Norderstedt. Im Norderstedter wellcome-Projekt engagieren sich erfahrene Frauen, die ehrenamtlich einspringen, um Eltern zu entlasten.

Kaum in Jacke und Schuhen, muss Margret Barthels schon losrennen und Ole einfangen. Der ist zweieinhalb und ausgesprochen quirlig. Seit elf Monaten hat der Buttje Konkurrenz im Kampf um die Aufmerksamkeit der Eltern. Bruder Bjarne braucht die Zuwendung genauso wie er. Und da kommt Margret Barthels ins Spiel: Die Rentnerin unterstützt Mutter Doreen Bauer, 39. Einmal in der Woche klingelt die 67-Jährige im Neubaugebiet am Bestestieg in Norderstedt, um Doreen Bauer zu entlasten. Sie begleitet die Mutter und ihre beiden Söhne zum Kinderturnen, hat Bjarne im Auge, während sich die Mutter dem Älteren widmen kann, ganz ungeteilt und ohne den Jüngeren im Blick haben zu müssen. „Das wäre schwierig, wenn ich Bjarne vorm Bauch hätte“, sagt die Projektmangerin im Handeslmarketing, die demnächst wieder in den Beruf zurückkehren will.

Die Helferin engagiert sich ehrenamtlich, sie gehört zum Team von „wellcome“. Allesamt erfahrene Frauen, die ehrenamtlich einspringen, um Mütter und Väter im ersten Elternjahr zu unterstützen. Das Projekt versteht sich als moderne Nachbarschaftshilfe. Dafür sorgt in Norderstedt Antje Hillienhoff mit einer Gruppe von 17 sogenannten wellcome-Engeln. njahr zu entlasten. „Zwar können wir auch weitere ehrenamtliche Mitglieder gebrauchen. Doch wichtiger ist momentan, dass Familien unser Angebot auch annehmen und sich bei uns melden“, sagt die Koordinatorin.

Und die können das gut gebrauchen. Denn schon ein Baby wirbelt das Leben kräftig durcheinander und bestimmt, wann gegessen, geduscht und geschlafen wird. So groß das Glück über den Nachwuchs auch ist, der veränderte Lebensrhythmus und der Schlafentzug kosten Nerven, belasten Körper und Psyche nicht selten bis an die Grenze. Kommt ein zweites Familienmitglied hinzu, verstärkt sich das Gefühl, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können, den Kindern aber auch nicht gerecht zu werden.

„Doch das geben vor allem die Mütter nicht gern zu“, sagt Antje Hillienhoff, die mit den „wellcome-Engeln“ ein Projekt fortführt, dessen Wiege in Norderstedt stand, und das von hier aus das gesamte Bundesgebiet erobert hat (s. Info-Kasten). Die ehrenamtliche Hilfe hat sich bewährt. Auch Margret Barthels war sofort vom Konzept überzeugt, nachdem sie davon in der Zeitung gelesen hatte. Die 67-Jährige hatte Zeit, „leider noch keine Enkel und schon immer einen sozialen Touch“. Die Formlitäten, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis, waren schnell erledigt, und schon startete die Arzthelferin im Ruhestand in ihr neues Leben als Oma für ein paar Stunden.

Der Einsatz der wellcome-Frauen ist für eine Übergangszeit gedacht, so um die vier Monate. Schon bei ihrer zweiten Familie warteten Zwillinge darauf, dass Margret Barthels mit ihnen zu Hause spielt, spazieren geht oder auf dem Spielplatz im Sand gräbt. Meist kam sie zweimal in der Woche, damit die Mutter Zeit hatte, um einzukaufen, zum Arzt zu gehen, Schlaf nachzuholen oder sich einfach mal eine Auszeit für sich nimmt.

„Ich bin ganz flexibel und richte mich nach den Wünschen der Eltern“, sagt die Norderstedterin, die den Familien ein- bis zweimal pro Woche für zwei bis drei Stunden zur Verfügung steht – als Ersatz-Mutti, Gesprächspartnerin, Spielkameradin für Bruderoder Schwester oder als Begleiterin bei Arztbesuchen. „Gerade da ist es wichtig, dass ich mich als Mutter dem Kind widmen kann, das untersucht wird“, sagt Doreen Bauer.

Sie begrüßt den Service des wellcome-Teams. Ihr geht es wie inzwischen vielen: Die berufliche Flexibilität erfordert Ortswechsel. Doreen Bauer stammt aus dem Süden Deutschlands, Großeltern und Geschwister wohnen weit entfernt. „Ich hatte über meine Schwester in Nürnberg von wellcome erfahren und nach dem Umzug hierher sofort recherchiert, ob es das Projekt in Norderstedt auch gibt“, sagt sie und meldete Bedarf an, rein präventiv. „Da Bjarne ein relativ ruhiges und pflegeleichtes Kind ist, lässt sich das Leben ganz gut bewältigen. Aber das wusste ich ja vor der Geburt nicht“, sagt die zweifache Mutter.

Genau diesen Ansatz, sich früh bei wellcome zu melden, hält Koordinatorin Hillienhoff für optimal: „Damit lässt sich die Situation in der Familie von vornherein entspannen.“ Doreen Bauer spricht von einer Gewinn-Situation für beide. Die Familien werden entlastet, die Kinder gewöhnen sich früh an andere Menschen.

„Und es ist einfach ein gutes Gefühl zu wissen, dass man nur anrufen muss, und schon ist Hilfe unterwegs.“ Margret Barthels bestätigt: „Zum einen ist es ja ein enormer Vertrauensbeweis, wenn uns die Eltern ihre Kinder anvertrauen.“ Zum anderen geben einem die Kinder unheimlich viel zurück, und es mache Spaß zu beobachten, wie sie sich entwickeln.