Am Sonnabend absolvierte der 57 Jahre alte Joshy Peters die 1500. Vorstellung und schaffte damit etwas bisher Einzigartiges am Kalkberg

Die Hosenbeine reichen bis kurz übers Knie und sind gerade lang genug, um die Spuren des neuen Hobbys zu verdecken: Joshy Peters hat gerade einen Kletter-Schnupperkursus absolviert und ein paar Schrammen davongetragen. Nicht schlimm. Das Klettern könnte eine neue Leidenschaft des sportlichen Schauspielers werden, der mit seinen 57 Jahren zwar nicht mehr zu den jüngsten, aber mit Sicherheit zu den sportlichsten Darstellern des aktuellen Segeberger Karl-May-Stücks „Im Tal des Todes“ gehört. Am Sonnabend absolvierte der Hamburger Schauspieler die 1500. Vorstellung und schaffte damit etwas bisher Einzigartiges bei den Karl-May-Spielen. Kein Schauspieler hat derartig oft den Theatersand am Kalkberg unter seinen Füßen, in seiner Kleidung, in seinen Haaren und mitunter auch zwischen seinen Zähnen gefühlt. Ein Rekord, der möglicherweise für die Ewigkeit gilt, denn ein Ende seiner Karl-May-Karriere ist noch längst nicht abzusehen.

Der in Vancouver geborene Darsteller wählte von Beginn an den riskanten Weg

Wer hätte gedacht, dass die Karl-May-Spiele für einen gestandenen Schauspieler so lange interessant bleiben können? Immerhin ist Joshy Peters Absolvent der Theater-Hochschule, was ihn eigentlich prädestiniert hat, in das Ensemble einer deutschen Staatsbühne einzutreten. Aber der in Vancouver geborene Darsteller wählte von Beginn an den riskanten Weg und blieb freier Schauspieler, was einerseits eine gewisse Auswahlmöglichkeit für Film-, TV- und Theaterrollen lässt, andererseits aber auch immer mit einer gehörigen Portion Existenzangst verbunden bleibt. Da fügte es sich prächtig, dass Klaus-Hagen Latwesen ihn 1987 zum Old Shatterhand machte. Groß, kräftig, sportlich, ein großartiger Schauspieler und geübter Reiter – es fügte sich alles zusammen. Empfohlen hatte ihn damals Jürgen Lederer, der in Bad Segeberg auch schon häufiger als Shatterhand in Erscheinung getreten war und der später dort Intendant werden sollte. Mit Lederer, dem Ohnsorg-Schauspieler, und Heidi Kabel hatte Joshy Peters zuvor einen Film gedreht.

„Winnetou I“ wurde damals gegeben. Joshy Peters kam beim Publikum gut an, aber die aufkeimende Karl-May-Karriere wurde abrupt unterbrochen, weil Klaus-Hagen Latwesen, der Regisseur und Winnetou-Darsteller gleichzeitig war, im Jahr darauf von Pierre Brice ersetzt wurde, der keinen 25 Jahre jüngeren Old Shatterhand an seiner Seite haben konnte und wollte. „Die ganze Saison 1987 war schon überschattet vom Abgang Latwesens und der Verpflichtung von Pierre Brice“, erinnert sich Joshy Peters heute. „Das war unerfreulich.“

Die erfolgreiche Brice-Ära ging an Joshy Peters also vorbei. Aber 1992 kam die Karl-May-Karriere dann richtig ins Rollen. Intendant Jürgen Lederer wollte ihn, bekam ihn und legte damit den zweiten Grundstein für eine einzigartige Serie, die bis heute andauert. Der rumänische Filmregisseur Sergiu Nicolaescu besetzte ihn als Old Surehand und schuf eine Inszenierung, die bis heute Maßstäbe setzt und die Karl-May-Spiele in eine neue Dimension beamte: „Sergiu inszenierte einen Western mit viel Action und schnell wechselnden Szenen“, sagt Joshy Peters. „Das war schon großartig.“ Der Regisseur fand so viel Gefallen an dem Schauspieler aus Hamburg, dass er ihn für einen rumänischen Film engagierte. Es hätten noch weitere folgen sollen, aber Peters winkte schließlich ab, weil die rumänischen Produktionsmethoden nicht in seinen Zeitplan passten: „Wer für einen solchen Film engagiert wurde, musste fünf Monate am Set bleiben, das kann sich ein Schauspieler aus dem Westen kaum leisten.“

Die Karl-May-Spiele sind ein wichtiges Standbein für Joshy Peters

1997 und 1998 kamen TV-Dreharbeiten dazwischen, sodass Joshy Peters aus vertraglichen Gründen nicht in Bad Segeberg spielen konnte, aber seitdem ist er ununterbrochen dabei. In all den Jahren hat er in vielen unterschiedlichen Rollen überzeugt: Neunmal Old Shatterhand, Old Surehand, kriegerischer Indianer, Edelschurke (wie in dieser Saison), Winnetous Vater, Winnetous Mörder, Komiker und Buffalo Bill – Joshy Peters ist eine „Bank“ und feste Größe am Segeberger Kalkberg. „Als freier Schauspieler über einen so langen Zeitraum eine feste Bindung an eine Bühne zu haben, ist schon etwas Einzigartiges“, sagt Joshy Peters. Er freut sich jedes Jahr, wenn er für ein neues Stück verpflichtet wird, aber verlassen kann er sich natürlich nicht darauf. Es gibt keine längerfristigen Verträge, auch keinen Vorvertrag. Alles wird von Saison zu Saison ausgehandelt. So gesehen sind die Karl-May-Spiele auch nur eines, wenn auch sehr wichtiges Standbein seines Schauspielerlebens. Joshy Peters spielt in TV- und Kinofilmen, er synchronisiert auch während der laufenden Karl-May-Saison, unterlegt Dokumentationen mit Texten, ist ein gefragter Akteur für Computerspiele, spielt anderswo Theater und war in Bremen sogar mal Theaterintendant.

„Ich hatte immer Spaß an den Figuren, die ich gespielt habe.“

Wer so lange am Kalkberg spielt, hat hinter und vor den Kulissen eine Menge erlebt. „Es gibt eigentlich keine Saison, an die ich schlechte Erinnerungen habe“, sagt Joshy Peters. „Ich hatte immer Spaß an den Figuren, die ich gespielt habe, an den Pferden, an den Kollegen und an der ganzen Atmosphäre: Jedes Jahr war schön und unvergesslich.“ Mit seinen langjährigen Karl-May-Kollegen Nicolas König und Harald P. Wieczorek verbinden ihn enge Freundschaften, mit Götz Otto hat er sogar gemeinsam ein Theaterstück geschrieben und aufgeführt, auch einige Akteure hinter den Kulissen sind gute Freunde geworden. Von keinem der Gaststars kann und will er Schlechtes sagen: „Die haben sich alle gut eingefügt, und wenn es mal jemanden gab, der zunächst nicht zurecht kam, dann hat er schnell gemerkt, dass Allüren hier nicht funktionieren und ist demütig geworden.“ Namen nennt er in diesem Zusammenhang nicht. Anders als an anderen Bühnen werde das Ensemble auf besondere Weise zusammengeschweißt.

Wer alles aus sich herausholt, muss auch mit Blessuren rechnen. Joshy Peters hat schon mit Prellungen und gebrochenen Rippen gespielt, ist mit Grippe aufgetreten und kann nicht ohne Stolz von sich sagen: „Ich habe noch nie eine Vorstellung ausfallen lassen.“ Zweimal allerdings waren die Situationen so extrem, dass er seinen Text gar nicht oder nur mit Mühe bringen konnte. 2011 war es Harald P. Wieczorek, der Joshy Peters aus der Fassung brachte. Der nämlich fiel mit seinem Pferd wie in Zeitlupe um, bevor er den Satz „Ergeben sie sich oder ich mache kurzen Prozess“ sagen konnte. Erst als er auf dem Boden lag und das Pferd halbwegs auf ihm drauf, presste er den Satz mühsam hervor – mit verheerender Wirkung: Peters bekam einen Lachanfall und konnte seinen eigenen Text nicht mehr glaubhaft aufsagen.

Bei einer Aufführung im Jahr 2010 war Schlagfertigkeit von Peters gefragt

Bei der letzten Aufführung von Gojko Mitic als Winnetou musste Joshy Peters, der in diesem Stück Winnetous Mörder spielte, ebenfalls passen. „Es war so berührend, dass ich nicht mehr sprechen konnte“, erinnert er sich. „Ich konnte nur noch sagen ‚Es tut mir leid, mein Freund‘ und bin dann wortlos abgeritten.“

Aber auch Schlagfertigkeit zeichnet Joshy Peters aus: Die Besucher der Premiere 2010 werden noch die Szene vor Augen haben, als gleich zu Beginn während einer stürmischen Fahrt den Abhang hinunter bei einer Kutsche ein Rad brach. Die Zuschauer hielten den Atem an und befürchteten Schlimmes, als die Kutschentür von innen geöffnet wurde, Joshy Peters als Old Shatterhand heraussprang, sich den Schaden besah und trocken sagte: „Augen auf beim Kutschenkauf…“ Stürmisches Lachen und kräftiger Applaus lösten die Spannung.

Wie lange kann er noch den harten Burschen mimen, rasant durch die Arena reiten und sich mit Indianern oder weißen Schurken prügeln? Peters: „So lange es noch Spaß macht…“ Den hat er – und die Zuschauer auch. Für ausreichend fit hält sich der Schauspieler allemal: Sein Leben lang hat er Sport getrieben, will jetzt seinen Kletterschein machen, raucht nicht, trinkt keinen Alkohol. Ein durchtrainierter Bursche also, der es beim Laufen auch mit 30 Jahre jüngeren Männern aufnimmt.

Seine inzwischen sechs Jahre alten Zwillinge werden ihren Papa demnächst im Freilichttheater am Kalkberg in Aktion erleben – und Joshy Peters hofft, dass sie ihn noch viele Jahre auf dieser Bühne beobachten können.