Norderstedt. Erster Bauabschnitt der Ulzburger Straße eingeweiht. Radler trauen sich nicht auf die Straße, Stadt will Piktogramme aufbringen.

„Die Geschäftsleute mussten sechs Monate leiden, aber das Opfer hat sich gelohnt: Die Straße ist weiter geworden, strukturierter, wer den Bereich mit dem Auto passiert, merkt: Hier ist etwas Besonderes.“ So beschrieb Galerist Jan Menssen seinen Eindruck vom neuen Abschnitt der Ulzburger Straße. Der „Meilenstein“ wurde am gestrigen Montag offiziell eingeweiht, Baudezernent Thomas Bosse dankte Geschäftsleuten, Politikern, Anliegern, Planern und Baufirma für ihre Ideen, für die „mutigen und richtungsweisenden Beschlüsse“ und dafür, dass die Bauarbeiten im Zeit- und Finanzplan geblieben seien.

Menssen sprach stellvertretend für die Geschäftsleute entlang des rund 300 Meter langen Teilstücks. Sie waren wesentliche Motoren der Neugestaltung, manche mussten während der sechsmonatigen Bauzeit Umsatzeinbußen von bis zu 20 Prozent verkraften. Der Galerist sieht die Investition von rund einer Million Euro als Langzeitsicherung des Standortes. Nun hätten die Händler als wichtiger Baustein einer lebendigen Stadt eine Perspektive und seien besser aufgestellt im Kampf mit dem Internet-Handel.

Die Ulzburger Straße ist nicht nur eine Hauptverkehrsachse in Norderstedt, sondern auch eine wichtige Visitenkarte der Stadt“, sagte Thomas Bosse. Und die wurde zwischen Langenharmer und Glashütter Weg optisch aufgewertet. Sandfarbenes Pflaster ersetzt den alten wenig dekorativen Belag. Die Stadt hat Bänke und moderne Fahrradständer aufgestellt, gleich eine ganze Batterie, wie Bosse sagte, vor dem Penny-Markt. „Dann müssen die Kunden ihre Räder nicht in den alten Ständern, den Felgenkillern, abstellen“, sagte der Baudezernent.

Ob es denn wirklich sinnvoll ist, die Bänke zur Straße hin auszurichten, wollte eine Anliegerin wissen. Wer will schon auf vorbeifahrende Autos gucken und Abgase einatmen. Bosse widersprach: „Die Leute wollen das so.“ Das habe die Bürgerbeteiligung ergeben – ein langer Prozess, der mehr als fünf Jahre in Anspruch genommen habe, dessen Ergebnis sich aber sehen lassen könne. „Gemeinsam haben wir eine Philosophie der Straße entwickelt“, sagte der Baudezernent.

Dazu gehören die Parkplätze vor den Geschäften. Im Gegenzug müssen die Radfahrer im Bereich des Meilensteins auf die Straße – ein Gebot, das vielen widerstrebt. Die meisten trauen sich nicht auf die Fahrbahn, haben Angst, die Straße, wie vorgesehen, mit den Autofahrern zu teilen. Dennoch hält die Stadt an dieser Regelung fest, und folgt der Erkenntnis, dass die Zahl der Unfälle sinkt, wenn Auto- und Radfahrer gemeinsam auf dem Asphalt unterwegs sind.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) in Norderstedt unterstützt die neue Regelung und hält den Ausbau der Ulzburger Straße für gelungen. „Die Stadt hat eine gute Lösung gefunden, um den sehr gefährlichen linken Radweg aufheben zu können und die Einmündung Waldstraße, einen Unfallschwerpunkt im Radverkehr, zu entschärfen“, sagt Rolf Jungbluth vom ADFC. Dort war es regelmäßig zu Kollisionen zwischen Radlern und Autofahrern gekommen, die nicht mit Radfahrern aus der „falschen Richtung“ gerechnet hatten. Auch Jungbluth hat festgestellt, dass die Mehrzahl der Radler nach wie vor die engen Gehwege nutzt, aber: „Die Umstellung braucht Zeit, sowohl Rad- als auch Autofahrer müssen sich an die neue Situation gewöhnen.“ Bosse spricht von einem „kollektiven Lernprozess“.

Die einen trauen sich nicht auf die Fahrbahn, andere radeln schon auf der Straße
Die einen trauen sich nicht auf die Fahrbahn, andere radeln schon auf der Straße © Michael Schick | Michael Schick

Dennoch bleiben Bedenken: „Vor allem in der Dunkelheit möchte ich nicht auf der Straße fahren“, sagt ein Anlieger, dem vor allem die Einfädelungspunkte Sorgen bereiten, die Bereiche, an denen die Radfahrer vom Radweg auf die Straße wechseln. „Die Autofahrer treffen quasi völlig unvorbereitet auf diese Situation“, sagt der Norderstedter. Er vermisst Tempo-30-Schilder, die von der Straße aus gut sichtbar sind und auf den verkehrsberuhigten Bereich hinweisen. Es gebe zwar Schilder, doch die seien klein und stünden einige Meter entfernt an Grundstücken.

Die Stadt will nachbessern und Radler-Piktogramme auf die Fahrbahn aufbringen lassen. Damit habe die Stadt Kaltenkirchen gute Erfahrungen gemacht. „Wir werden in der nächsten Zeit den Bereich und vor allem die Einfädelungspunkte sehr genau beobachten“, sagt Kai Hädicke-Schories von der Norderstedter Polizei, die den Ausbau mitgetragen hat. „Es geht darum, den Radverkehr an dieser zentralen Straße vom Ochsenzoll bis zur Stadtgrenze im Norden sicher zu gestalten. Und dazu trägt dieser neue Abschnitt bei“, sagte Hädicke-Schories.

Bosse sieht den Ausbau als Beginn eines Domino-Effektes: „Wir haben angefangen, die Attraktivität zu steigern, Geschäftsleute und Grundeigentümer werden nachziehen.“