Norderstedt. Tim Kiesow, Chef des größten deutschen Autoverwerters in Norderstedt, hatte die Industrie- und Handelskammer sowie Wirtschaftsförderer zu Besuch.

Es herrscht die übliche Geschäftigkeit zwischen den etwa 2500 Schrottautos, die aufeinander gestapelt in langen Reihen auf dem 68.000 Quadratmeter großen Firmengelände von Deutschlands größtem Autoverwerter in Norderstedt-Fried­richsgabe stehen. Männer in Blaumännern schrauben, rütteln und hämmern an den Wracks herum, auf der Suche nach Gebrauchtteilen, die an deren Autos kaputtgegangen sind. Alltag seit 1968 an der Straße am Umspannwerk.

Tim Kiesow führt das Unternehmen, das von der Familie in den 60er-Jahren als Altmetallhandel in Hamburg gegründet wurde, in der dritten Generation. Und er muss sich Gedanken machen, wie er das Geschäft auch in Zukunft lukrativ betreiben kann. Denn es gab Zeiten, in denen es mit der Verwertung von Altautos deutlich besser lief. „Der Bruch kam nach 1990, die Öffnung des Ostblocks, der Fall der Mauer“, sagt Kiesow. Mit jeder halbwegs fahrbereiten Karre wurde der unstillbare Durst der Ost-Länder nach Westautos gestillt. Verwertete Kiesow vor 1990 noch durchschnittlich 10.000 Autos im Jahr, so sank diese Zahl bis heute auf etwa 4000. Durchbrochen wurde dieser Trend nur 2009, als die Bundesregierung mit der Abwrackprämie die Konjunktur ankurbelte und die Menschen massenhaft ihren alten Wagen gegen Neuwagen der Schrottpresse übergaben. „Damals verwerteten wir 16.000 Wagen im Monat und mussten Kasernengelände anmieten, um die Altautos aus ganz Deutschland überhaupt annehmen zu können“, sagt Kiesow.

Heute wandern viele Gebrauchte nach Afrika. „Sie fehlen in der deutschen Wertschöpfungskette“, sagt Kiesow. „Ganz zu schweigen davon, dass sie dort ja auch irgendwann den Geist aufgeben und unter zweifelhaften Bedingungen verwertet werden. Das ist unter Umweltgesichtspunkten bedenklich.“ Wiederverwerten statt weiterfahren – für Tim Kiesow geht es dabei nicht nur um sein Kerngeschäft, sondern auch um den verantwortungsvollen Umgang mit wichtigen Ressourcen.

Platzprobleme hat Kiesow keine mehr in Friedrichsgabe. Aber er macht sich Gedanken über neue Geschäftsfelder, die in Zukunft Umsatz bringen könnten. „Wir wollen einen Online-Handel aufziehen, auch mit Kfz-Neuteilen. Und wir prüfen, ob wir nicht als Partner des ADAC tätig werden bei der Pannenhilfe“, sagt Kiesow.

Am Mittwoch hatte er interessierte Zuhörer für seine Pläne. Der Vize der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck, Bernd Jorkisch, schaute bei Kiesow zu einem Informationsgespräch vorbei. Mitgebracht hatte er unter anderen den Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Kreises Segeberg, Ulrich Graumann. „Mit Kiesow haben wir einen echten Leuchtturm für die Autoverwertung in unserer Hanse-Belt-Region“, sagt Jorkisch. Beim Austausch sprach man unter anderem über die mögliche Schaffung des Lehrberufes Autoverwerter, den es noch nicht gibt. Kiesow hat die meisten seiner 35 Mitarbeiter selbst angelernt. „Ich habe heute gelernt, dass die IHK nicht nur eine Organisation ist, bei der wir Beiträge einzahlen müssen, sondern eine, bei der ich Antworten auf Fragen bekommen kann“, sagt Kiesow zum Abschied. Jorkisch ermunterte Kiesow, sich doch mehr bei der IHK zu engagieren.