Kiel/Kaltenkirchen. Richter sehen noch Klärungsbedarf bei den kriminaltechnisch ausgewerteten Handy-Verbindungen. Urteilsverkündung auf 2016 verschoben.
Doch noch keine Entscheidung im Rockerprozess um die Schüsse von Kaltenkirchen: Die am Mittwoch im Kieler Landgericht mit Spannung erwartete Urteilsverkündung im Prozess gegen den nach Thailand ausgewanderten Hells Angel Dennis F., 42, wurde von der 35. Großen Strafkammer auf Anfang Januar 2016 verschoben.
Der Grund: Die Richter sehen noch Klärungsbedarf bei den kriminaltechnisch ausgewerteten Handy-Verbindungen zwischen dem Opfer des Anschlags, das den Bandidos zugerechnet wird, und seinen Gegnern aus dem Kreis der Hells Angels. Das Gericht trat deshalb erneut in die Beweisaufnahme ein und prüfte eine Vielzahl von Kontaktdaten zwischen den Beteiligten.
Reichen die belastenden Indizien, um Dennis F. als Drahtzieher des bewaffneten Hinterhalts vom Januar 2009 gegen den Bruder eines Bandidos in Kaltenkirchen zu verurteilen? Das damals erheblich verletzte Opfer, 40, war von der heutigen Ehefrau, 25, des Hells Angels mit der Aussicht auf Sex auf einen abgelegenen Parkplatz an der Holstentherme gelockt worden.
Kaum war der Mann aus dem Pkw des Lockvogels ausgestiegen, wurde er von zwei Maskierten niedergeschossen. Seitdem ist er schwerbehindert. Die Frau, damals 19 Jahre alt, ließ den Verletzten am Tatort liegen. Sie wurde später wegen Beihilfe und unterlassener Hilfeleistung verurteilt.
Sobald das Urteil gegen die Frau im Sommer 2012 rechtskräftig war, sollte sie bei der Polizei als Zeugin gegen ihren mutmaßlichen Auftraggeber aussagen. Doch unmittelbar vor dem angekündigten Vernehmungstermin heiratete das Paar. Mit Ehering brauchte der Lockvogel nicht zu singen. Die heutige Betreiberin eines Tattoo-Studios berief sich auch noch auf ihr Aussageverweigerungsrecht, nachdem ihr Gatte in Thailand eine andere geheiratet hatte.
Der Prozessaufschub erspart dem Angeklagten zwar die unangenehme Weihnachtsbotschaft, verheißt aber nichts Gutes für das Ex-Mitglied der seit Januar 2012 verbotenen „Hells Angels MC Charter Kiel“: Hätten die Richter nach Entgegennahme der Plädoyers den von der Verteidigung geforderten Freispruch ins Auge gefasst, könnten sie sich die Arbeit sparen.
So aber deutet alles darauf hin, dass die Strafkammer einen Schuldspruch ansteuert, den sie für den Fall einer Revision beim Bundesgerichtshof akribisch absichern will. Nachdem die Richter einen Antrag der Verteidigung auf Ladung eines weiteren Zeugen als „irrelevant“ für das Verfahren abgeschmettert hatten, nahmen sie die Auflistung Hunderter von Handy-Kontakten zwischen Opfer, Lockvogel und Angeklagtem in Augenschein.
Am 4. Januar wird im Kieler Landgericht erneut plädiert, für 8. Januar das Urteil erwartet.