Kreis Segeberg. Polizei verstärkt nach Unfällen in den Baustellen die Kontrollen. Das Abendblatt hat eine Videostreife begleitet
„Kilometer 96,0, Beginn der Baustelle, ein weißer Peugeot Boxer mit dem Kennzeichen SE...“ Rainer Pries beginnt mit der Aufzeichnung auf Video. Der weiße Transporter vor ihn fährt zu schnell und zu dicht auf den Vordermann auf. Der unscheinbaren Kamera unter dem Innenrückspiegel des dunklen BMW, der dem Peugeot folgt, entgeht kein Detail. Auf der Tonaufnahme werden später die Worte von Pries zu hören sein. „Das Fahrzeug unterschreitet den Sicherheitsabstand erneut.“ Der Peugeot-Fahrer ahnt nicht, dass die Polizei auf der Autobahn 7 nördlich von Bad Bramstedt hinter ihm fährt.
Pries und sein Kollege am Steuer, Frank Willers, tragen Zivilkleidung. Dass der BMW ein Fahrzeug der Polizei ist, merkt der Mann im Transporter erst, als die Polizisten hinter ihm die Blaulichter einschalten, die im Kühlergrill versteckt sind. Im Vorbeifahren hält Rainer Pries die Polizeikelle aus dem geöffneten Beifahrerfenster. Dann klappt hinter dem Heckfenster das leuchtende Display „Polizei! Bitte folgen!“ hoch.
Pries und sein Kollege Willers sind so oft wie möglich mit „Erika 74/93“ auf der A 7 unterwegs und fahren im Schnitt 300 Kilometer pro Schicht Seitdem zwischen der Hamburger Landesgrenze und dem Bordesholmer Dreieck die Autobahn von vier auf sechs Spuren erweitert wird, ist die Zahl der Unfälle deutlich gestiegen. Die Polizei reagiert mit Tempokontrollen und dem verstärkten Einsatz von zivilen Überwachungsfahrzeugen.
Der Peugeot-Fahrer folgt dem BMW durch die Baustelle bis zum nächsten Parkplatz. Der Neumünsteraner ist nicht nur zu schnell gefahren und hat den Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Sein Transporter darf auf der linken Spur gar nicht fahren. „Das Fahrzeug ist zu breit“, sagt Rainer Pries. Und damit ist ein Fahrt auf der Überholspur gefährlich.
2,20 Meter Breite sind dort erlaubt. Willers vermisst den Transporter mit einem Zollstock und kommt inklusive Außenspiegel auf 2,45 Meter. Der kleinste Schlenker des Transporters reicht, und es kommt zu einer gefährlichen seitlichen Kollision mit Lastwagen auf dem rechten Fahrstreifen. „An die Spiegel hatte ich gar nicht gedacht“, sagt der Fahrer. Dass er damit ein großes Risiko eingegangen ist, sieht er nach den Erklärungen von Pries ein. Den Bescheid mit dem Verwarngeld bekommt er demnächst per Post.
Für Pries und Willers gehört dieser Fall zu den harmloseren. Die Videowagen werden zumeist eingesetzt, um schwere Verkehrsdelikte gerichtsfest zu dokumentieren und die Fahrer möglichst schnell zu stoppen. So wie den betrunkene Porschefahrer, der in der vergangenen Woche bei Neumünster mit Tempo 130 über den Standstreifen an einem Stau vorbeigerast war. Als die Polizei ihn mit einem Streifenwagen und dem Videowagen verfolgte, fuhr er kilometerweit mit hohem Tempo an Arbeitern und Baggern vorbei durch das Baustellengelände, lenkte dann auf die Autobahn zurück und ließ sein völlig demoliertes Auto stehen. Der Mann wurde festgenommen, nachdem er versucht hatte, davon zu rennen.
Die Verkehrsfahnder erinnern sich auch noch gut an einen Autofahrer aus Dänemark, der drei Kinder an Bord hatte und 160 statt der erlaubten 80 km/h in der Baustelle fuhr. Per Kreditkarte zahlte er eine Sicherheitsleistung in Höhe von 1790 Euro.
„Ein weißer Opel Zafira mit Kennzeichen WL...“ Das Display in der geeichten Überwachungsanlage von „Erika 74/93“ zeigt Tempo 117 an. Erlaubt sind in der Baustelle in Höhe Henstedt-Ulzburg 80 km/h. Auch mit dem Abstand nimmt es der junge Fahrer nicht genau. Frank Willers verfolgt den Opel, dann folgt derselbe Ablauf wie vorhin: Blaulicht, Kelle, „Polizei! Bitte folgen!“
Der Zafira-Fahrer war mit dem Auto seines Vaters und seiner Freundin in Richtung Norden aufgebrochen. Das Paar plante ein schönes Wochenende auf Sylt, doch die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre wurde knapp. Der Fahrer trat aufs Gaspedal, dann kam die Videostreife. „Ich glaube nicht, dass sie mit einem Fahrverbot rechnen müssen“, sagt Rainer Pries und zeigt dem jungen Paar die Aufzeichnungen, die auf dem Monitor im BMW zu sehen sind. Der junge Mann zuckt ein wenig zusammen. Dass er kurz davor war, eine Zeit lang Bus und Bahn fahren zu müssen, hatte er nicht geahnt. Vermutlich kommt er mit 150 Euro und einem Punkt davon.
Pries und Willers sind wieder in Richtung Norden unterwegs und fahren am Rastplatz Sielsbrook nördlich von Bad Bramstedt vorbei. Die Messanlage, die verdeckt hinter der Leitplanke steht, blitzt nahezu pausenlos. Um 9 Uhr haben die Verkehrspolizisten Bernd Gallmeister und Claudia Kiss Kameras und Messgeräte aufgebaut. Jetzt ist es 11.20 Uhr und 3300 Autos sind daran vorbeigefahren. „Jeder Sechste war zu schnell“, sagt Gallmeister, der gemeinsam mit seiner Kollegen die Aufzeichnungen an einem Laptop in einem Kleinbus kontrolliert. „Das ist hier der normale Schnitt.“ Der schnellste Autofahrer wurde mit Tempo 143 geblitzt, obwohl am Beginn der Baustelle nur 80 km/h erlaubt sind.
Noch erschreckender waren die Messwerte, als Kollegen von Gallmeister vor wenigen Wochen die Blitzanlage abends an der Baustelle vor dem Bordesholmer Dreieck aufgebaut hatten. Jedes dritte der 1600 gemessenen Fahrzeuge fuhr zu schnell. Der Spitzenreiter lag bei Tempo 174 statt 80.
Frank Willers holt das Lesegerät für die Visa-Card aus dem Kofferraum
„Erika 74/93“ rollte weiter in Richtung Norden durch die Baustelle. „Ein silberfarbener VW Golf mit norwegischem Kennzeichen“, sagt Rainer Pries ins kleine Mikro. 120 km/h zeigt das Display. Auf der Raststätte Brokenlande ist die Fahrt vorerst zu Ende. Er habe sich beeilt, weil das Baby auf dem Rücksitz geschrien habe, sagt der Fahrer. Doch um die Strafe wird der Norweger nicht herumkommen. Frank Willers holt das Lesegerät für die Visa-Card aus dem Kofferraum und bucht eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Euro ab. In seinem Heimatland wäre er für diesen Verstoß seinen Führerschein los geworden.