Norderstedt. Ende 2016 sollen alle Norderstedter Haushalte mit Smart Metern ausgestattet sein. Werkleiter Theo Weirich im Interview.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will den Verbrauchern Smart Meter verordnen, sogenannte intelligente Stromzähler. Mit den modernen Zählern können die Stromkunden den Verbrauch genau messen und steuern – und im Gegenzug von flexiblen Tarifen und erneuerbaren Energien profitieren. Norderstedt hat mit seinen Stadtwerken bundesweit eine Vorreiterrolle bei der Technologie übernommen. Das Abendblatt hat mit Werkleiter Theo Weirich über Vorteile und die Bedenken der Datenschützer gesprochen.
Hamburger Abendblatt: Wie viele Haushalte in Norderstedt haben Smart Meter – und wie steht die Stadt im Bundesvergleich da?
Theo Weirich: Aktuell haben wir in 45 Prozent der 38.000 Haushalte Smart Meter installiert. Zum Ende des Jahres planen wir eine Abdeckung von 70 Prozent, bis Ende 2016 sollen alle Haushalte die modernen Stromzähler haben. Mit unserer Versorgungsquote liegen wir weit über dem Bundesschnitt.
Welche Vorteile bieten die „intelligenten“ Stromzähler den Kunden, der Umwelt und den Stadtwerken?
Weirich: Der Kunde bekommt eine monatliche Rechnung, die seinen Verbrauch genau aufschlüsselt. Er kann den Stromverbrauch analysieren, sein Verhalten effizienter gestalten. Die Stadtwerke können den Kunden günstige Tarife anbieten, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzen – und zwar dann, wenn der Wind bläst und die Sonne scheint. Je genauer wir das Verbrauchsverhalten unserer Kunden kennen, desto günstiger können wir den Strom beschaffen.
Inwiefern?
Weirich: Bisher konnten wir das Verbrauchsverhalten nur grob einschätzen, wussten zwar, dass die Verbrauchsspitze am Nachmittag und Abend liegt, mehr aber nicht. Durch die Forschung am Wissenschaftszentrum für intelligente Energienutzung, das wir mit Partnern an der Ulzburger Straße betreiben, können wir jetzt auf eine präzise Analyse zurückgreifen, den Strom danach einkaufen und Geld sparen. Wir gehen davon aus, dass wir die Einkaufskosten jährlich um einen siebenstelligen Betrag reduzieren können.
Woher kommt das Sparpotenzial?
Weirich: Wir kaufen den Großteil des Stroms zwei Jahre vorher ein, um die Grundversorgung sicherzustellen, wozu wir als örtlicher Energieversorger gesetzlich verpflichtet sind. Tagesaktuell kaufen wir zudem am Spotmarkt der Leipziger Strombörse ein. Und da ergibt es sich durch die Überproduktion von Windenergie, dass die Netzbetreiber ihren Stromüberschuss loswerden wollen und müssen ihn zum Teil so anbieten, dass der Käufer sogar Geld dazu bekommt, wenn er solche Margen abnimmt. Da wollen wir mitmischen.
Minister Gabriel geht davon aus, dass sich durch den Einsatz der Smart Meter bei einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr 15 Euro einsparen lassen. Von welcher Summe gehen Sie aus?
Weirich: Wir halten grundsätzlich auch 50 bis 100 Euro pro Jahr für möglich. Das kommt immer auf den Tarif an, mit dem der Strom abgerechnet wird.
Der Einbau eines Smart Meters soll zwischen 23 und 60 Euro plus eine Jahres-Grundgebühr kosten. Ist das realistisch?
Weirich: Die Stadtwerke Norderstedt berechnen beim Einbau eines Smart Meters die Kosten, die beim Einbau eines herkömmlichen Zählers anfallen (55 Euro), um die Installation der modernen Zähler nicht zu behindern. Der Austausch eines bestehenden herkömmlichen Zählers gegen einen Smart Meter erfolgt daher kostenneutral.
Datenschützer haben Vorbehalte. Wenn Stromverbräuche in Echtzeit abgelesen werden können, lasse das Rückschlüsse auf das Verhalten der Verbraucher zu. Forscher hätten aus den Verbrauchsdaten auf TV-Gewohnheiten oder bevorzugte Videos schließen können.
Weirich: Stromverbräuche sind in ihrer Bedeutung nicht sensibler als Telekommunikationsdaten – und diese werden seit Langem erfasst. Um einen Missbrauch zu verhindern, hat der Gesetzgeber entsprechende Gesetze und Verordnungen erlassen. Die Weitergabe an Dritte ist durch das Datenschutzgesetz, das Mess- und Eichgesetz und die Mess- und Eichverordnung untersagt. Außerdem werden die Verbrauchsdaten über ein separates wilhelm.tel-Netz übertragen und stehen somit nicht im Internet zur Verfügung. Die individuellen Daten der Kunden werden durch Benutzernamen und Passwort im Kundenportal der Stadtwerke zur Verfügung gestellt.
Wie weit sind die Forschungen im Wissenschaftszentrum für intelligente Energie, und wie bringen Sie Smart Meter, aber auch die flexible Nutzung von Sonnen- und vor allem Windenergie an die Bürger?
Weirich: Die Ergebnisse der Forschung fließen regelmäßig in die Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen ein. So hat, wie oben erwähnt, die Verbrauchsanalyse unseren Stromeinkauf optimiert, was wiederum Einsparungen ermöglicht. Die Akzeptanz für Innovationen und eine Veränderung des Verbrauchsverhaltens können wir nur erreichen, wenn die Technik einfach zu handhaben ist und sich Vorteile für den Kunden ergeben, er zum Beispiel Geld spart. Wenn auf dem Smartphone die Info aufploppt, dass der Deckel der Kühltruhe seit Stunden offensteht, ergibt sich daraus eine klare Anweisung. Windstrom ist unzuverlässig, er hat nur eine Chance, stärker als bisher in die Haushalte zu fließen, wenn es für erneuerbare Energien eine extra Steckdose oder einen eigenen Lastkreis gibt.
Welche Geräte können so betrieben werden?
Weirich: Alle Geräte, die nicht auf konstanten Stromfluss angewiesen sind. Das sind vor allem Ladegeräte, aber es gibt auch schon Kühlgeräte, die eine gewisse Zeit ohne Elektrizität auskommen oder diese Energie sogar speichern können. Es wird nicht mehr lange dauern, bis haushaltstaugliche Batterien als Stromspeicher zur Verfügung stehen. Der Kunde wird vom reinen Verbraucher zum Strommanager und -erzeuger.