Kaltenkirchen. Das ehemalige Krankenhaus in Kaltenkirchen ist verfallen. Nun weicht es einer Neubausiedlung mit 166 Reihenhäusern und einer Kita.
Irgendwo in einem der finsteren Zimmer im Untergeschoss piept noch ein Rauchmelder. Langsam geht ihm der Strom aus den Batterien aus. Seit Jahren hört keiner mehr auf das Geräusch. Das einstige Kaltenkirchener Krankenhaus und das Schwesternwohnheim stehen leer. Übrig geblieben sind nur verwahrloste Ruinen, die in den kommenden Wochen abgerissen werden, um Platz für 166 Reihenhäuser und eine Kita zu schaffen.
Dort, wo zerborstene Scheiben und Platten der Deckenverkleidung auf dem Boden liegen, haben Ärzte und Schwestern noch vor wenigen Jahren Menschen aus der Region behandelt. Wo der Wind durch zerborstene Türen pfeift und Unbekannte Liebesgrüße an schmutzige Wände gekritzelt haben, retteten Mediziner Unfallopfern das Leben, entfernten Blinddärme und halfen Kindern auf die Welt.
In manchen Patientenzimmern hängen noch die Fernsehgeräte an der Wand. Uhren in den Fluren sind stehen geblieben. Im Keller liegen Akten, die das Personal der früheren Paracelsus-Klinik vergessen hat. Kurz nach dem Auszug entdeckten neugierige Kinder in Schwesternzimmern alte Medikamente. Die Aufregung im Ort war groß.
1974 wurde der Betonbau an der Alvesloher Straße gebaut, 2011 verließ der letzte Patient die Klinik. Doch immer wieder kamen Menschen in den leer stehenden Block. Ingenieur Thomas Kölsch von der Deutschen Reihenhaus AG bereitet das rund 20.000 Quadratmeter große Gelände für den Bau des neuen Wohnviertels vor. Er hat viele Abbruchhäuser von innen gesehen und unterscheidet drei Varianten von Vandalismus.
„Erst kommen die Kids aus der Umgebung und sehen sich um“, sagt der Kölner namens Kölsch. Dann folgen die Freaks, die sich für verlassene Orte begeistern können und darüber in Internetforen und sozialen Netzwerken diskutieren. Die dritte Kategorie bilden die Profis, die gezielt aus den Häusern holen, was sich zu Geld machen lässt. Diese Gruppe war im Kaltenkirchener Krankenhaus besonders aktiv. Kölsch spricht von einer „Abrissmafia“, die den Beutezug durch Flure, Patientenzimmer, Labore und OPs generalstabsmäßig geplant habe. An den Decken fehlen sämtliche Metallverkleidungen. Um Platz für den Abtransport mit Sackkarren zu schaffen, haben die Diebe erst einmal Ordnung geschaffen und Isoliermaterial fein säuberlich zur Seite geräumt. Kupferleitungen dürften in dem Abbruchhaus kaum noch zu finden sein. Kölsch ist sicher, dass die Beute mit Fahrzeugen abtransportiert wurde. Warum mitten in einem Wohngebiet niemand diese Fahrten auf das gesperrte Gelände bemerkt hat, bleibt dem Ingenieur ein Rätsel.
Die Deutsche Reihenhaus AG, die die Immobilie von der Paracelsus-Gruppe gekauft hat, beginnt am Montag mit den Vorbereitungen für den Abriss. Zunächst werden die Gebäude ausgeräumt und die Fenster ausgebaut. Etwa vier Wochen wird es dauern, bis es im Krankenhaus wie in einem Rohbau aussieht. Dann kommen die Abrissbagger, zerstören die Gebäude und entfernen die Pflastersteine von Wegen und Parkplätzen. Kölsch geht davon aus, dass etwa 15.000 Tonnen Betonschotter entstehen. Sie werden nicht abtransportiert, sondern auf der Baustelle recycelt und wieder verbaut. „Ende des Jahres sind wir damit durch“, sagt Kölsch. Dann beginnen die Bauarbeiten.
Die ersten Planungen sahen einen deutlich früheren Beginn von Abriss und Bau vor. Doch dann kam es zu monatelangen Verzögerungen, weil an der Westfassade in Lüftungsschlitzen eine Kolonie von mindestens neun Breitflügelfledermäusen entdeckt wurde. Erst nachdem sie vor wenigen Wochen ihr Quartier verlassen hatten, gaben die Behörden das Okay für den Beginn der Arbeiten. Damit die Fledermäuse nicht dauerhaft heimatlos bleiben, muss die Deutsche Reihenhaus an ihren Neubauten Fledermauskästen befestigen.
Kölsch geht davon aus, dass Ende 2016 die ersten Familien in die Reihenhäuser einziehen können. „Wir wissen, dass das ehemalige Krankenhausgelände eine besondere Bedeutung für die Kaltenkirchener hat“, sagt Kölsch. Das Unternehmen prüft, mit einer Infotafel an die Klinik zu erinnern.