Norderstedt. Ob Schals, Bälle oder Rucksäcke: 17 der 18 Vereine der 1. Liga ordern ihre Werbeartikel bei der Firma Merchandising Consulting Grove.

Ein Fußballspiel verläuft nach festen Regeln – und Ritualen. Und zwar in jedem Stadion der Welt. Die 1. Bundesliga ist hierfür Wochenende für Wochenende ein perfektes Beispiel. Wenn die Vereinshymne eines Heimteams wenige Minuten vor Anpfiff ertönt – etwa „Hamburg meine Perle“ beim HSV –, recken Zehntausende Fans Schals in den Clubfarben in die Höhe. Kaum ein Anhänger kommt in zivil, die Insignien der Treue verdeutlichen Loyalität und Traditionsbewusstsein. Der Besuch eines Fanshops, insbesondere an einem Spieltag, zeigt aber auch: Merchandising ist ein Riesengeschäft. Der Branchenprimus FC Bayern München setzt pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro allein in diesem Segment um, jeder Profiverein hat sein Wappen und seine Farben auf den verschiedensten Artikeln.

Was weniger bekannt ist: Eine kleine Firma aus Norderstedt ist maßgeblich verantwortlich für Designs, Herstellung und Lieferwege. Die Referenzliste von Merchandising Consulting Grove (MCG) liest sich durchaus beeindruckend. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist vertreten, 17 von 18 aktuellen Bundesligisten gehören zu den Partnern, nur Werder Bremen fehlt. Dazu kommen Zweitligisten wie der FC St. Pauli, RasenBallsport Leipzig, der VfL Bochum, der 1. FC Kaiserslautern und Fortuna Düsseldorf sowie renommierte Drittligisten (Dynamo Dresden, 1. FC Magdeburg) plus der Schweizer Serienchampion FC Basel. Und das sind längst nicht alle Kunden – auch der THW Kiel oder die Eisbären Berlin vertrauen auf MCG. Nur eine Handvoll Unternehmen ist bundesweit ähnlich breit aufgestellt. Fußball dominiert den Alltag. „Ein spezielles Geschäft“, sagt Tillmann Grove. Der 27-Jährige führt gemeinsam mit seinem Vater Georg das Unternehmen. Sie brauchen nur ein kleines, dafür eingespieltes Team: zwei Einkäufer, eine Designerin, eine Mitarbeiterin für Vertrieb und Produktentwicklung, zwei Auszubildende zum Groß- und Außenhandelskaufmann, ein Lagerchef.

Die umsatzstärksten Clubs

Immer zu Jahresbeginn veröffentlicht das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte seine „Money League“, eine Liste der umsatzstärksten Fußball-Clubs der Welt (Angaben in Euro).

Zum Vergleich: Der Hamburger SV weist für die Saison 2014/2015 einen Umsatz von 128,1 Millionen Euro auf:

1. Real Madrid (577 Mio.)

2. FC Barcelona (560,8 Mio.)

3. Manchester United (519,5 Mio.)

4. Paris Saint-Germain (480,8 Mio.)

5. FC Bayern München (474 Mio.)

6. Manchester City (463,5 Mio.)

7. FC Arsenal (435,5 Mio.)

8. FC Chelsea (420 Mio.)

9. FC Liverpool (391,8 Mio.)

10. Juventus Turin (323,9 Mio.)

11. Borussia Dortmund (280,6 Mio.)

12. Tottenham Hotspur (257,5 Mio.)

13. FC Schalke 04 (219,7 Mio.)

14. AC Mailand (199,1 Mio.)

15. Atlético Madrid (187,1 Mio.)

16. AS Rom (180,4 Mio.)

17. Newcastle United (169,3 Mio.) 18. FC Everton (165,1 Mio.)

19. Inter Mailand (164,8 Mio.)

20. West Ham United (160,9 Mio.)

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Ein globales Netzwerk, aber kurze Wege im Büro, das hat sich bewährt, seitdem sich Georg Grove 2006 selbstständig machte. Neun Jahre lang hatte er zuvor beim HSV die Merchandising-Abteilung geleitet, sich branchenintern einen Namen gemacht – so initiierte er die wichtigste Fachmesse, die immer zu Jahresbeginn im Volksparkstadion stattfindet. „Meine ersten vier Klienten waren dann Bayern München, Borussia Dortmund, der HSV und der DFB.“

Mehrmals pro Jahr gibt es Treffen mit den Auftraggebern – meist fährt Tillmann Grove zusammen mit der Designerin durch die Republik, manche Clubs wie etwa der VfB Stuttgart oder Borussia Mönchengladbach kommen aber auch nach Norderstedt in den Showroom. „Man sitzt aber mit den Merchandising-Managern zusammen, mit den Wirtschaftsfachleuten, und nicht mit den Fußballern.“ Anhand eines Katalogs präsentieren sie Neuheiten für den Winter, das Frühjahr und den Saisonanfang. Dann sagen die Geschäftspartner, welche Designs sie gerne in ihrem Sortiment sehen würden. Tillmann Grove: „Es geht darum, traditionell, aber trotzdem modern zu sein. Fußball hat eine wahnsinnige Fan-Breite, die vom sechsjährigen Kind bis zum 80 Jahre alten Rentner, der seit 60 Jahren zu seinem Verein geht, reicht. Es gibt zwar regionale Unterschiede, aber die Emotionen sind immer die gleichen.“

Herausforderung: 110. Geburtstag des FCB

Fans beim Jubiläum 110 Jahre FC Bayern
Fans beim Jubiläum 110 Jahre FC Bayern © WITTERS | TimGroothuis

Der Anspruch ist hoch, wie Georg Grove aus Erfahrung weiß. „Bayern München vergleicht sich immer mit der Nummer eins beim jeweiligen Fachartikel, fragt konkret nach: Was sind die Trends bei Rucksäcken?“ Als der Rekordmeister vor sechs Jahren seinen 110. Geburtstag feierte, gab es eine Spezialorder: Fast die gesamte Allianz-Arena mit ihren 75.000 Plätzen – nur nicht die Auswärtsblöcke – sollte mit Schals bestückt werden. Die logistische Herausforderung war nicht ohne, aber pünktlich zum Spiel gegen Hamburg hing über jedem Sitz akkurat zusammengelegt das gewünschte Erinnerungsstück. „Und als im DFB-Pokalfinale im letzten Jahr der VfL Wolfsburg gegen Borussia Dortmund spielte, haben wir 20.000 Fahnen und 10.000 Autoschals geliefert“, erinnert sich Tillmann Grove. Auch das war kompliziert, schließlich musste wenige Stunden vor Anpfiff nicht nur am Olympiastadion in Berlin die Ware vor Ort sein, sondern parallel auch an drei weiteren Standorten.

Fast alle Fan-Artikel in Asien hergestellt

Ob nun Schals, Bälle, Taschen oder Rucksäcke: Fast alles kommt aus Fernost. Von Hongkong bis Shanghai befinden sich an der chinesischen Südwestküste die wichtigen Fabriken und Überseehäfen. Die Geschäftssprache ist Englisch, mehr als ein freundliches „Ni hao“ („Hallo“) müssen die Deutschen also nicht beherrschen. Tillmann Grove erklärt, wie die Abläufe sind: „Eine Fabrik ist 300 Kilometer von Shanghai entfernt. Dort empfängt der Frachtführer die Ware, in Hamburg geht es durch den Zoll, hier in Norderstedt empfangen wir die Lieferung zur Kontrolle. Das einzige Risiko sind eigentlich Naturkatastrophen. Mit unseren Fabriken arbeiten wir lange zusammen und lösen Probleme gemeinsam.“ Es gelte das hanseatische Kaufmannsprinzip: loyal, ehrlich, per Handschlag. „Die Chinesen mögen uns Deutsche, wir arbeiten nach dem gleichen Organisationsprinzip.“

In einem Fall bekam der FC Bayern rote Taschen geliefert, bei denen die Farbe nicht komplett getrocknet war. Das wurde erst nach drei Monaten bemerkt, 21.000 von 27.000 Teilen mussten vernichtet werden. „Innerhalb von zwei Monaten konnte eine neue Palette geliefert werden. Da macht sich ein guter Lieferant bemerkbar.“ Das Minimum für eine Bestellung sind übrigens 300 Teile, aber so geringe Mengen werden nur höchst selten angefragt. Nur eine Sache lässt sich bei all der Expertise der MCG-Mannschaft und der weltweit fein abgestimmten Logistik nicht beeinflussen: die sportliche Entwicklung. „Es gibt immer ein paar Vereine, die gegen den Abstieg spielen und weniger verkaufen. Darmstadt 98 ist hingegen im letzten Jahr mit den Bestellungen nicht mehr hinterher gekommen, als der Aufstieg in die erste Liga so langsam Realität wurde.“