Kaltenkirchen. Unter Anleitung der Künstlerin Ute Storjohann und in Kooperation mit dem Verein Regenbogen wurden die Stromkästen bunt gestaltet.

Herzchen statt grauer Einöde, Smileys statt kahler Flächen – vier Jugendliche haben in der Kaltenkirchener Innenstadt für mehr Farbe gesorgt und mit dem offiziellen Segen aus dem Rathaus Stromkästen rund um den Markt neu gestaltet. Mit Farbspraydosen haben die Jungen und Mädchen die optische Langeweile vertrieben und dabei jede Menge Spaß gehabt.

Mundschutz ist Pflicht, wenn Jo, Catherine, Vanessa und Finn zur Sprühdose greifen. Sie sind zwischen 16 und 17 Jahre alt, tragen einen weißen Maleranzug und haben sich genau überlegt, welche Motive die zehn Kästen zieren sollen. Finn hat sich für den Smiley mit den blauen Augen entschieden. Zu sehen gibt es außerdem Notenschlüssel, einen bunten Vogel und Blumen. Erst wird der graue Kasten grundiert, dann geht es ans Motiv. „Das macht Spaß“, sagt Catherine. Jo fügt hinzu: „Wir wollen die Stadt verschönern.“

Smileykasten haben die Jugendlichen ihr kleines Kunstwerk genannt
Smileykasten haben die Jugendlichen ihr kleines Kunstwerk genannt © Ute Storjohann | Ute Storjohann

Einen weiteren Kasten hat eine Kollegin von Ute Storjohann zum Kunstobjekt gemacht. Die Kaltenkirchenerin Jeannette Ernsting malt normalerweise mit Acrylfarben auf großen Leinwänden und nicht unter freiem Himmel auf schmucklosen Schaltkästen. „Das ist ungewohnt“, sagt Jeannette Ernsting. Ihr Motiv entsteht beim Arbeiten „aus dem Bauch heraus“.

„Beim Tun kommen neue Ideen“, sagt die Künstlerin Ute Storjohann, die seit Monaten die Jugendlichen des Vereins Regenbogen auf die Farbattacke vorbereitet hat. „Das ist ein Entwicklungsprozess.“ Ihr Fachgebiet ist die Ausdrucksmalerei. Sie arbeitet ehrenamtlich beim Regenbogen, der junge Menschen mit sozialen Problemen unterstützt und betreut sowie bei Schwierigkeiten in der Schule und bei der Berufswahl hilft. Die jungen Sprayer nehmen an der Berufsvorbereitung im Verein teil. Auch Kunstunterricht gehört dazu.

„Die Idee zum Projekt wurde geboren, als ich im vergangenen Herbst die Teilnehmer meiner Malstunden im Regenbogen fragte, worauf sie denn mal Lust hätten“, berichtet die Künstlerin. „Eine Teilnehmerin schlug dann Graffiti vor.“ Damit habe sie sich zuvor noch nie beschäftigt, geschweige denn habe sie je gesprayt. Aber die Idee war ihr sympathisch: „Als Künstlerin arbeite ich gerne mit Schrift im Bild und hier oft mit Worten und Texten in Sütterlin geschrieben, nicht immer komplett lesbar, oft etwas versteckt.“ Sütterlin haben die Jugendlichen bei ihr zwar nicht gelernt, aber die Besonderheiten von Graffiti.

Binnen eines Tages entstanden die Graffiti in der Innenstadt
Binnen eines Tages entstanden die Graffiti in der Innenstadt © Ute Storjohann | Ute Storjohann

Ute Storjohann war regelmäßig beim Regenbogen zu Gast, hat über die Arbeit mit Farben erzählt und erste Skizzen mit den Jugendlichen entworfen. Sie haben Formen und Bildsprache kennengelernt, Schrift und Schriftbilder mit Buntstiften, Ölpastellkreiden und auch Pinseln geübt. „Die Jugendlichen haben entdeckt, dass diese Art sich auszudrücken, Kunst ist“, sagt Ute Storjohann über Streetart. Ute Storjohann: „Manchmal gelang eine Stelle auf Anhieb, und manchmal überkam uns die dicke Krise, weil wir keine richtige Farbe fanden.“

Die Jugendlichen haben sich überlegt, wie sie ihren eigenen Namen in einem selbst entworfenen Graffito gestalten können. Gemeinsam hat die Gruppe außerdem die Jean-Miró-Ausstellung im Bucerius Kunst Forum in Hamburg besucht. „Auch bei diesem Künstler fanden die jungen Leute eine ungewöhnliche künstlerische Ausdrucksform und eine Form- und Schriftsprache“, sagt die Künstlerin.

Als Flächen fürs Training nutzten die Jugendlichen ganz legal eine Wand am Kaltenkirchener Jugendhaus. Zu sehen ist davon nichts mehr. Danach haben dort – ebenfalls mit Genehmigung – andere junge Sprayer trainiert. „Streetart ist vergängliche Kunst“, sagt Ute Storjohann.

Dass die Kästen jetzt bunt und lebendig statt grau und beschmiert in der Innenstadt stehen, geht auf eine Idee von Rathausmitarbeitern zurück. „Die unansehnlichen Kästen sind ein optischer Störfaktor“, hatte Bürgermeister Hanno Krause zu Beginn der Aktion gesagt. Auch viele Bürger hätten sich an dem Anblick gestört.