Bad Segeberg. Segebergs früherer Landrat Anton Graf Schwerin von Krosigk feierte seinen 90. Geburtstag mit vielen Weggefährten.
Der Graf steht kerzengerade am Rednerpult und hält seine Begrüßungsrede – selbstverständlich ohne Manuskript – im Vitalia Seehotel. Er nennt sie schlicht „Abschiedsrede“. Damit verblüfft er die 135 Besucher, die sich anlässlich seines 90. Geburtstages eingefunden hatten. „Abschiedsrede deshalb, weil der 95. Geburtstag wegen der krummen Zahl nicht gefeiert wird“, sagt er. „Und meinen 100. Geburtstag – ich vermute, den werden viele von ihnen nicht mehr erleben können.“ Humor à la Anton Graf Schwerin von Krosigk: bissig und ein bisschen hintergründig. So haben ihn viele in den vergangenen Jahrzehnten erlebt.
Tatsächlich mag man sich gern vorstellen, dass der Gastgeber seinen 100. Geburtstag ebenso aufrecht erleben könnte. Der frühere Landrat des Kreises Segeberg hat sich in den 25 Jahren seit seines Ausscheidens aus dem Amt äußerlich kaum verändert. Er wirkt körperlich und geistig total fit, wechselt mit jedem Gast ein paar freundliche Worte und ist jederzeit Herr der Lage. So wie einst in der Segeberger Kreisverwaltung, die er 8888 Tage mit preußischer Freundlichkeit und Disziplin führte.
Bereits 1959 hatte sich der Verwaltungsjurist Anton Graf Schwerin von Krosigk erstmals als Landrat im Kreis Segeberg beworben. Damals erschien der Sohn des früheren Reichsfinanzministers Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk den meisten Politikern noch zu jung für dieses Amt. Gewählt wurde damals ein anderer. Am 1. April 1966 allerdings hatte er, wie er damals in seiner Vorstellungsrede bekundete, diesen „Makel“ überwunden. Im zweiten Anlauf wurde der Graf im Alter von 41 Jahren zum Landrat des Kreises Segeberg gewählt. Bis zum 3. Juli 1990 blieb er im Amt. Zweimal wurde er während seiner Amtszeit wiedergewählt.
Von seinen Untergebenen verlangte er viel. Das gibt er heute zu. Aber bis zum heutigen Tag ist er auch stolz auf seine damaligen Mitarbeiter: „Meine Kreisverwaltung war die beste im Lande, und das lag daran, dass meine Mitarbeiter mit viel Schwung und Freude arbeiteten.“ Viele der während seiner Dienstzeit leitenden Mitarbeiter waren am gestrigen Dienstag zur Feier in das Seehotel Vitalia gekommen, um dem früheren Landrat zu gratulieren. Gekommen waren aber auch die noch lebenden Kreisräte, die ehrenamtlichen Politiker also, mit denen Anton Graf Schwerin von Krosigk quer durch die Fraktionen ein überwiegend gutes Verhältnis hatte. „In den 24 Jahren meiner Amtszeit wurden sämtliche Haushaltspläne einstimmig verabschiedet“, sagte Graf Schwerin. „Ich wüsste nicht, dass so etwas in anderen Kreisen auch vorgekommen ist.“ Hilfreich für seine Tätigkeit war sicher auch seine strikte Überparteilichkeit: Der frühere Landrat band sich an keine Partei und ist deshalb heute auch in der komfortablen Lage, ehemaligen politischen Wegbegleitern jeglicher Couleur freundlich in die Augen zu blicken. Auch während seiner Geburtstagsfeier gab es keine politischen Grenzen.
In die Amtszeit „des Grafen“, wie er von ehemaligen Mitarbeitern auch heute noch freundlich genannt wird, fiel die Kreisreform 1970, die den Kreis Segeberg um die damals neu gegründete Stadt Norderstedt vergrößerte. 1966 hatte der Kreis 106.000 Einwohner, 1990 waren es 215.000, heute sind es 265.000. Die Zahl der Gymnasien stieg von zwei auf neun, die der Realschulen von vier auf zwölf, statt 130 Müllplätzen gab es am Ende seiner Amtszeit nur noch eine Großdeponie. Eine rasante Entwicklung also, die vom damaligen Landrat nach Kräften gefördert wurde. Im Gegensatz zu heute war die finanzielle Lage des Kreises Segeberg zwischen 1966 und 1990 überschaubarer, die Handlungsspielräume wesentlich größer. In seinem letzten Verwaltungsbericht 1990 formulierte Graf Schwerin von Krosigk: „Der Kreis Segeberg liegt bei allem, was Zuwachs anbelangt, ob es sich um Einwohnerzahlen oder die Entwicklung der Wirtschaft, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder um die Steuerkraft der Gemeinden handelt, weit vorn im Land, meist an erster oder zweiter Stelle.“
Mit dieser makellosen Weste schied er aus dem Amt, ist aber bis heute in Bad Segeberg präsent geblieben. Anton Graf Schwerin von Krosigk engagiert sich bei den Rotariern, pflegt eine gesellige Nachbarschaft – etliche langjährige und auch neue Nachbarn waren zur Feier ins Vitalia geladen – und lässt sich bei offiziellen Anlässen gern in der Stadt sehen. Sogar Kreistags- und Ausschusssitzungen besucht er gelegentlich. „Ich bin nie krank gewesen“, sagte er. „Also kann ich behaupten, die ersten 90 Jahre waren die schönsten meines Lebens.“
Zwar waren zur Geburtstagsfeier seine vier Kinder und seine vier Geschwister gekommen, die richtig große Familienfeier folgt aber im November: Dann wird seine Frau Hildegard ebenfalls 90 Jahre alt.