Henstedt-Ulzburg. Nach dem Insolvenzantrag bangen Mitarbeiter in Henstedt-Ulzburg um ihre Jobs. Scharfe Kritik an Konzernchef Krukemeyer
Es ist zwei Wochen her, dass die private Paracelsus-Gruppe, zu der auch die gleichnamige Klinik in Henstedt-Ulzburg gehört, unmittelbar vor Weihnachten Insolvenz angemeldet hat. Seitdem ist die Unsicherheit in der Region groß: Es geht um rund 500 Arbeitsplätze allein in der Großgemeinde, darum, welche Zukunft das für die Versorgung wichtige Krankenhaus hat, ob Abteilungen geschlossen werden müssen oder die Klinik sogar zum Verkauf steht. Zumindest eine Schließung des Hauses in Henstedt-Ulzburg hat der Konzern mit Sitz in Osnabrück ausgeschlossen. Aber welche Sanierungsmaßnahmen den Standort treffen könnten, ist noch völlig unklar. Das Abendblatt hat ehemalige, auch hochrangige Mitarbeiter gesprochen, um mehr über die Probleme herauszufinden. Fast alle wollten anonym bleiben.
In Henstedt-Ulzburg gab es seit 2010 sechs Direktoren
„Die durchlaufen jetzt einen sehr harten Sanierungsprozess“, heißt es von einem Fachmann aus der Krankenhausszene. Ganz überraschend kam die Nachricht von der Insolvenz für einige Mitarbeiter offenbar nicht. Schon länger seien die vielen Personalwechsel insbesondere an der Spitze der Klinik aufgefallen. Ein sehr aktuelles Beispiel: In Henstedt-Ulzburg ist jetzt einer der renommiertesten Ärzte ausgeschieden. Dr. Tobias Zeiser, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe, hat das Haus zum Jahresende verlassen. Die Personalie ist derartig frisch, dass der Medizinier sogar noch auf der Homepage aufgeführt ist. Über die Gründe gibt es weder von der örtlichen Klinikleitung noch aus Osnabrück nähere Informationen. Während sich Verwaltungsdirektorin Anke Franzke dazu überhaupt nicht äußert, sagt Kommunikationsdirektorin Simone Hoffmann: „Es stimmt, Dr. Zeiser hat aufgehört bei uns. Mehr kann ich leider nicht dazu sagen.“ Die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin laufe bereits. Für das Krankenhaus ist der Abgang ein herber Verlust, da vor allem die Geburtsabteilung einen guten Ruf weit über die Grenzen des Kreises Segeberg hinaus hat.
Auch auf Verwaltungsebene hat sich das Personalkarussell in den vergangenen Jahren schnell gedreht. Anke Franzke, eine Diplom-Kauffrau, ist seit wenigen Monaten die erste Frau an der Spitze der Verwaltungsdirektion, aber bereits die sechste Besetzung seit 2010. Am längsten hielt sich Matthias Stulpe-Diederichs, der von 2011 bis 2014 Verwaltungsdirektor war, seine Nachfolger wurden zum Teil schon nach wenigen Monaten wieder abgelöst. Wie es aus Klinikkreisen heißt, soll keiner freiwillig gegangen sein. „Ein falsches Wort, und schon wurde der betreffende Verwaltungschef von Herrn Krukemeyer gefeuert“, sagt ein ehemaliger leitender Mitarbeiter, der seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte. „Es gehörte nicht viel dazu, bei dem Konzernchef in Ungnade zu fallen.“ Auf verschiedenen Ebenen des Klinikkonzerns, auch in den medizinischen Bereichen, soll auf diese Weise vorgegangen worden sein. So seien auch die Regionaldirektoren oft schnell ausgewechselt worden. Dabei seien zumindest teilweise auch Abfindungen gezahlt worden.
Die problematische Zusammenarbeit mit dem als menschlich schwierig geltenden Manfred Georg Krukemeyer, dem Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung, sei in den Kliniken ein Dauerthema. „Der Fisch fängt immer am Kopf an zu stinken, im Falle der Paracelsus-Kliniken ist Krukemeyer der Kopf“, sagt der ehemalige Mitarbeiter. Heute sei es für die Paracelsus-Kliniken schwierig, qualifiziertes Führungspersonal für Medizin und Verwaltung zu bekommen. Der frühere Mitarbeiter bestätigt zudem, dass die Klinik in Henstedt-Ulzburg aus seiner Sicht immer noch defizitär arbeitet.
Dr. Claus Butt, der von 1978 bis 2003 als Belegarzt für Urologie zunächst in Kaltenkirchen später in Henstedt-Ulzburg tätig war, bestätigt diesen Eindruck: „In den vielen Jahren wechselte die Geschäftsführung frei nach Gutsherrenart alle paar Jahre den Leiter in Henstedt-Ulzburg aus, da dieser dem enormen Druck aus Osnabrück kaum standhalten konnte.“
Klinik in Kaltenkirchen wurde vor sieben Jahren geschlossen
Dass Manfred Georg Krukemeyer nicht immer zu langfristigen und strategischen Überlegungen neigt, zeigte sich bereits im Jahr 2010 in Kaltenkirchen. Das Aus für das Paracelsus-Krankenhaus dort war schon seit Jahren beschlossene Sache, doch was aus dem Komplex an der Alvesloher Straße werden sollte, blieb unklar. Vage Zukunftspläne wurden in die Welt gesetzt. Mal war von einem Palliativzentrum die Rede, mal von einem Zentrum für Darmkrankheiten, bis der damalige Bürgermeister Stefan Sünwoldt Klarheit anmahnte. Krukemeyer trat daraufhin spontan vor die Presse und kündigte offenbar unvorbereitet an: Die Notfallambulanz bleibt, eine psychosomatische Klinik und eine orthopädische Praxis kommen. Geworden ist daraus nichts. Jahre später verkaufte die Klinik-Gruppe das Gelände, jetzt entstehen dort Hunderte Reihenhäuser.
Heute, im Januar 2018, versuchen vier Männer, den gesamten Konzern zu retten. Geleitet wird der Umbau von Reinhard Wichels, dem Generalbevollmächtigten während des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Er ist Geschäftsführer einer Unternehmensberatung aus München (WMC Healthcare), die sich auf den Gesundheitssektor spezialisiert hat, ihm stehen die Juristen Andreas Ziegenhagen und Daniel Fritz sowie Sachwalter Rainer Eckert zur Seite. 2017 lag der Verlust im zweistelligen Millionenbereich, verursacht durch die Krankenhaussparte, während der Rehabereich besser läuft. „Paracelsus hat gute Chancen, als Unternehmen weiter zu existieren“, sagt Wichels. „Es wird entscheidend sein, dass die hoch qualifizierten und motivierten Mitarbeiter bei Paracelsus an Bord bleiben“, sagte er. Der Verkauf einzelner Krankenhäuser sei nicht unbedingt das Ziel. „Das Unternehmen hat das Potenzial, im Ganzen zusammenzubleiben – und das wäre erst einmal im Interesse aller Beteiligten. Einige Abteilungen werden voraussichtlich mit weniger Personal auskommen. Aber all diese Leute sind hoch qualifiziert.“
Bis März soll die Strategie feststehen. In Henstedt-Ulzburg gehen die Politiker schon jetzt auf das Unternehmen zu. Der CDU-Landtagsabgeordnete Ole Plambeck hat sich zu einem Gespräch mit Anke Franzke verabredet. „Es kann darin eine Chance liegen, wenn sich der Konzern selbst bereinigt“, sagt Plambeck, der auch finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. „Das andere sind die örtlichen Gegebenheiten in Henstedt-Ulzburg. Wir sprechen schon länger über eine Anbindung der Klinik an die Schleswig-Holstein-Straße.“ Und genauso lange scheiterte die Idee am Nein des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr. Eine neue Anbindung würde den Standort zukunftsfähiger machen, findet auch die örtliche CDU. Und wird deswegen am 15. Januar im Umwelt- und Planungsausschuss beantragen, dass Bürgermeister Stefan Bauer erneut mit dem Verkehrsministerium und dem LBV über eine mögliche Zufahrt verhandeln soll.