern ist offenbar dramatisch. Patienten mit Grippe oder dem Norovirus belegen die Betten, die Kapazitäten sind ausgereizt. Nach Abendblatt-Informationen soll in einem Fall ein Patient vorübergehend auf einer Behinderten-Toilette untergebracht worden sein, weil Zimmer und Flure voll waren.

Auch die Pflegedienstleiterin der Paracelsus-Klinik, Judith Schöll, spricht von einer „schwierigen Situation“. Nicht nur der Ansturm der Patienten ist ungewöhnlich groß, auch die Ausfälle beim Pflegepersonal sind wegen eines sehr hohen Krankenstands kaum noch zu kompensieren. „Zum Teil können wir unsere Mindestbesetzung nicht aufrecht erhalten“, sagt Judith Schöll.

Weitere Faktoren führen dann dazu, dass die Kapazitäten der Paracelsus-Klinik nicht mehr ausreichen: Das Krankenhaus ist relativ klein. Viele Betten bleiben unbelegt, wenn Patienten mit Grippe oder Durchfallerkrankung isoliert werden müssen und allein in Zwei- oder Vierbettzimmern liegen. „Das ist bei uns ein Riesenproblem“, sagt Judith Schöll.

Rotes Kreuz spricht von dramatischer Situation

„Die Belastung des Systems an dieser Stelle ist zu groß“, sagt Stefan Gerke, Geschäftsführer des Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes, der gemeinsam mit der Norderstedter Hilfsorganisation KBA für die Notfallrettung im Kreis Segeberg verantwortlich ist. Er nennt drei Beispiele, die die nach seiner Ansicht dramatische Situation verdeutlichen:

Zwei Minuten vor der Ankunft eines Notfallpatienten im Hamburger Albertinen-Krankenhaus erfährt die Besatzung eines Rettungswagens, dass die Klinik in Schnelsen gesperrt ist. Sie fahren trotzdem weiter zur Notaufnahme und werden dort mit den Worten „Wir sind gesperrt, fahrt woanders hin“ abgewiesen.

Ein Patient aus Bimöhlen soll mit schweren neurologischen Problemen in Neumünster eingeliefert werden. Dort wird er nicht einmal untersucht, der Rettungswagen muss nach Bad Segeberg weiterfahren.

Ebenso ergeht es einem Patienten aus Bad Bramstedt, der einen Kreislaufkollaps erlitten hatte.

„Dabei gilt die Regel, immer das nächst gelegene Krankenhaus anzufahren“, sagt Gerke. Auch ihm ist aufgefallen, dass das Heidberg-Krankenhaus und die Klinik in Neumünster besonders häufig gesperrt werden.

Der Kreis hat bereits vor der Grippewelle ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu ermitteln, ob die Zahl der Rettungsfahrzeuge im Kreis Segeberg ausreicht. Schon jetzt sind alle Experten sich darin einig, dass der Bedarf nicht gedeckt ist. „Doch was nützen uns neue Autos, wenn wir die Patienten nicht loswerden?“, fragt ein Mitarbeiter der Leitstelle in Norderstedt.

Auch für Gerke ist klar, dass dringend aufgestockt werden muss: „Wir warten händeringend auf mehr Fahrzeuge und Personal.“ Doch darüber entscheiden die Kostenträger – die Krankenkassen.