Wacken. Beim Wacken Open Air herrscht Land unter. Der vom DRK Kaltenkirchen geleitete Sanitätsdienst ist aber unbeeindruckt.

Die Naturgewalt hat gesiegt. Das Wacken Open Air ertrinkt nach tagelangem Dauerregen in teilweise knietiefem Morast, niemand bleibt verschont. Was für die 75.000 Besucher des weltgrößten Heavy-Metal-Festivals vielleicht noch mit Humor zu ertragen ist, hat für die insgesamt 584 Rettungskräfte die Arbeitsbedingungen extrem erschwert. Wer den ehrenamtlichen Sanitätsdienst, den das Deutsche Rote Kreuz Kaltenkirchen im elften Jahr leitet, begleitet, bekommt sofort nachhaltige Eindrücke.

„Hochachtung vor der Truppe, die da draußen ist“, sagt Jürgen Schumacher, Vorsitzender des Ortsvereins. Seine Crew ist mit 30 Personen dabei. „Wir haben zwar mit Regen gerechnet, aber nicht damit, dass es permanent durchregnet. Es ist die größte Herausforderung, die wir hier je hatten.“ Stündlich ist es problematischer geworden, auf den Übersichtskarten im Lagezentrum wurden immer mehr Bereiche des 220 Hektar großen Areals mit Wellen markiert. Sprich: Normale Fahrzeuge kommen nicht mehr durch.

Umso wichtiger ist daher der „Wolf“ geworden, ein allradbetriebener Mercedes 250 GD aus alten Bundeswehrbeständen, der kurzfristig aus Bad Segeberg angefordert wurde. Am Steuer sitzt dieses mal Björn Andersen, 27, aus Lübeck. Seit 2005 gehört der Informatiker zum Team. „Ich habe damals auf der Wacken-Website gesehen, dass Retter gesucht werden, und dachte mir: Das kann ich.“

Gemeinsam mit seinem Kollegen Oliver Kolisch (Rendsburg) manövriert er sich durch die Schlammwüste, der Wagen ruckelt und röhrt, kommt aber gut voran. Neben Quads und einem weiteren Allrad-Rettungswagen kann nur der „Wolf“ alle Bereiche erreichen – an mehreren Treffpunkten werden Verletzte dann in andere Fahrzeuge verlegt und zum Behandlungszelt gebracht. Die Abläufe mussten angepasst werden, funktionieren jedoch.

Schlamm erschwert den Krankentransport

Im Infield vor den beiden großen Bühnen gibt es noch ganz andere Herausforderungen. Hier bahnen sich Fabian Reuber und Sebastian Bannert aus Olpe sowie Pascal Rauschendorf aus Itzehoe den Weg, müssen sich hierbei immer wieder mühsam an den Metalfans vorbeischlängeln und dabei höllisch aufpassen, nicht im Matsch stecken zu bleiben oder in einem der tückischen Löcher umzuknicken. „Das ist sehr schwer, mit der Trage hier durchzukommen, zumal sich der Schlamm immer wieder verändert“, sagt Rauschendorf. Mal ist die Pampe klebrig, was die Gefahr birgt, einen Schuh zu verlieren, dann wieder fast flüssig. In der Dunkelheit können die Helfer dann kaum sehen, wohin sie treten – manche knicken so auch selbst um und müssen verarztet werden. Dann sind sie in doppelter Hinsicht ein Fall für die Leitstelle. Dort werden für die Zeit des Festivals einerseits auch alle regulären Notrufe der Region bedient, beispielsweise Verkehrsunfälle. Primär geht es allerdings darum, alles aufzunehmen, was auf dem Open Air geschieht.

Im nächsten Schritt wird entschieden, ob eine Fußstreife ausreicht oder ein Wagen benötigt wird, dann disponiert unter anderem Florian Gottschalk vom THW Norderstedt die Aufträge. „Eine Schicht dauert immer zwölf Stunden, etwa von 15 Uhr bis 3 Uhr. Aber wir achten darauf, dass die Kräfte Zeit zum Essen haben, keiner ist zwölf Stunden am Stück draußen.“

Während viele Veteranen, gerade in leitenden Funktionen, den Rettungsdienst organisieren, gibt es auch Novizen, denen die Chance gegeben wird, sich zu bewähren. Einer der Nachwuchshelfer ist Finn Ollenburg, 18, aus Lentföhrden, der dem Kaltenkirchener DRK angehört. „Im letzten Jahr habe ich nur in der Küche gearbeitet, jetzt bin ich zum ersten Mal im Sanitätsdienst“, sagt der Gymnasiast. Er läuft größtenteils im überschwemmten Mittelalter-Markt Patrouille. „Dort knicken viele Menschen um oder stolpern. Das mit dem Schlamm können wir ja nicht ändern, müssen deswegen improvisieren. Viele Leute klopfen uns auf die Schulter, freuen sich einfach, dass wir für sie da sind.“