Bad Segeberg. Neuer Zuschauerrekord sorgt für einen dicken Gewinn bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg.
Die Helden des Wilden Westens – wer kennt sie heute noch? Die Kinder sicher nicht: Ihre Helden erleben Abenteuer im Weltraum oder tummeln sich in Fantasiewelten auf dem PC-Bildschirm. Umso erstaunlicher ist es, dass die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg vor Jahr zu Jahr erfolgreicher werden. Die bestehende Bestmarke wurde am vergangenen Wochenende sehr deutlich geknackt: Mit 346.677 Besuchern kamen gut 17.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2014. Ute Thienel, seit 16 Jahren Geschäftsführerin der Karl-May-Spiele, erklärt den phänomenalen Erfolg so: „Die Zuschauer erwarten von uns ein unvergessliches Abenteuer im Wilden Westen. Genau das bekommen sie auch – und das wissen sie.“
Das alleine reicht wahrscheinlich nicht aus, um die Anziehungskraft zu erklären. Die Faszination der Spiele im Freilichttheater am Kalkberg sind auch von anderen Komponenten abhängig: Mindestens drei Hauptdarsteller gehören in den deutschen Wohnzimmern zu guten Freunden. In der heilen deutschen Serienwelt sind Barbara Wussow und Ralf Bauer als diesjährige Gaststars ebenso präsent wie Jan Sosniok, der als Winnetou inzwischen eine feste Größe in Bad Segeberg ist. Dazu kommen Darsteller, die immer dabei sind und beliebte Bezugspersonen geworden sind. Joshy Peters, Nicolas König oder Harald P. Wieczorek gehören dazu. „Es war eine wundervolle Saison, und ich hatte unendlich viel Freude an meiner Rolle und dem sensationellen Ensemble“, sagt Joshy Peters, dem in jeder Vorstellung anzumerken war, wie viel Spaß ihm die Arbeit macht.
Aber eigentlich macht das Gesamtpaket die Faszination der Karl-May-Spiele aus. Hochprofessionelles Theater, das bis hin zu den Off-Sprechern (Reiner Schöne und Marek Erhardt) stimmig ist, Currywurst, Brezel und Cola, Indianer, die die Besucher schon am Eingang begrüßen, Gänsehautfeeling, wenn die berühmte Winnetou-Melodie erklingt, Explosionen, viel Getöse und Stunteffekte machen alles zu einem Familienerlebnis. Journalist Michael Stamp schreibt seit Jahren das Textbuch frei nach Karl May und schrammt dabei meist haarscharf an einer bösen Klamotte vorbei, schafft es aber immer wieder, Klamauk mit Spannung zu verbinden, sodass junge und alte Zuschauer auf ihre Kosten kommen. Norbert Schultze jr., der sich selbst als „Gebrauchsregisseur“ beschreibt, fügt alle Zutaten mit viel Fingerspitzengefühl zusammen und rührt eine allseits bekömmliche Inszenierung zusammen, die keinem weh tut, niemanden verärgert und nahezu alle zufrieden stellt. Nach 15 Inszenierungen macht ihm keiner mehr etwas vor. Auch die eigenwilligsten Darsteller hält er an der langen Leine, sodass sie irgendwann doch machen, was er will.
Nüchtern betrachtet kommen die Karl-May-Spiele in diesem Jahr auf eine Zuschauerauslastung von rund 83 Prozent. In der deutschen Theaterlandschaft ist das ein sehr gutes Ergebnis. Die meisten Staatstheater-Intendanten können von einer derartigen Auslastung nur träumen, Privattheater liegen mit ihrem häufig eher gefälligen Angeboten oft darunter. 4815 Zuschauer sind im Saisondurchschnitt pro Vorstellung gekommen.
Der „ewige Konkurrent“ steht noch etwas besser da: Die Störtebeker-Festspiele auf der Naturbühne Ralswiek sind am Wochenende ebenfalls zu Ende gegangen. 357.000 Zuschauer vermeldet Intendant Peter Hick – in 67 Vorstellungen. Das macht einen Zuschauerschnitt von 5328 pro Vorstellung. In dieser Saison sind 2000 Besucher mehr gekommen als im vergangenen Jahr. 2009 waren es sogar 394.766 Besucher.
So gut das Segeberger Ergebnis in dieser Saison auch ist, der „wahre Rekord“ wurde 1991 in der Abschiedssaison von Pierre Brice erreicht: 317.000 zahlende Gäste wurden damals gezählt – in nur 57 Vorstellungen. Das ergibt einen Schnitt von 5561 Besucher je Vorstellung. Hochgerechnet auf 72 Vorstellungen ergäbe sich die Zahl von 400.000 Besuchern.
Aber das sind Zahlenspielereien. Fest steht: Die Kalkberg GmbH hat auch in dieser Saison, in der die 300.000-Besucher-Marke zum siebten Mal übersprungen wurde, einen satten Gewinn eingefahren. 200.000 Besucher waren nötig, um die Kosten zu decken.
Jetzt wird die 65. Karl-May-Saison in Ruhe geplant: 2016 steht „Der Schatz im Silbersee“ auf dem Programm. Jan Sosniok spielt dann zum vierten Mal den Winnetou. Der NDR zeichnet die Karl-May-Aufführungen schon seit einigen Jahren aus Kostengründen nicht mehr auf, aber Ende 2016 gibt es eine andere mediale Unterstützung: RTL zeigt dann die Neuverfilmung „Winnetou & Old Shatterhand“ mit Wotan Wilke Möhring als Old Shatterhand, Nik Xhelilaj als Winnetou und Milan Peschel als Sam Hawkens.
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