Henstedt-Ulzburg. Die Planung für die „Ostküstenleitung“ geht in die nächste Phase. Doch der Widerstand in Henstedt-Ulzburg ist ungebrochen.
Das Dilemma ist greifbar. Wie die meisten Menschen in Deutschland wollen auch die Henstedt-Ulzburger eine erfolgreiche Energiewende, das Ende der Atomkraft, das nachhaltige Nutzen erneuerbarer Energien – im Norden vor allem Wind aus Offshore-Anlagen.
Eines der zentralen Infrastrukturprojekte hierfür in Schleswig-Holstein, die sogenannte Ostküstenleitung von Ostholstein bis zur Autobahn 7, geht in der kommenden Woche in seine nächste Phase über. Die 380.000-Volt-Trasse ersetzt eine bestehende 220.000-Volt-Leitung, sodass für die Zukunft ausreichend Transportkapazitäten für den erzeugten Strom vorhanden sein sollen. Und zwar im Bereich Henstedt-Ulzburg teilweise unterirdisch als Erdkabel unter den Pinnauwiesen, es ist ein Pilotprojekt mit hoher landespolitischer Bedeutung. Für Ende März wird erwartet, dass der Netzbetreiber Tennet die Planfeststellungsunterlagen einreicht – und dann auf erheblichen Widerstand aus der Großgemeinde trifft.
Gemeinde fordert eine Leitung entlang der A 20
Denn aus Sicht nicht nur vieler Bürger, sondern auch der Verwaltung und fast aller Politiker ist die Trassenführung inakzeptabel. Das wurde am Montagabend auch Tobias Goldschmidt, dem zuständigen Staatssekretär im Kieler Energiewendeministerium, im Gespräch mit Bürgermeister Stefan Bauer, dem Ältestenrat – also Bürgervorsteher Dietmar Kahle und die Fraktionsvorsitzenden – sowie den Landtagsabgeordneten Ole Plambeck (CDU) und Stephan Holowaty (FDP) vermittelt. Bei diesem vertraulichen Treffen im Rathaus wurde wieder deutlich, wie weit die Positionen auseinanderliegen. Die Gemeinde besteht darauf, dass die Leitung einen anderen Verlauf nehmen müsse – und zwar nördlich von Kaltenkirchen entlang der künftigen Autobahn 20.
„Eine Zusammenführung von Autobahn und Stromtrasse ergibt Sinn, weil dort Emissionen gebündelt würden und bereits dadurch geringere Raumwiderstände ausgelöst werden als mit einer Trasse quer durch Henstedt-Ulzburg“, betont Bürgervorsteher Kahle. Land und Tennet verfolgen jedoch das Erdkabelprojekt, wenngleich der Betreiber immerhin „konkrete Aussagen zur A-20-Trasse“ (Goldschmidt) machen soll. Bürgermeister Bauer fordert hingegen zuerst eine Aussage des Landes, ob es überhaupt eine Bereitschaft gebe für eine Verlegung an die Autobahn 20.
Eine weitere Alternative wäre ein Verlauf entlang der Bestandstrasse, also durch Wohngebiete und durch den Rantzauer Forst. Das wiederum wäre für Henstedt-Ulzburg erst recht ein Schreckensszenario. Stefan Bauer wurde auch deswegen bereits im Mai 2015 durch die Gemeindevertretung ermächtigt, mit allen Mitteln gegen eine Verwirklichung des Vorhabens in der geplanten Form vorzugehen. „Das war aber kein grundsätzlicher Beschluss gegen die Energiewende und die Ostküstenleitung“, sagt er vorsichtshalber.
Im April, diese Zusage hat der Bürgermeister erhalten, werde Tennet im Umwelt- und Planungsausschuss die Planungen im Detail noch einmal vorstellen sowie „Rede und Antwort stehen“. Trotzdem wird sich die Gemeinde formal im Planfeststellungsverfahren äußern, dass man nicht einverstanden sei. „Es gibt keinen Grund, von der Ablehnung abzukehren.“ Zusätzlich gibt es längst eine Interessengemeinschaft sämtlicher betroffener Grundeigentümer, die gleichlautende Einwände einbringen werden.
Die Gegner sind für eine Klage bereits gerüstet
Mehr noch: Schon jetzt wurde Geld gesammelt, um für eine mögliche Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss vor dem Bundesverwaltungsgericht gerüstet zu sein. „Die Front steht“, sagt Tile Abel. Der Landwirt, der auch die Fraktion der BfB (Bürger für Bürger) leitet, ist doppelt betroffen, denn auf seinem Grundstück an der A 7 soll ein zehn Hektar großes Umspannwerk entstehen. „Das wäre der Startschuss für weitere Stromleitungen.“ Abel droht sogar eine Enteignung, wenn er einem Verkauf nicht zustimmt.
Die Gegenseite weiß, dass die Positionen eigentlich unvereinbar sind. Mathias Fischer, Pressesprecher von Tennet, antwortet eher reserviert auf die Frage, ob denn eine einvernehmliche Lösung in den nächsten Monaten überhaupt noch möglich sei. „Aufgrund der inzwischen fortgeschrittenen Zeit haben wir die Gemeinde im jüngsten Gesprächstermin darauf hingewiesen, dass dies nach Einreichung der Planfeststellungsunterlagen im Rahmen des formalen Genehmigungsverfahrens geschehen wird, wenn nicht vorher eine gemeinsame Lösung gefunden werden kann.“