Kreis Segeberg. Die Hamburger Konkurrenz wehrte sich erfolgreich gegen die Segeberger Bierbrauer. Eine industrielle Zeitreise als Buch.

Am 16. September 1891 hatten die Bürger Segebergs Gelegenheit, Freibier zu trinken: An diesem Tag eröffnete das Bürgerliche Brauhaus Segeberg seinen Betrieb – und zur Feier des Tages waren alle Segeberger zur Bierprobe eingeladen, „Nachmittags, 16 Uhr.“ Die Brauerei lud dazu „ergebenst“ ein. Die Segeberger, so ist überliefert, machten reichlich Gebrauch von der kostenlosen Bierprobe.

Die Geschichte der Segeberger Bierbrauerei endete einigermaßen tragisch. Nach einigen finanziellen Fehlschlägen mit Konkurs und Übernahme durch die Segeberger Wirte erlebte die Brauerei schließlich sehr erfolgreiche Jahre. Das Bier wurde bis nach Hamburg geliefert – so lange, bis das Hamburger Bierkartell ein Lieferverbot für die Hansestadt verhängte, um die lästige Konkurrenz zu schädigen. 1918 schließlich wurde die Brauerei an der Bahnhofstraße von der Hamburger Bavaria-Brauerei übernommen, die das Gebäude allerdings lediglich als Niederlassungslager nutzte.

So begann die Geschichte von Möbel-Kraft. An der Hamburger Straße errichtete Hinrich Kraft 1893 einen Tischlereibetrieb und schuf damit die Grundlage für das Möbelimperium
So begann die Geschichte von Möbel-Kraft. An der Hamburger Straße errichtete Hinrich Kraft 1893 einen Tischlereibetrieb und schuf damit die Grundlage für das Möbelimperium © HA | Sparr/Baurycza

Diese Geschichte kennen wahrscheinlich nicht mehr viele Segeberger, aber jetzt ist sie nachzulesen. Hans-Peter Sparr und Hans-Werner Baurycza haben das Buch „Bad Segeberg Handel, Handwerk, Industrie in alten Fotografien“ herausgegeben und laden damit zu einer interessanten Zeitreise durch die Arbeits- und Geschäftswelt der Kreisstadt ein.

Mehr als 160 Bilder, die aus ihren eigenen Beständen und privaten Archiven stammen, offenbaren dem Leser manche Entdeckung und erinnern an längst vergessene Zeiten. Wer das Buch zur Hand nimmt, begibt sich auf eine Zeitreise durch die Arbeits- und Geschäftswelt Bad Segebergs von den Anfängen der Fotografie bis in die Wirtschaftswunderzeit. Die Fotos zeigen, welch wichtigen Einfluss die Ansiedlung der Bürgerbräu-Brauerei für die Entwicklung Bad Segebergs hatte und wie sich die Unternehmen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren über Wasser hielten. Die Fotografien dokumentieren über Jahrzehnte die tägliche Arbeit in traditionsreichen Segeberger Handwerksbetrieben und eröffnen überraschende Einblicke ins Alltagsleben früherer Generationen.

Wie früher gearbeitet, transportiert und eingekauft wurde, ist in dem Buch zu sehen. Margarine, Kaffee oder Kakao aus Bad Segeberg wurde einst in ganz Deutschland genossen. In der Stadt wurden Haarfärbe- und Pflegemittel sowie Zahnpasta hergestellt – und zwar von einem der europäischen Marktführer. Die Firma Kleinol gehörte zum Unilever-Konzern, wurde 1960 aber nach Hamburg verlegt.

Das erfolgreiche Bierbrauen wurde von Hamburg unterbunden
Das erfolgreiche Bierbrauen wurde von Hamburg unterbunden © Hans Peter Sparr | Hans Peter Sparr

Auch wer sich in Bad Segeberg nicht so gut auskennt, kann Spaß an dem Buch haben. Denn die Einblicke in das städtische Leben haben Allgemeingültigkeit. So oder so ähnlich sah es wahrscheinlich in vielen anderen deutschen Städten aus. Tante-Emma-Läden mit Mettwürsten, die vom Gestänge unter den Decken herunterbaumeln, Pferdefuhrwerke, erste Autos, Lebensmittelwaagen, mit den Jahrzehnten wechselnde Moden: Ältere Betrachter der Fotos erinnern sich vielleicht, jüngere erleben eine Zeitreise durch das letzte und vorletzte Jahrhundert.

Viele alte Geschäftshäuser stehen noch

Natürlich fehlen auch die Anfänge von Möbel-Kraft nicht. Die erste Möbel-Tischlerei an der Hamburger Straße im Jahre 1893, Anfang der 50er-Jahre der erste Neubau an der Ziegelstraße, der dann in späteren Jahrzehnten in das Möbelhaus-Imperium eingebettet wurde.

Ein Luftfoto des Betriebsgeländes aus dem Jahre 1969 zeigt deutlich die Entwicklung des Unternehmens: Das einstige Neubau ist immer noch sehr genau zu erkennen, dahinter stehen die bekannten Kraft-Verkaufshallen. Der erste Lastwagen für die Auslieferung wurde Mitte der 1930er-Jahre angeschafft: Der Hanomag ähnelte einer Holzkiste auf Rädern.

Viele alte Geschäftshäuser stehen in der Segeberger Innenstadt noch, die meisten Industriebauten wurden abgerissen. Wer Lust hat, kann mit dem Buch in der Hand einen Spaziergang durch das heutige Bad Segeberg machen und dabei Vergleiche zwischen einst und heute ziehen. Vieles hat sich natürlich geändert, oft aber, so scheint es, ist die Zeit auch stehen geblieben.

Bad Segeberg, Handel, Handwerk, Industrie von Hans-Peter Sparr und Hans-Werner Baurycza ist im Sutton- Verlag erscheinen. ISBN:978-3-95400-654-0. Das Buch kostet 19,99 Euro.