Nach den Anschlägen in paris, sollte man erst recht verstehen können, warum Huntertausende vor dem IS fliehen, findet Jan Schröter.
Hinter uns liegt eine Woche blanken Wahnsinns. Der Modeartikel der Saison ist anscheinend die Sprengstoffweste. Davon ist derzeit so oft die Rede, dass man täglich damit rechnet, diese Dinger im Kaufhaus auf der Kleiderstange für Sonderangebote hängen zu sehen – was der Artikelbezeichnung „Übergangsjacke“ eine ganz neue Bedeutung verleihen könnte.
Man weiß kaum noch, mit welchen Worten man seine Abscheu vor den widerwärtigen Terrorakten formulieren soll. Wenn uns das schon so aus der Fassung bringt, sollte man erst recht verstehen können, dass es Hunderttausende Flüchtlinge zu uns zieht, die daheim diesen Terror als Alltag erleben mussten. Trotzdem fällt dieses Verständnis vielen Deutschen immer noch nicht leicht. Dabei gibt es in unserer Nachbarschaft, in unserem Landkreis Segeberg, ein beeindruckendes Beispiel von selbstverständlicher Hilfeleistung und Solidarität. In Boostedt, einer 4600-Einwohner-Gemeinde bei Neumünster, leben mittlerweile annähernd 2000 Flüchtlinge (überwiegend aus Syrien) in der ehemaligen Bundeswehrkaserne. Unter den „eingeborenen“ Boostedtern sorgt sich so mancher über die möglichen Konflikte, die aus dieser Konstellation erwachsen können. Das ist nachvollziehbar. Umso großartiger ist es, dass es trotzdem in Boostedt Helfer und Ehrenamtliche zu Hunderten gibt, die sich für die Flüchtlinge einsetzen. Dass sich die NPD trotzdem seit Monaten vergeblich darum bemüht, die Situation in Boostedt für sich zu instrumentalisieren. Liebe Boostedter: Ihr seid norddeutsch pragmatisch im besten Sinne: Nicht lange sabbeln, einfach machen – weil die Not nun mal da ist und nichts besser wird, wenn man sich gegenseitig bepöbelt, vermöbelt und die Dächer wegzündelt. Ihr gebt die Antwort auf den blanken Wahnsinn. Über Euch kann man sich wirklich freuen. Vielen Dank. Je suis Boostedt.
Jetzt müssen wir bloß noch unseren Kleinen erklären, dass dieser schräge Typ mit dem wirren Zauselbart, der roten Übergangsjacke und dem verdächtigen Sack über der Schulter nicht derjenige ist, bei dessen Sichtung man sofort jedes Länderspiel absagt.
Das, liebe Kinder, ist der Weihnachtsmann.