Norderstedt. Im Technologiezentrum der Tesa-Firmenzentrale in Norderstedt wird schon gearbeitet – sicher vor den Augen der Konkurrenz.
Handwerker wuseln durch die Flure, es riecht nach frischer Farbe und Fensterkitt. Mitten durch die finalen Arbeiten an der neuen Tesa-Zentrale in Norderstedt bahnt sich Thomas Erfurth seinen Weg zum Arbeitsplatz. Der Leiter des Technologiezentrums ist einer der ersten „Tesaner“, die auf Norderstedter Boden die Arbeit aufnehmen. Gemeinsam mit 27 Kollegen aus seinem 45-köpfigen Team hat Erfurth das Technologiezentrum der Firmenzentrale bezogen.
Erfurth tritt durch eine Tür im Erdgeschoss des ersten von insgesamt drei Gebäudeteilen der Zentrale. Eine kleine Halle erstreckt sich hinter der Tür, drei Stockwerke hoch und vielleicht 40 Meter lang. Hier steht die Versuchs-Produktionslinie, auf der neue Tesa-Produkte auf ihre Tauglichkeit für die industrielle Herstellung getestet werden. Ein im Übrigen streng geheimer Ort, an dem niemand einfach so herumlaufen und Fotos machen darf. Schließlich hat die weltweite Konkurrenz stets ein wachsames Auge auf die Neuheiten bei Tesa. Da dürfen keine Produktdetails nach außen dringen.
„Wir entwickeln hier hauptsächlich Dickschicht-Produkte, zum Beispiel unser ACX Plus“, sagt Thomas Erfurth. Für den Laien: Doppelseitiges Klebeband mit einer Dicke von 0,8 bis zu vier Millimetern. Egal ob in der Automobilindustrie, im Fassadenbau, bei der Konstruktion von Flachbild-TV-Geräten oder Solar-Panels – Nieten, Nägel und Schweißnähte sind out, kleben ist in.
Tesa wird von den meisten Verbrauchern nur als Hersteller von Klebestreifen wahrgenommen. Aber Tesa ist heute fast überall drin. Mehr als Dreiviertel des Jahresumsatzes von über einer Milliarde Euro erwirtschaftet Tesa mit 6700 Klebeprodukten für die Industrie. Aber die 300 Produkte für Haushalt und Büro sind eben weitaus populärer.
Innovationen in allen Tesa-Produktbereichen werden in Zukunft „Made in Norderstedt“ sein. Die Bedingungen im neuen Zentrum seien hervorragend, sagt Erfurth. „Alle unsere Wünsche wurden hier umgesetzt. Das Tesa-Gebäude wurde quasi um das Technologiezentrum herumgebaut. Das ist perfekt.“ In den alten Räumen an der Troplowitzstraße in Hamburg seien die Techniker an ihre Grenzen gestoßen. „Es ist dort zuletzt sehr eng geworden. Jedes Stückchen Fläche war von irgendeiner Maschine belegt, überall verliefen Kabel und standen Extruder herum“, sagt Erfurth.
Doch Technologie lebe, sagt Erfurth, und was lebt, braucht Platz. Innovationen, die irgendwann im Reagenzglas entstünden, müssten auf ihre Tauglichkeit für die Massenproduktion getestet werden. Und Produktionsverfahren auf ihre Nachhaltigkeit. In Norderstedt können die Ingenieure, Industriemechaniker, Chemiker und Laboranten dafür endlich nach Lust und Laune an der Produktionslinie des Forschungszentrums anbauen, auswechseln und ausprobieren, um den Kunden am Ende passgenaue Lösungen anbieten zu können. „Und jetzt haben wir auch den Raum, um den Kunden schon während des Innovationsprozesses künftige Produkte zu präsentieren und ihn zu fragen: Kannst du das brauchen?“, sagt Erfurth.
Die Herausforderung beim Umzug aus dem alten ins neue Technologiezentrum besteht darin, dass der Kunde nichts davon merken darf. Absprachen und Termine müssen eingehalten werden. Deswegen produziert Tesa derzeit zweigleisig in Norderstedt und in Hamburg. 90 Maschinen und Anlagen werden nach einem genauen Plan in zeitlich getrennten Umzugsphasen seit Februar nach Norderstedt gebracht. Die letzte wird im November umgesetzt. Doch die Produktion schläft dabei nie. „Na ja, eine kleine Phase des Stillstandes wird es geben. Aber über die weiß die Tesa-Welt schon Bescheid“, räumt Erfurth ein.
Der Einzug von Erfurth und seinen Kollegen sei ein echter Meilenstein für die neue Zentrale. „Das Technologiezentrum, das Parkhaus und ein großer Teil des Geländes sind nun nicht mehr Baustelle, sondern Betriebsstätte der Tesa SE“, sagt Thomas Schlegel, der Vorstandsvorsitzende. „Dass dieser Umzug auf den Punkt gelingt, ist das Verdienst der one tesa Bau GmbH, ihrer Planer und Handwerker, die den Neubau termingerecht fertigstellen konnten.“
Teil zwei des großen Umzugs soll Mitte September folgen. Bis dahin müssen mehr als 700 Mitarbeiter der Tesa-Zentrale in Eimsbüttel schätzungsweise über 7000 Kartons packen, die binnen drei Tagen per Lastwagen nach Norderstedt transportiert werden. Die etwa 280 Mitarbeiter des Forschungszentrums (FZ) vervollständigen kurz vor dem Jahreswechsel die Tesa-Umzugstrilogie – am 18. Dezember ist Tesa komplett und ein Norderstedter Unternehmen.
Ein Gefühl für das Lokalkolorit in Norderstedt hat Thomas Erfurth noch nicht entwickelt. „Ich kenne Obi und das Arriba. Und ich bin begeistert von der Verbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr.“ Mit der Bahn bis Niendorf-Markt und mit dem Bus direkt vor den Tesa-Haupteingang, schafft Erfurth den Arbeitsweg von seiner Wohnung in Eimsbüttel in 28 Minuten. Die meisten „Tesaner“ hätten, wie er, ihren Familien- und Lebensmittelpunkt in Hamburg. „Doch falls ich mir überlege, ein Haus zu kaufen, dann schaue ich natürlich auch, ob das in Norderstedt geht.“