Norderstedt. Fluggesellschaft bleibt in Norderstedt. IT-Bereiche arbeiten erfolgreich. Zwei Konzerntöchter werden Ende 2019 schließen.

Licht und Schatten bei Lufthansa in Norderstedt. Die gute Nachricht: Der Standort bleibt erhalten, die Flaggen mit dem blauen Kranich werden auch künftig vor dem markanten Glasgebäude am Schützenwall wehen. IT wird der Schwerpunkt sein, Lufthansa Industry Solutions und Lufthansa Systems stehen nicht nur auf soliden wirtschaftlichen Füßen, die Zeichen stehen auf Wachstum. Zwei weitere Konzerntöchter, die ehemalige Lufthansa Revenue Services und Lufthansa Cargo, deren Mitarbeiter Flugtickets und Fracht abgerechnet haben und zum Teil noch abrechnen, werden Ende 2019 geschlossen.

Lufthansa Industry Solutions hingegen befindet sich im Steigflug. Die Zentrale in Norderstedt steuert bundesweit 1100 Mitarbeiter, die sich mit einem zukunftsträchtigen Geschäft befassen. Big Data heißt das Schlagwort, die Beschäftigten werten die enormen Datenmengen aus, die die moderne Kommunikation täglich produziert und arbeiten die einzelnen Informationen so auf, dass Lufthansa selbst oder andere Unternehmen sie nutzen können.

„Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir auch neue Geschäftsmodelle“, sagt Bernd Appel, Geschäftsführer des florierenden Konzernzweigs, der in Norderstedt rund 400 Mitarbeiter beschäftigt. Die arbeiten entweder im Daten-Labor, wo Analysten und Daten-Architekten versuchen, aus vielen einzelnen Informationsteilchen etwa Verhaltensmuster von Kunden abzuleiten. Appel nennt ein Beispiel: Ein Paketdienstleister stellt fest, dass er den Adressaten einer Sendung nie zu Hause antrifft. Der Fahrer liefert seine Infos, die Datenexperten fügen die Informationen des Fahrers zu einem Bewegungsbild zusammen, sodass der Fahrer dann ausliefert, wenn der Kunde mit hoher Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist.

150 Firmen zählen zu den Kunden

Appel und sein Team tummeln sich auf einem umkämpften Markt und haben viele renommierte Kunden gewonnen. Rund 150 Firmen nutzen die IT-Kompetenz aus Norderstedt, vom Mittelständler bis zum Dax-Konzern. Die Reederei Hamburg-Süd ist darunter, der Versandhändler Hermes, DB Schenker Logistik, mit 15.000 Mitarbeitern Marktführer in Deutschland, und VW. Für den Autohersteller hat Lufthansa Industry Solutions den Konfigurator entwickelt, mit dem sich die Kunden ihr Wunschmodell zusammenstellen können. Wer in Berlin ein S-Bahn-Ticket kauft oder vom Otto-Versand beliefert wird, profitiert von den IT-Lösungen der Lufthansa-Tochter.

Von den Norderstedter Datenexperten stammt auch die Cloud-Lösung „Route-n Fuel“ – eine App auf einem Smartphone oder Tablet informiert Kraftfahrer, an welchen Tankstellen entlang einer bestimmten Route der Sprit zu welchen Zeiten am günstigsten ist. „Die Vorhersage von Ereignissen auf Basis von Datenanalysen, die sogenannte Predictive Analysis, spielt eine immer größere Rolle“, sagt Appel. Da sind die Fachleute für die Lufthansa-Mutter aktiv, werten Flugzeugdaten aus und leiten daraus ab, wann ein technisches Teil kaputtgehen wird. So können die Techniker dieses Element vorher austauschen.

„Die Nutzung von Big Data ist ein Markt, der jährlich um fünf bis sechs Prozent wächst“, sagt der Geschäftsführer von Lufthansa Industry Solutions. Das Unternehmen unterhält Niederlassungen in Oldenburg, Berlin, Raunheim, Köln und Wetzlar sowie in Bern und Miami.

Außerdem haben drei weitere Lufthansa-Töchter ihren Sitz im Firmengebäude, das der Lufthansa-Technik gehört: Im hart umkämpften Markt müssen die Fluglinien ihre Prozesse optimieren und Kosten senken. Lufthansa Systems bietet mit 50 Mitarbeitern IT-Lösungen und Beratungsleistungen für die immer komplexer werdenden Finanzprozesse.

Zwei Sparten schließen

Rund 80 Beschäftigte arbeiten bei Lufthansa Cargo und rechnen die Fracht ab. Allerdings wird diese Konzernsparte bis Ende 2019 in Norderstedt geschlossen. „Für die Mitarbeiter wird der Rückzug sozialverträglich geregelt, viele gehen in Rente, und wir werden Altersteilzeit-Modelle anbieten“, sagt Unternehmenssprecher Michael Göntgens. Alle anderen Mitarbeiter sollen die Möglichkeit erhalten, am Standort Hamburg einen neuen Job zu beginnen. „Wir stehen mit den Mitarbeitern in einem intensiven Dialog“, sagt Göntgens.

Bis Ende 2019 müssen auch die Kollegen von der früheren Lufthansa Revenue Services, die die Flugtickets aus der ganzen Welt in Norderstedt abgerechnet haben, gehen. Der Konzerntochter Lufthansa Job Services bemüht sich, den noch verbliebenen 106 Beschäftigten der Lufthansa Revenue Services berufliche Perspektiven zu bieten (wir berichteten).