Norderstedt. Die Verbraucherberatungsstelle Norderstedt ist nach wie vor gefragt – rund 10.000 Anfragen pro Jahr gehen hier ein.

Die Butter war nicht tagesfrisch, wie es in der Werbung hieß. Die Käufer erinnerten sich an eine neue Institution, die Anwältin der Verbraucher. Sie schalteten die Verbraucherschützer ein, die wiederum schrieben einen langen Brief an die Handelskette. Andere wollten sich einen neuen Mixer kaufen oder einen Herd und fragten, welches Produkt sie nehmen sollen.

„Damals haben meine Kolleginnen sogar gekocht, um die Güte von Elektroherden und Handmixern zu demonstrieren“, sagt Heike Vogel, die die Verbraucherberatungsstelle in Norderstedt leitet. Oder die Berater haben auf die Testberichte der Stiftung Warentest verwiesen. Die liegen bis heute in den Regalen der Einrichtung, die ihren 40. Geburtstag feiert und unter dem Motto „Guter Rat ist unabhängig“ mehr als 100.000 Menschen geholfen hat, ihren Alltag zu bewältigen.

„Bis heute kommen wir immer dann ins Spiel, wenn es um die kleinen Ärgerlichkeiten des täglichen Lebens geht, Schwierigkeiten, die ungeheuer nerven, für die sich aber wegen des geringen materiellen Werts niemand einen Anwalt nimmt“, sagt die Ökotrophologin Heike Vogel, die Beispiele nennt. Da hat jemand aus Versehen per SMS eine Premium-Nummer, dafür werden ihm jeden Monat neun Euro abgebucht, was der Betroffene vielleicht nicht gleich merkt. Oder die Frau, die dreimal den Zugangscode ihres Prepaid-Handys falsch eingegeben hatte, in eine Filiale ihres Anbieters ging, um das Problem zu lösen, und mit einem „Luxusvertrag“ wieder rauskam, für 24 Monate abgeschlossen und mit Flatrate für Internet und Telefonie – beides völlig überflüssig für ihren Bedarf. Die Anwältin der Verbraucherzentrale hat erreicht, dass der Anbieter den Vertrag zurücknimmt – auf Kulanz, denn: Das 14-tägige Rücktrittsrecht ist, so Heike Vogel, kein Rechtsanspruch, sondern ein Entgegenkommen.

Angefangen haben die Verbraucherschützer im Herold-Center

Die Geschichte der Beratungsstelle spiegelt den gesellschaftlichen Wandel. Mitte der 70er-Jahre lebten die Menschen offline, die Welt war monopolisiert und wohlgeordnet. Strom kam von der Schleswag, heute E.on Hanse, Hein Gas lieferte den Flüssigbrennstoff, die Telekom war fürs Telefon zuständig. „Die Verträge liefen meist lebenslang und automatisch, niemand musste sich darüber Gedanken machen, wo er Energie am günstigsten bezieht, oder welcher Handytarif für ihn optimal ist“, sagt Heike Vogel.

Angefangen haben Norderstedts Verbraucherschützer im Herold-Center, dann zogen sie an die Ochsenzoller Straße, seit 2003 haben sie ihre Räume an der Rathausallee, gleich neben dem Rathaus. Das Geburtstagskind ist eine von fünf Beratungsstellen in Schleswig-Holstein mit einem kompletten Beratungsangebot, das es noch in Kiel, Lübeck, Flensburg und Heide gibt.

Sinkende Zuschüsse des Landes haben die Zahl der Beratungsstellen schrumpfen lassen. Und auch die Norderstedter kämpfen regelmäßig ums Überleben. Das klappte nur, weil die Stadt in die Bresche sprang und die Arbeit des Beraterteams im Vorjahr mit 25.548 Euro förderte. Gegenwärtig arbeiten das Land und die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein an einem Konzept, das die Zukunft der anerkannten Einrichtung langfristig sichern soll.

Für Heike Vogel und ihre Kolleginnen wäre es nicht nachzuvollziehen, wenn die Beratung eingestellt und die Anlaufstelle geschlossen würde. 10.000 Anfragen pro Jahr laufen auf, das Telefon klingelt ständig. „Der Beratungsbedarf wächst eher, als dass er sinkt“, sagt die örtliche Leiterin, die mit ihren Kolleginnen und den Fachberatern ein weites Feld beackert, das sich auf fast alle Lebensbereiche erstreckt. „Die Flut an Informationen können viele allein nicht mehr bewältigen“, sagt Heike Vogel. Fast 2000 Beratungen und damit die meisten entfallen auf das Thema Finanzen. Da geht es um die Altersvorsorge, um die sich vor 40 Jahren übrigens niemand sorgen musste, um Baufinanzierung und Versicherungen. Energie und Telekommunikation rangieren dahinter. Einer der spektakulärsten Coups, der den Verbraucherschützern bundesweit gelang, war der erfolgreiche Kampf gegen Gaspreiserhöhungen. Der Bundesgerichtshof hatte im Sommer zugunsten der Verbraucher entschieden. Auch Fragen zur Ernährung und zu Haushaltsgeräten tauchen regelmäßig auf.

Nach einem ersten Gespräch wird oft ein Termin mit dem zuständigen Fachberater vereinbart. 35 Euro kostet eine halbe Stunde, in der sich der Experte mit dem persönlichen Anliegen auseinandersetzt. Zum Programm gehören auch regelmäßige Vorträge zu aktuellen Themen wie „Feuchtigkeit und Schimmel“ oder „Rechtsirrtümer“.

Beschwerden zu Internet und Mobilfunk gesucht

Die Verbraucherberatung Norderstedt ruft zu ihrem 40. Geburtstag die Bürger auf, sich an einer Aktionswoche zu beteiligen. Wer mitmacht, kann einen der sechs Beratungsgutscheine im Wert von 35 Euro gewinnen.

Vom 16. bis 20 November sammeln die Berater aktuelle Beschwerden über Internet- und Mobilfunkanbieter und setzen darauf, dass die Norderstedter ihrem Ärger freien Lauf lassen. Ob es um einen Anbieterwechsel geht und 14 Tage kein Anschluss besteht, ob Kunden Rechnungen nicht verstehen oder im Call Center nicht weiterkommen – all das können die Bürger den Beratern mitteilen.

Anlass der Aktion: Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein ist Marktwächter für den Bereich Telekommunikation. Bundesweit wollen die Beratungsstellen ein Frühwarnsystem zu unterschiedlichen Themen aufbauen. Die Beratungsstelle Norderstedt an der Rathausallee 38 ist unter Telefon 040/523 84 55 und per E-Mail unter norderstedt@vzsh.de zu erreichen. ms

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