Norderstedt. Trompeter und Dirigent Lars Seniuk legt mit seinem Orchester ein bereits hochgelobtes Album vor.

Wer ihn so ansieht, seine jugendliche Ausstrahlung und das natürliche Lächeln, vermutet niemals, dass er schon Dozent ist. Musikdozent. Und dass er gerade die Musikschule On Air eröffnet hat, im Internet, damit jeder, auch auf dem plattesten Land und in den höchsten Bergen, fundierten Musikunterricht nehmen kann.

Obendrein hat Lars Seniuk mit „Pendulum“ ein bereits viel beachtetes Jazz-Album vorgelegt, das in der Szene nur gute Kritiken erhält. Doch ist er auf dieser Platte nicht als Jazz-Trompeter vertreten. Sondern als Komponist und Dirigent seiner eigenen Bigband, des mehrfach ausgezeichneten New German Art Orchestra Pendulum, das die besten Jazzer der Nation vereinigt und nach er die CD getitelt hat.

Lars Seniuk, Trompeter, Dirigent, Dozent und Komponist, dirigiert sein NGAO-Orchester
Lars Seniuk, Trompeter, Dirigent, Dozent und Komponist, dirigiert sein NGAO-Orchester © Lars Seniuk | Martin Lutze

Lars Seniuk wagt mit „Pendulum“ den Spagat zwischen Bigband, deren Sound normalerweise eher dem Swing zugeneigt ist statt des straighten Jazz, und dem Modern Jazz, dieser manchmal unterkühlten, sachlich wirkenden Variante des Jazz, und mischt Ausflüge in die Modern Music dazu. Er liebt die Kontraste, liebt schroffe Klänge und geht an die Grenzen der Hörbarkeit, um gleich darauf in bekannte Harmonien zu fallen.

Herausgekommen ist ein zwar manchmal gewöhnungsbedürftiges, aber in jedem Ton hörenswertes Klangerlebnis, und wer sich intensiv auf Seniuks Jazz einlässt, dem öffnet sich eine neue Jazz-Welt, wobei manche Soli auch beim Hören harte Arbeit sind, beispielsweise in „Narziss“, gespielt von Philipp Gerschlauer am Altsaxofon und Silvan Strauß am Schlagzeug.

Das startet mit vollem Bigband-Sound in „Der Wichsfrosch und sein Adjudant“, geht in „Prometheus“ über zum von der Trompete dominierten, blitzenden Jazz, scheint mal tanzbar, dann wieder arhythmisch mit schrägen Einschlägen und rasanten Einwürfen vom Orchester.

Bläser-Attacken werden eingeworfen, Klavier-Klänge getupft, und das alles mündet dann in eine melodiöse Klangwelt, die aber, bevor die Harmonie zu sehr ausbricht, von einer motzigen Trompete dominiert wird. Und bevor das Klavier lyrisch werden darf, brummt der volle Blech-Sound auf. Der Kontrabass von Matthias Eichhorn darf ebenso sein Solo pflegen wie Sebastian Hoffmann mit der Posaune in „Goldmund“. Viele Soli hat Lars Seniuk seinen Musikern direkt ins Instrument geschrieben. Diese Platte ist ein Abenteuer.

Pendulum ist die neuste CD von Lars Seniuk
Pendulum ist die neuste CD von Lars Seniuk © Lars Seniuk | Martin Lutze

„Mit diesem Orchester bin ich völlig frei in meinen Kompositionen und Arrangements, denn ich weiß, sie können es spielen, ich kann Neues probieren, und sie folgen mir, das ist fantastisch“, sagt der Komponist.

Der Titel „Pendulum“ bedeutet für ihn das Suchen und Finden des Glücks, die Balance, die das Leben in Fluss hält, eine Balance, die sich für ihn im Jazz aus den verschiedenen Einflüssen und den Extremen ergibt. „Traditionen zu achten und sie stets weiterzuschreiben, ist mein zentrales Thema“, sagt Seniuk. Er liebt die Gegensätze, gerade auch in der Musik.

Der Jazz-Junge aus Norderstedt ist in der großen Jazz-Welt angekommen. Im Herbst soll eine neue CD mit dem Landes-Jugend-Jazz-Orchester folgen. Lars Seniuk ist einer, der schon als Kind die Finger nicht von der Musik lassen konnte und damit sogar seine ganze Familie infizierte. Sie spielen alle, Mutter Marita Seniuk die Querflöte, Vater Jan Seniuk das Saxofon, der kleine Bruder Torben Seniuk die Posaune und anderes Blech.

Mittlerweile spielen alle alles, egal, ob Posaune oder Saxofon, Flöte, Klavier oder Kontrabass, den sich Torben als Kontrapunkt zur Blas-Manie seiner Familie aussuchte. Lars Seniuk allerdings, der sich zuerst an den Pauken, Becken und mit den Schlegeln ins Zeug legte, fand zur Trompete. Und ist bis heute bei ihr geblieben. „Ich wollte als Kind bei den Laternenumzügen mal so richtig laut lostrommeln“, sagt Lars Seniuk und grinst. Das war 1995, und Lars war ein fünfjähriger Knirps. Am 1. Juli wurde er 26 Jahre alt. Es kam, wie es kommen muss bei einer Erfolgsstory: Die Brüder heimsten Preise erster Güte ein, beispielsweise bei Jugend musiziert, beim Pinneberger Jazzfestival Summer-Jazz mit Lars Seniuks NGA-Big-Band. Lars Seniuks Band Northern Groove Agents holte sich im November 2006 den Skoda Jazz Preis, während Torben Seniuk beim „Rhythm Combination & Bones“ mit einem Förderpreis ausgezeichnet wurde.

Unterstützung kam von allen Seiten, beispielsweise von Hans-Jörg Packeiser, dem Bigband-Leiter am Norderstedter Lessing-Gymnasium, der das Musikleben der Schule maßgeblich prägt, beispielsweise von den Fish­head-Horns, einer Formation des Musikvereins Norderstedt, und ihren Star-Gästen wie Günter Fuhlisch und Wolfgang Schlüter, beispielsweise von der Pianistin Edda Blufarb, die Lars Seniuk in Klassik unterrichtete. Sie spielten im Landes-Jugend-Jazz-Orchester Hamburg, bei dem Lars Seniuk erstmals den Dirigentenstab von Nils Gessinger, Leiter von Jazzessence, übernahm, in dem die besten Nachwuchs-Jazzer Europas spielen.

„Das meiste aber habe ich Hans-Jörg Packeiser zu verdanken“, sagt Lars Seniuk. Professor Packeiser habe ihn die klassische Trompete gelehrt, studiert hat er Jazz-Trompete.

Heute pendelt Lars Seniuk zwischen Norderstedt, Hamburg, Berlin und Leipzig. „Ich lebe in der Bahn“, sagt er, und setzt nach: „Wenn sie denn fährt.“

In Hamburg probt der 26-Jährige mit dem renommierten Landes-Jugend-Jazz-Orchester, einem Studenten- Ensemble. In Berlin unterrichtet er Top-Musiker aus ersten Sinfonie-Orchestern, sogar von den Berliner Philharmonikern, die ihr Spiel mit Jazz verfeinern wollen. In Leipzig studiert er an der Musikhochschule Mendelssohn auf Master im Fach Jazz-Komposition. „Da gibt es nur einen Platz pro Jahr“, sagt Lars nicht ohne Stolz.

Im Februar gibt er einen Workshop im Hamburger Verband der Schulmusiker und nimmt eine weitere CD auf. Gerade aber ist er an den Start mit seiner Musikschule On Air gegangen. „Zuerst stehen Kurse für Trompete, Saxofon, Klavier, Pop- und Jazz-Gesang auf dem Lehrplan“, sagt Seniuk. Zu finden ist die Musikschule On Air unter www.musikschuleonair.de im Internet.

Und privat? Freundin? „Singt Jazz, Rock und Pop“, sagt Lars Seniuk und grient wieder sein jungenhaftes Lächeln. Und die Klassik? „Egal“, sagt Lars Seniuk, „sobald ein Orchester spielt, geht mein Herz auf.“