Jasmin Bulang ist eine von acht Auszubildenden zur Tierpflegerin im Wildpark Eekholt. Wir haben sie bei ihrer Arbeit begleitet.

Lilly liegt außerhalb der Gruppe. Wie immer. Vorsichtig nähert sich Jasmin Bulang, muss dabei auch auf ihre eigenen Schritte achten, um in dem unwegsamen Terrain nicht umzuknicken. Schon aus der Ferne ist das markanteste Merkmal des vier Monate jungen Hirschkalbs deutlich zu sehen, selbst im leichten Nebel. Ein makelloser, weißer Streifen ziert den Kopf. Lilly ist ein reinrassiger Blesshirsch und damit eine Seltenheit, die in freier Wildbahn vermutlich gar nicht mehr zu finden ist. Wohl aber im Wildpark Eekholt. „Wir sind der letzte Park der Welt, der Blesshirsche hat“, sagt Jasmin Bulang.

Sie hat das Privileg, diese außergewöhnlichen Tiere täglich sehen zu dürfen. Die 22 Jahre alte Segebergerin befindet sich im zweiten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Tierpflegerin mit Fachrichtung Zoo. Ein Traumberuf, vermuten viele junge Menschen. Mit Recht, mag man denken angesichts der liebevollen Interaktion zwischen Jasmin und Lilly. „Sie ist eine Handaufzucht. Die Gruppe nimmt sie noch nicht an, das dauert noch, bis sie integriert ist.“

Mehrmals pro Tag werden die Tiere gefüttert – diese wissen ganz genau, wann jeweils Fressenszeit ist
Mehrmals pro Tag werden die Tiere gefüttert – diese wissen ganz genau, wann jeweils Fressenszeit ist © HA | Christopher Herbst

Die Handaufzucht mit Milch aus der Flasche bewirkt kindliche Nähe. Ohne Angst inspiziert Lilly den Besucher, stupst ihn kräftig an, begutachtet neugierig Kamera, Jacke, Schreibblock. Irgendwann wird sich das aber ändern, denn: „Die Tiere bleiben wild.“

In Eekholt haben die Auszubildenden eine wichtige Funktion, tragen hohe Verantwortung. Als Lehrbetrieb genießt der Wildpark einen exzellenten Ruf bei der Industrie- und Handelskammer, er bildet derzeit acht Frauen und Männer aus. So wie Jasmin, die genau wusste, was sie wollte. „Den Wildpark kenne ich schon sehr lange, das Konzept fand ich immer schön.“ Exotischere Arten haben sie bisher nicht gereizt. „Man sollte erst einmal die heimischen Tiere kennenlernen.“

Ausmisten nimmt viel Zeit in Anspruch

Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Segeberger Fledermauszentrum Noctalis lernte sie den Wildpark bei einem Praktikum kennen, bekam schließlich die ersehnte Lehrstelle. Und merkte schnell: „Es geht nicht nur darum, Tiere zu füttern, das ist der kleinste Teil. Vieles ist Arbeit an den oder in den Gehegen, Instandhaltung, Reparatur.“ Und Putzen. Das ist ziemlich anstrengend – manchmal gehen die Pfleger zu zweit in die Ställe, etwa bei den Heidschnucken, sonst wären sie fast den ganzen Arbeitstag mit Ausmisten beschäftigt.

Dienstbeginn ist um 7.30 oder im Winter um 8 Uhr. „Die Tiere müssen auf uns warten, aber wir fangen früh an, bevor die Besucher in den Park kommen.“ Bei ihren Kontrollfahrten über das Gelände überprüfen die Pfleger, ob die Tiere wohlauf sind, sie müssen mit geschultem Blick erkennen können, ob eines krank oder verletzt ist. „Aber es ist schwierig, Wildtiere zu untersuchen“, sagt Jasmin. Zumal nicht alle gesellig sind, sondern unterschiedliche Wesenszüge haben und manchmal einfach keine Lust. „Hirsche drohen, indem sie die Zunge rausstrecken. Dann sollte man sich zurückziehen. Auch Tiere haben mal einen schlechten Tag.“

Per umweltfreundlichem Elektromobil sind die Wildpark-Mitarbeiter auf dem weitläufigen Gelände unterwegs
Per umweltfreundlichem Elektromobil sind die Wildpark-Mitarbeiter auf dem weitläufigen Gelände unterwegs © HA | Christopher Herbst

Gerade zur kalten Jahreszeit hat es etwas Meditatives, durch den an manchen Werktagen menschenleeren Wildpark zu fahren. Die Tiere verhalten sich logischerweise anders, wenn nicht tausende Besucher in wenigen Stunden vorbeiströmen wie an Wochenenden oder Feiertagen. „Sie sollen sich ja auch einmal zurückziehen dürfen“, erklärt Bulang dann immer, wenn die Ausflügler verzweifelt nach Wölfen Ausschau halten, die sich im schwer einsehbaren Gehölz verkrochen haben.

Anders ist es zur Fütterungszeit. Hiernach haben alle Tiere ihre innere Uhr gestellt. Wölfe hören dazu genau, wenn ein Wildpark-Pfleger mit dem Elektromobil heranrollt, Wildschweine reagieren hingegen auf Pfiffe, kommen dann aufgeregt grunzend angewetzt. „Und wir Pfleger haben einen Stechschritt, das erkennen die Tiere, die Besucher schlendern ja eher“, so Jasmin.

Auch der Tod gehört zum Alltag dazu

Sie selbst würde bis auf Fisch kein Fleisch essen, darauf verzichtet sie seit dem 13. Lebensjahr. Doch Wölfe, Marder oder Wildkatzen sind keine Vegetarier. „Ich musste deswegen lernen, mit Futtertieren zu arbeiten und meinen Ekel zu überwinden.“ Im Wildpark werden Nagetiere – Meerschweinchen, Kaninchen – geschlachtet, in der Hochsaison dazu bis zu 1000 Eintagesküken pro Tag verfüttert. Die Kanadischen Fischotter bekommen Brassen und Rotfedern, die ein Angelverein liefert.

Auch beim eigenen Bestand gehört der Tod zum Alltag dazu, Jasmin Bulang hat gelernt, sich von liebgewonnen Tieren zu verabschieden. „Das ist manchmal hart. Mir tun alle Tiere leid, die geschlachtet werden müssen.“ Die Lebenserwartung ist aber höher als in der freien Natur, wo alte und kranke Tiere nicht aufgepäppelt werden, sondern leichte Beute für Räuber sind.

Was bei Führungen offen gesagt wird: Es gibt eine interne Ernährungskette. Sprich: Wird ein Tier eingeschläfert, etwa Damwild, haben oft die Wölfe etwas davon. Was vielleicht auch nicht jeder weiß: Die Einrichtung arbeitet mit Jägern und Förstern aus der Region zusammen. Diese bringen Fallwild, meist Rehe oder Hirsche, die bei Straßenunfällen umgekommen sind, zur Weiterverwertung nach Eekholt.

An diese eher unromantischen Aspekte hat sich Jasmin Bulang gewöhnt. Genauso wie an Wind und Wetter, denn ein warmes Büro kennt sie nur vom Hörensagen. „Manchmal unterschätzt man die Kälte im Winter. Aber ich wollte unbedingt einen Beruf, bei dem ich an der frischen Luft bin.“

Infos zur Ausbildung

Dauer: 3 Jahre (duale Ausbildung).

Arbeitgeber u. a.: Zoos, Naturparks, Tier- und Wildgehege, Aquarien, Terrarien, Tierheime- und pensionen, Tierkliniken und -arztpraxen, Versuchslabore.

Gehalt (brutto): bis 850 Euro (1. Lehrjahr), bis 900 Euro (2. Lj.), bis 950 Euro (3. Lj.), späteres Einstiegsgehalt bis 2000 Euro. Im öffentlichen Dienst gelten Tarifverträge, der Verdienst liegt bei 2479 bis 2733 Euro brutto.

Beschäftigte/Arbeitslosenquote: ca. 21.000 (Stand: 12/2014)/16 Prozent.

Weiterbildung: Meisterschule, Ausbilder, Futtermeister, Tierlehrer.

Anknüpfendes Studium z. B.: Biologie, Agrarbiologie, Agrarwissenschaft, Landschaftsökologie, Naturschutz, Tiermedizin.che

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