Norderstedt. Am Montag gibt’s zum letzten Mal frische Brötchen an der Ulzburger Straße in Norderstedt. Bauarbeiten machten Geschäft den Garaus.
Nun hat es auch die Bäckerei Schmidt erwischt. Der langwierige Umbau der Ulzburger Straße zwischen Langenharmer Weg und Weg am Denkmal hat dem traditionsreichen Handwerksbetrieb den Garaus gemacht. Damit wird Norderstedt wieder um eine Institution ärmer. Am Montag steht Inhaberin Iris Schmidt noch einmal in Backstube und Laden, zum letzten Mal. Dann ist Schluss mit Schmidts leckeren Brötchen, Kuchen und Torten. Endgültig.
„Ich habe seit der Bauzeit 50 Prozent weniger in der Kasse als vorher, mir droht die Insolvenz, und daher muss ich schließen. Ich bin sehr traurig und weiß gar nicht, was ich ohne die Bäckerei machen soll“, sagt Iris Schmidt, Ehefrau des verstorbenen Volker Schmidt.
Seit 83 Jahren existiert die Bäckerei, 1932 gründete das Bäcker-Ehepaar Möller den Betrieb mit Backstube an der Ulzburger Straße 254. Von deren Tochter Marga Möller haben die Schmidts die Bäckerei und Konditorei 1982 übernommen.
Die Bäckerei liegt zwar nicht direkt im Baustellenbereich, doch kurz davor und leidet durch die Baustellen-Umleitung stark unter der Verlagerung des Verkehrs auf die neue Oadby-and-Wigston-Straße, auf die Falkenbergstraße und die Schleswig-Holstein-Straße. Schmidt ist auch nicht das erste Geschäft, das wegen des Umbaus schließen muss. Schon der Bioladen neben der Eisdiele Pinocchio gab auf. Weitere Schließungen drohen.
Dabei sollte der Umbau zum Boulevard, so heißt das Projekt, gerade den kleinen Läden mit ihrem individuellen Angebot helfen und ihnen das Überleben sichern.
Auch Sohn Alexander Schmidt hat seiner Mutter dringend geraten, die Bäckerei aufgrund der Einbußen durch die Baustelle aufzugeben. Der Betriebswirt hat den kaufmännischen Bereich bearbeitet, sitzt aber als Einkäufer eines Bauisolierungs-Unternehmens in Magdeburg beruflich fest im Sattel.
„Ich bin jetzt 68 Jahre alt und hätte die Bäckerei und Konditorei gern noch viele Jahre weitergeführt, denn ich habe stets mit viel Herz das Erbe meines Mannes hochgehalten“, sagt Iris Schmidt. Auch die Kundschaft, darunter Hotels, Restaurants, Kantinen, Altenheime, Kindergärten und andere Einrichtungen, sei sehr traurig über die Schließung. Für viele Norderstedter bricht ein Stück Alltagsstruktur weg. „Es geht nicht nur um Brötchen, es geht auch um den täglichen Klönschnack, den wir gepflegt haben“, sagt Iris Schmidt, die ihre Mitarbeiter als Team, sogar als Familie betrachtet.
Ihre Verkäuferin Daniela Kukowski sucht eine neue Stelle, die Kollegin Martina Hilke, deren Kinder noch in der Ausbildung sind, ebenfalls. Nur Bäcker Marcel Buchwald hat bereits eine neue Aufgabe, er wird von der Hamburger Hochbahn zum U-Bahn-Fahrer umgeschult. „Wieder ein Handwerker weniger“, sagt Schmidt.
Die Bäckerei Schmidt war in diesen Zeiten der Großbäckereien mit vielen Filialen ein ausgesprochener Familienbetrieb. „Wir machen keinen Backmischungssack auf, kippen Wasser drauf, rühren um, und fertig sind die Brötchen“, sagt Schmidt. Auch das Getreide für Brot und Brötchen mahlten die Schmidt-Bäcker selbst. Ohne chemische Zusätze. „Bei uns wird alles von Hand gemacht, bis zur Rose auf der Hochzeitstorte.“ Das ist nun vorbei.
Iris Schmidt ist gelernte Einzelhandelskauffrau. „Mein Mann hat mir alles beigebracht, was zum Bäcker- und Konditorhandwerk gehört“, erinnert sie sich wehmütig. Er hinterließ ihr eine Bäckerei mit sieben Filialen, eine in Henstedt-Rhen. „Das kann man allein nicht managen, und deshalb habe ich sie abgegeben und nur dieses Hauptgeschäft behalten“, sagt Schmidt. Der Neustart war schwierig, aber sie hatte es geschafft.
Als Dank hat sie sich sozial engagiert, hat beispielsweise Spenden für den Bau des neuen Norderstedter Frauenhauses gesammelt und die Brötchentüten-Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ unterstützt. Nun aber muss sie ihren Lebensinhalt abwickeln.