Norderstedt . Die Stadt Norderstedt macht mobil: Die Sozialarbeiter sollen künftig dort auftauchen, wo Kinder und Jugendliche sich treffen.
Wer zurück denkt an seine Jugend, der erinnert sich, dass das schon immer so war: Es gibt Jugendliche, die gehen ins Jugendhaus. Die meisten aber machen einen Bogen drumherum. In Norderstedt leben derzeit etwa 16.000 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 27 Jahren, sie sind die per Sozialgesetzbuch definierte Zielgruppe der Jugendarbeit. Doch 81,6 Prozent betreten in ihrer Freizeit niemals ein Jugendhaus, 13,4 Prozent ab und zu und nur 9 Prozent häufig.
Die Norderstedter Politik will sich mit dieser Situation nicht länger abfinden. Nach vier langen Jahren der Diskussion und Begutachtung haben die Fraktionen im Jugendhilfeausschuss gemeinsam die Neuausrichtung der Jugendarbeit beschlossen. Der Tenor: Die Jugendsozialarbeiter werden mobil gemacht, sie gehen dorthin, wo Kinder und Jugendliche sich treffen. Die Zeit des passiven Anbietens von Freizeitaktivitäten und Beratung ist vorbei.
„Wir müssen der Jugendarbeit ein neues Gesicht geben“, sagt Cathrin Müller-Schoenemann (CDU), Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. „Die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen hat sich stark verändert. Die Angebote in Norderstedt waren nicht mehr zeitgemäß.“
2,75 Millionen Euro stehen im Haushalt für die Jugend bereit. Ausgegeben wird das Geld zum einen für die Sozialarbeit in den Schulen, zum anderen für die sogenannte Offene Kinder- und Jugendarbeit am Nachmittag. Künftig sollen beide Bereiche streng getrennt agieren. In den Schulen stehen die schulische Laufbahn und damit verbundene Probleme im Vordergrund. In der offenen Arbeit die Freizeitgestaltung – dort, wo sie der lange Schulalltag, die Nachmittagsbetreuung und die Aufmerksamkeit der Jugendlichen für Handy, soziale Netzwerke und Computerspiele noch zulässt.
„Wir halten ein gut ausgestattetes Netz aus Einrichtungen vor“, sagt Katrin Schmieder, Jugendhilfeexpertin der Grünen. „Die Kosten sind hoch, und wir haben genug Personal, um deutlich mehr Kinder und Jugendliche als bisher zu erreichen. Bislang ist das noch nicht sehr ausgewogen.“
Sybille Hahn, die sich in der SPD-Fraktion seit vielen Jahren durch ihre Kompetenz in der Jugendpolitik ausweist, betont die Freiwilligkeit der Angebote: „Bei aller Neuausrichtung ist zu beachten: Es heißt Offene Jugendarbeit. Die kann den Kindern und Jugendlichen in Norderstedt nicht verordnet werden.“ Das „funktionierende Kind“ sei nicht gewollt. Ziel der Jugendarbeit sei es, die Selbstbestimmung der Jugendlichen zu fördern, sie zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engagement anzuregen.
Die konkreten Maßnahmen in der Praxis fußen auf den Empfehlungen des Jugendhilfeexperten Professor Ulrich Deinet vom Institut für sozialraumorientierte Praxisforschung und Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Er attestierte der Kinder- und Jugendarbeit in Norderstedt in einem umfassenden Gutachten auffallend mangelnde Mobilität. Als Reaktion darauf sollen die Jugendsozialarbeiter nun verstärkt an den Lieblingsorten der Jugendlichen auftauchen – am Herold-Center, im Stadtpark oder auf gewissen Spielplätzen. Dazu bekommen sie ein zusätzliches Spielplatzmobil (24.000 Euro). Ein Fidibus mit Sport- und Spielangeboten für die Kinder ist bereits in der Stadt unterwegs. Mit einem neuen Jugendmobil, einem Kleintransporter mit Sportgeräten und technischer Ausstattung (36.000 Euro) sollen die Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren erreicht werden.
Was die Jugendhäuser angeht, den Bunker in Norderstedt-Mitte, die Einrichtungen an der Glockenheide und am Buschweg, so hatte Professor Deinet Transparenz angemahnt. Immer noch gebe es kein belastbares Berichtswesen in den Häusern. Sprich: Die tatsächlichen Besucherzahlen werden nicht ehrlich erfasst. Doch das rette den Bestand der Einrichtung auf Sicht nicht. Die Häuser müssten gemeinsam mit den Jugendlichen ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln, ihre Öffentlichkeitsarbeit drastisch verbessern und Öffnungszeiten und Angebote an die Wünsche der Jugendlichen anpassen. Die Kommunalpolitik hat es deutlich formuliert. Das neue Konzept der Jugendarbeit sei offen und könne jederzeit verändert werden. „Wir schauen jetzt ein Jahr lang, wie das ganze funktioniert“, sagt Katrin Schmieder. Es werde jetzt „nichts weggenommen“, was nicht heißt, dass dies in Zukunft nicht noch der Fall sein könnte.